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Reisebericht zu Andalusien→Granada→Stadtviertel Zentrum

Der Kern des katholischen Granada: Kathedrale und Capilla Real

Die Besichtigung von Granadas Kathedrale und der Capilla Real verschaffen uns einen ersten Eindruck der katholischen Architektur in Andalusiens ausgehendem Mittelalter. Wir finden beeindruckende Beispiele lebensnaher Darstellungen sowohl der christlichen Glaubensgeschichte als auch der historischen Figuren hinter goldglänzendem Glanz und Gloria.

Zunächst besorgniserregende Nachrichten: Unser Wetter und Japans Zukunft

Wieder zurück in Alfacar gelingt es uns, unseren frisch erworbenen Hausstand halbwegs unbemerkt in die Wohnung zu bringen, ohne dass unsere Vermieter eine mehrmonatige Hausbesetzung befürchten müssten. Hinzu kommt jetzt noch ein frisch gebackenes Vollkornbrot, das die Wirtin mit sichtlichem und auch berechtigtem Stolz im eigenen Holzofen bäckt. Für Menschen, die sehr lange hier wohnen (dürfen) sicherlich eine hervorragende Abwechslung zum doch ziemlich geschmacksneutralen Weizenbrot der hiesigen Bäckereien.

Die Wetterlage lädt nicht gerade zu einem Ausflug ins Gelände ein, so dass wir beschließen, den heutigen Nachmittag nochmals in Granada zu verbringen. Wochenends sind die Busfahrzeiten natürlich etwas ausgedünnt. Nachdem die Stadt während der Siesta sowieso tot ist, macht es uns nichts aus, auf die nächste Fahrmöglichkeit um 16:40 warten zu müssen, wir versäumen vermutlich nichts und trödeln herum.

In der Hoffnung, einen aufmunternden Wetterbericht zu finden, nutze ich die Zeit, den Fernseher in Betrieb zu nehmen Auf diese Weise bekommen auch wir mit, welche Katastrophen sich gerade im fernen Japan abspielen. Von Fukushima ist da noch gar nicht die Rede, sondern "nur" von der brutalen Zerstörung durch einen Tsunami. Für uns aber Anlass genug, das Fernsehgerät ungewohnterweise doch als nützlichen Gegenstand innerhalb einer Ferienwohnung wahrzunehmen, was nun auch so bleiben wird.

Angesichts dessen wirkt der doch noch gefundene Wetterbericht fast banal, obwohl er uns für morgen leichte Besserung und gegen Ende der Woche sogar schönes Wetter verspricht. Eher Sorge statt Trost bedeutet die Nachricht, in einer für hiesige Verhältnisse tatsächlich extremen Schlechtwetterperiode gelandet zu sein. Andalusien schluckt Regenmengen quasi historischen Ausmaßes , die Überschwemmungen in manchen Landesteilen verursachen, unter anderem in Sevilla und Cádiz, unseren nächsten Reisezielen. In Gran Canaria ist unser Lieblings-Wanderort Cruz de Tejeda eingeschneit. Mir schwant Böses für unsere zweite Reisewoche. In Anbetracht des bald ins Blickfeld rückenden, havarierten Atomreaktors werden solche Situationsberichte aber im spanischen Fernsehen nicht mehr weiter verfolgt werden.

Shopping an der Plaza de la Trinidad

Wochenend bringt uns anstelle des gewohnten Linienbusses ein deutlich größeres Fahrzeug von Reisebusformat nach Granada, das in den engen Gassen von Alfacar seine liebe Mühe hat. Weil scheinbar jetzt mehrere Linien zusammengefasst werden, lernen wir auf der Fahrt noch die Vorortsiedlung Jún kennen und vertiefen unsere gerade erworbenen Kenntnisse im Neubau spanischer Reihenhäuser. Auch dieser Ort scheint aber ganz beschaulich und auch hier lässt es sich am Stadtrand von Granada sicher ganz angenehm leben.

Wir durchstreifen zunächst nochmals das Universitätsviertel auf bisher noch nicht ergangenen Wegen, treffen aber an der Plaza de la Trinidad wieder auf das von Lore schon mehrfach beäugte Kaufhaus „Swanee“. Nachdem sie sich bisher tatsächlich bemerkenswert zurückgehalten hat in Sachen Shopping, suche ich mir eine nette Männerparke unter der Markise des Informationspavillons gegenüber und schaue dem Treiben auf dem Platz zu. Bis sie mit Stöbern fertig ist, habe ich mir eine halbverfallene Dachterrasse als potentielle Stadtwohnung mit erheblichem Renovierungsbedarf ausgesucht, einen Platzregen überstanden, über das offenbar auf der ganzen Welt sich gleichförmig entwickelnde Handyverhalten junger Leute nachgedacht, mich mit dem Platz angefreundet und weitere Besichtigungspläne geschmiedet.

Zum Zahlen werde ich herein gebeten, da unsere gemeinsame Kreditkarte vonnöten sein könnte. Als ich ihr ohne jede Schadenfreude die Schlange vor der Kasse zeige, die in etwa der vor der Alhambra zu Ostern ähnelt, schleudert sie allerdings wutentbrannt sämtliche Teile von sich. Die Schwäne werden uns in diesem Urlaub wohl nicht mehr wieder sehen.

Die Capilla Real: Unsere erste Begegnung mit dem spanischen Hochaltar

Wir verlegen uns wieder auf unsere Touristenpflichten und sehen uns die Capilla Real an. Das schmiedeeiserne Tor, Zugang zur eigentlichen Kapelle, beeindruckt hauptsächlich durch die saalfüllende Größe. Die Marmor-Sarkophage des berühmten katholischen Königspaares Isabella und Ferdinand sowie ihrer Kinder im Hauptschiff der Kapelle sollen schön sein, leider thronen sie weit über unseren Köpfen auf dem Dach der Krypta. Wir sind geneigt, zumindest die Anbringung eines Deckenspiegels zu beantragen. In der Krypta selbst unter der Vierung sehen wir noch die Särge der Hoheiten selbst. Schmucklos in einem kleinen Höhlengemäuer ruhend wirken sie auf die vor dem Sichtfenster vorbeiziehenden Gläubigen eher wie achtlos vergessene Überseekoffer.

Ein wirkliches Denkmal ist den beiden aber unter dem Altarbild gesetzt, das hier laut meinem Reiseführer Retabel heißt. Weder kenne ich den Begriff noch habe ich eine derartige Ausführung bisher gesehen. Nachträglich habe ich gelernt, dass damit einfach die rückwärtige Altarwand gemeint ist, das "schöne Dahinter". Dieses präsentiert sich als goldglänzendes Gesamtkunstwerk, wie ein Setzkasten unterteilt, dessen einzelne Fächer wie kleine Krippen christliche Szenen figürlich darstellen. Schon die Ausarbeitung dieser Szenenfiguren regt zu ausgiebiger Betrachtung an, soweit einen das goldene Glänzen nicht zu sehr blendet. Am besten aber gefällt mir die auch an anderer Stelle auffallende Sitte, am Fuß des ganzen Tableaus die Figuren der Stifter, kniend und den Altar anbetend, darzustellen, hier eben Isabella und Ferdinand, die allerkatholischsten Majestäten.

Diese Holzskulpturen wirken so lebensecht, als sollten sie die noch nicht vorhandene Zeitung ersetzen: "Schaut her, die haben das bezahlt". Was für ein Gegensatz zu den eher kontemplativen Altarbildern in Deutschland und Italien. Goldglänzende Pracht und lebensechte Darstellung der Stifter, anstatt deren Gesichter verschämt in vergeistigte Symbolfiguren einzumalen. Mit Gold, Glanz und Gloria habe ich es ja sonst nicht so, aber diese für mich neue Darstellung eines Altarbildes fasziniert mich schon.

Der kleine Nebenaltar für die Königskinderkönige ist aus diesem Blickwinkel fast noch schöner, weil nicht so überladen und bezüglich der Lebensechtheit der Figuren besser zu betrachten. Isabellas Tochter Johanna die Wahnsinnige ist bezüglich ihres Beinamens schön getroffen, finden wir. Angesichts derartiger Comic-Strips früherer Jahrhunderte bekommt man Lust, an diesem Ort einen Zusammenhang mit der Familiengeschichte dieser katholischen Könige herzustellen. Nachdem es im diffusen Licht auch mir nicht mehr gelingt, den Reiseführer ohne die vergessene Brille zu lesen, muss dieses Unterfangen allerdings auf später verschoben werden.

In der Sakristei nebenan werden diverse Monstranzen, Schmuckgegenstände und Messgewänder ausgestellt, die mich nun nicht so interessieren. Die Exponate italienischer und flämischer Schule dagegen gefallen uns schon. Leider wirken sie in diesem Mini-Museum neben all der erlebten Pracht und Geschichte irgendwie zusammenhanglos, und so bekommt man eigentlich keinen rechten Zugang, was ihnen Unrecht tut.

Im abschließenden Mini-Museums-Minishop gibt es mal wieder alles Mögliche, jedoch keine erhoffte Detailaufnahme meiner Stifterfiguren. Auch im Internet werde ich später gegen jede Erwartung nichts finden außer einer großformatigen Gesamtaufnahme, aus der ich sie auskoppeln kann. Manchmal sollte man wohl doch wie alle anderen einfach seine Detailfotos selber machen, Verbot hin oder her. Wenn ich schon happigen Eintritt bezahlen muss für eine Kirche, kann ich sie schließlich auch behandeln wie ein ablichtbares Museum, beschließe ich für die Zukunft.

Granadas Kathedrale: Katholische Macht und Gloria

Nachdem die Zeit vermutlich noch reichen wird, wollen wir jetzt auch sozusagen die Mutter besichtigen, die Kathedrale selbst. Eine längere Schlange aus Touristenkollegen, die gerade dem roten Stadtrundfahrtsbus entstiegen sind, weist uns unfehlbar den Weg und gibt uns die Sicherheit, noch genügend Zeit zur Verfügung zu haben.

Der Besichtigungsweg schleust uns direkt an die rechte Seite der Apsis, wo sich eine Kaskade von Gold in eine in den Himmel entrückte Kuppel hinaufrankt. Dahinter erstrecken sich die eher kühl und nüchtern gehaltenen Kirchenschiffe. Allein die Ausmaße und die lichte Höhe geben einem hauptsächlich das Gefühl, ziemlich klein zu sein. Wie mögen sich erst die noch kleineren Menschen in früheren Zeiten hier gefühlt haben.

Wir nehmen erst einmal unter den beiden riesigen Orgeln Platz, die die Wände zu beiden Seiten des Hauptschiffs ausfüllen und freuen uns an den wieder sehr lebenswirklichen Darstellungen der Figuren, die die daneben klebende Kanzel ausschmücken. Zum ersten Mal sehe ich eine Orgel, deren Pfeifen nicht nur senkrecht nach oben streben, sondern die auch horizontal Fächer aussendet, als würden unter ihr sitzende Faune von dort aus Nebentöne wegspeien.

Der zu Gottes Glanz und Gloria effektvoll beleuchtete Goldschimmer des Altars wie auch der Kuppel wird uns jetzt doch zu prächtig. Gemächlich schreiten wir die Seitenschiffe und die Apsis ab, die ein eigenartiges Sammelsurium einzelner Nebenkapellen beherbergen. Schlichte Holzaltäre wechseln mit prächtigen Arbeiten in rotem Marmor ab, dazwischen wieder Nischen nur aus silbrig glänzenden Skulpturen vor dem ebenso gearbeiteten Altar. Dort gibt es überall kleine, rätselhafte Details zu bestaunen, die mit Hilfe des Führers zu ergründen wir aber mittlerweile zu müde geworden sind. Ihrer Schönheit tut das keinen Abbruch und wir fantasieren uns eben selber einen eigenen Reim darauf zusammen, so waren sie ja schließlich auch einmal gedacht.

Wir verneigen unser touristisches Haupt vor der Pracht und der Bedeutung, die uns umgibt. Aber im Gegensatz zur Capilla Real oder den Nasridenpalästen in der Alhambra finden wir irgendwie keinen eigenen Bezug zu diesem Bau, er ist eben eine Kathedrale. Mächtig, einschüchternd, aber nichts, in das man sich verlieben könnte.

Heute Selbstversorgung statt Restaurantpleite

Schließlich ist es 18:40 geworden, als wir unseren heutigen Besichtigungstag beenden. Über die Via Colon ist der Weg zum Bus in den verbleibenden 20 Minuten bequem erschnaufbar. Wir entscheiden uns, einen weiteren Abend des Ärgers bei der Restaurantsuche gar nicht erst herauszufordern, sondern unsere frisch erworbenen Einkäufe umzusetzen.

Es gibt ein Hühnercurry mit Reis und kleineÜberraschungen aus der heutigen Einkaufsausbeute, die den hiesigen Tapas in nichts nachstehen, verfeinert durch Olivenstücke, etwas Banane und leider keinen Pistazien. Diese stellen sich nämlich als ungenießbare Kürbiskerne heraus und wandern umgehend in den Müll. Der als ganz normaler Reis gekaufte entpuppt sich beim Kochen als Nebenform des Milchreis, was ihn zwar auch als Fehlkauf einstuft, dem Aroma des Currys aber keinen Abbruch tut. Als Nachspeise gibt es noch Erdbeeren mit griechischem Joghurt, und wir fühlen uns rundum zufrieden.

Wenn Sie dem Verlauf dieser Reise folgen möchten

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Wohnkolonien in Andalusien

Wohnsiedlungen architektonisch oft kreativ gestaltet, aber meist Ghettos abseits der Ortskerne

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Wochenmarktgedränge am Mercadillo

Enges Wochenmarktgedränge bietet wohl Schnäppchen, erfordert aber starke Nerven.

Und hier der Gesamtüberblick dieser Reise mit allen Berichten


© 2004-2014 by Martin Haisch Gastromartini gastrobetreuung.de

Zuletzt aktualisiert am 27. Mai 2014

Mit ausdrücklichem Dank an Apachefriends und alle Open-Source-Entwickler, deren Arbeit solche Projekte erst ermöglicht
sowie an Lore für Begleitung und Ertragen programmierungstechnisch bedingter Abwesenheiten

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