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Reisebericht zu Andalusien→Granada→Stadtviertel Sacromonte

Zigeuner heute und damals auf Granadas Sacromonte

Granada Sacromonte Blick vom Centro interpretacion

Der Sacromonte gleicht eigentlich mehr einem langen Talgrund als der gängigen Vorstellung eines Stadtviertels von Granada. Die Kultur der Zigeuner ist hier zu Hause wie auch angeblich die Wurzeln des Flamencos. Das liebevoll ausgestattete Freilichtmuseum gibt schöne Einblicke dazu wie auch ebenso schöne Ausblicke auf die Stadt. Hier sind die Höhlenwohnungen noch original, wobei Glanz und Elend eng beieinander liegen.

Die wenigen Meter zur Bushaltestelle am Triumphbogen nehmen wir zu Fuss. Leider herrscht bei den Tabakläden immer noch Siesta, so dass wir die Fahrkarten zum Sacromonte wohl in bar zahlen müssen, nachdem unsere Mehrfahrtenkarte abgelaufen ist. Selbst das wird uns jedoch schwer gemacht. Fast eine geschlagene Stunde warten wir auf einen Bus. Erst bei der vierten Busbeschwörungszigarette mit Androhung, jetzt eben zu verzichten, bummelt doch mal einer um die Ecke.

Als mittlerweile alte Hasen in Granada wird die Fahrt für uns ganz lustig. Ein französisches und ein japanisches Pärchen stecken sich trotz Sprachlosigkeit in ihrer Panik gegenseitig an, als der Bus wie immer an der Plaza Nueva hält und den Motor abstellt. Nur das Vorbild unseres gleichmütigen Sitzenbleibens hält sie davon ab, panisch das Fahrzeug zu verlassen und ein Neuzugang an weiteren Touristen beruhigt sie letztlich.

Wenige Minuten später setzen wir uns ja auch schon wieder in Bewegung, den Darrio entlang in Richtung Albaicin. Heute aber zweigen wir nicht zum Albaicin ab, sondern nach rechts den Sacromonte entlang. Hier zeigt sich wieder einmal die Schwierigkeit, sich aufgrund Beschreibungen in Reiseführern ein Bild zu machen.

Sacromonte: Mehr Talgrund als Stadtviertel

Sacromonte als Viertel zu bezeichnen trifft den Nagel nicht gerade auf den Kopf. Ein schmales Sträßlein schlängelt sich neben dem weiteren Verlauf des Darrio über dem Bachlauf den Hang entlang, der hier zusehends zu einem engen Talgrund wird. Die Pflasterstraße ist anfangs gesäumt von Varietés und Bars, in denen sich offensichtlich das granadinische Flamencoleben abspielt. Dazwischen und darüber zwängen sich einige Privathäuser, vielleicht in zwei Reihen nach oben, das wars, darüber beginnen sofort die kargen Hügel. Was sich im Albaizin in endlosen Treppen nach oben schraubt, zieht sich hier gewissermaßen in die Länge, sieht aber ansonsten genauso aus.

Inmitten einer weiten Biegung, die die Strasse in einen Hangeinschnitt zieht, hält der Bus und der Fahrer fordert die Touristen zum Aussteigen auf. Es sind zwar nur einige Restaurants weiter oben in zweiter Reihe zu erkennen und sonst nichts Spektakuläres, aber wir sind folgsam und verlassen mit den anderen den Kleinbus. Etwas ratlos schauen wir umher. Die Alhambra thront majestätisch am Bachufer gegenüber, die gelangweilten Ober der beiden Bars beäugen lustlos das neue Frischfleisch. Erst auf den dritten Blick fällt das Schild am Fuß der Treppe auf: "Museo", Pfeil.

Wohnungen im

Sacromonte

finden Sie sicher auch hier:

www.e-domizil.de

Steiler Aufstieg zwischen Höhlenwohnungen zum Museum

Neben der malerischen Strasse besteht touristisch gesehen die Hauptattraktion des Sacromonte in einem "Centro interpretacion" genannten Museum, das die hier ursprünglichen Höhlenwohnungen und auch das zigeunerische Lebensumfeld erklären und darstellen soll. Ab und zu gibt es wohl auch künstlerische Workshops und Flamenco. Leider ist von hier unten nicht auszumachen, wo sich diese Stätte verbergen mag. Lediglich ein jedenfalls für Lores Verhältnisse ziemlich weit oben über den Häusern gelegenes und mit einem Dach beschirmtes Plateau könnte den zugehörigen Mirador darstellen.

Wir wollen es zumindest versuchen, wo wir schon einmal hier sind. In mehreren Etappen steigen wir an den beiden Lokalen vorbei leicht bergauf. Eines sieht mehr nach Bar aus, das andere entpuppt sich beim Blick durchs Fenster als Flamencolokal, das sich gerade auf die abendliche Kundschaft vorbereitet. Dahinter endet die Bebauung und geht in eine Art bewohnter Wildnis über. Der Weg führt jetzt steil einen kleinen Taleinschnitt hinauf. Links liegen einige verwilderte, abgezäunte Grundstücke, die zu offensichtlich bewohnten Höhlenwohnungen gehören, welche sich in den Hügel hineinbohren. Einige finster und verschlossen, andere durch zerrissene Duschvorhänge oder ähnliche bunte Utensilien vor zu viel Öffentlichkeit geschützt. Irgendwo am Hang steht eine Fleiluftdusche, ab und zu werden auch einige Gemüsebeete gepflegt.

Rechts über uns die parkähnliche Anlage, in der wir das Museum vermuten. Ein weiterer Pfeil weist zumindest in diese Richtung. Lore gibt sich einen Ruck, und in mehreren Etappen meistern wir auch diesen Aufstieg, an dessen Ende uns eine Rezeption im Stil einer weißgekalkten Strandhütte erwartet.

Ein blondes, junges Mädchen empfängt uns sehr freundlich und versucht, auf Englisch Sinn und Aufbau der Anlage zu erläutern, der jedoch ziemlich selbsterklärend ist. Sie fasst sich daher kurz und entschuldigt ihr schlechtes Englisch, was vollkommen deplaziert ist. Ich habe jedes Wort verstanden und ihr Englisch ist deutlich besser als mein Spanisch, was ich ihr auch sage und mich für den freundlichen Empfang bedanke.

Das Centro de interpretacion del Sacromonte

Vor der Rezeption befindet sich schön bepflanzter Platz mit einer kleinen Bühne, auf dem wohl die erwähnten Events stattfinden. Dahinter verläuft eine ganze Reihe von Höhlenwohnungen, schön weiß gekalkt und herausgeputzt, so dass nicht erkennbar ist, ob es sich um renovierte Originale oder nachträglich geschlagene Demo-Objekte handelt, was aber am Charakter ohnehin nichts ändert. Jede einzelne Höhle dient sozusagen als Station eines Informationsweges, ist sehr liebevoll mit entsprechender Einrichtung ausgestattet worden und mit zweisprachigen Schautafeln versehen. Ein bisschen haben wir den Eindruck, durch ein überlebensgroßes Puppenhaus zu wandeln, aber die gute Absicht hat unseren Respekt. Der Aufklärungsanspruch betreffend der Lebensweise der hier ausgegliederten Zigeuner ebenso, er äußert sich ausdrucksstark in den ausgestellten, historischen Fotografien, die mir am Besten gefallen.

Zunächst werden Wohnräume und Stallungen gezeigt, so dass wir uns jetzt auch eine Vorstellung machen können, wie wir in den als Ferienwohnung angebotenen Höhlen-Apartments gewohnt hätten. Im Sommer sicher angenehm, aber jetzt hätten wir sauber gefroren und feuchteln kann es auch. Danach folgen Werkstätten der einzelnen Kunsthandwerke, für Lore natürlich ein Paradies. Offensichtlich sind hier auch dann und wann lebende Figuren als Schau-Handwerker zu sehen. Es folgen ausführliche Darstellungen der Flora und Fauna, der zugeordneten Pflanzenheilkunde und geologische Details. Die Flamencohöhle ist wieder mit einem wahren Schatz alter Fotos ausgestattet, bei dem man durchaus ein Gefühl für dessen Ursprünge bekommen kann. Eine Sonderausstellung widmet sich noch einem Überblick über weltweite Anordnung und Verbreitung von Höhlenwohnungen als Lebensstil und Kultur mit schönen Bildern und Indianermusik. Am Ende begeistert Lore vor allem die Toilettenhöhle, weil die Damen da auf einem Thron Platz nehmen, für die Herren wird abgesehen vom höhligen Interieur nichts Besonderes geboten.

Lohnender Ausblick auf die Stadt heute und die Lebensverhältnisse der Ausgegrenzten damals (und heute)

Mit entsprechendem Interesse kann man sich hier stundenlang aufhalten und die unverkennbar aufgewandte Liebe zum Detail würde so angemessen belohnt. Einen Einblick in die Lebensverhältnisse der Ausgegrenzten in den letzten Jahrhunderten gibt sie allemal. Mir persönlich werden Schule und Erklärungen bald zuviel und während Lore noch die Werkstätten durchstöbert, widme ich mich der Aussicht vom tatsächlich phänomenalen Mirador.

Wir befinden uns hier praktisch im hintersten Winkel des Darrio-Tals, bevor es in die Berge geht. Der Ausblick reicht nicht nur über den gesamten Burgbereich der Alhambra schräg gegenüber, sondern aus dem Tal heraus über die zu seinen Füssen liegende Stadtanlage von Granada, die von hier aus noch mal anders aussieht als vom Wachturm gegenüber. Die jetzt schon tiefstehende Sonne tut natürlich ein Übriges für glanzvolle Fotos.

Auf unserer Talseite wölbt sich über mir der kahle Sacromonte-Hügel, wo es auch aktuelle Lebensgewohnheiten zu studieren gibt, abgesehen von den noch bewohnten Höhlenwohnungen. Erst mit dem Feldstecher ist zu erkennen, dass die dort oben abgestellten Fahrzeuge keine Touristenbusse sind, sondern Wohnmobile, deren Insassen sich mit seitlich aufgestellten Couchburgen und kleinen Feuerstellen dort ihre vermutlich vorübergehende Bleibe geschaffen haben. Das Zigeunerleben existiert also auch heute noch.

Für unseren anstehenden Abschied von Granada für dieses Mal hätten wir kaum ein besseres Plätzchen finden können, und Granada bedankt sich mit wärmenden Sonnenstrahlen. Erst als diese hinter dem Berg verschwinden, machen wir uns an den Abstieg. Die Wartezeiten der Hinfahrt sparen wir uns und traben gleich per pedes in die Stadt, eine gemütliche halbe Stunde nochmals vorbei an kleinen Bars, Flamencoschulen und den größeren Schuppen, in denen er dann auch gezeigt wird.

Abschied von Granada mit Kerzen- und Restaurantproblemen

Lore macht noch einen mutigen Versuch, im Seidenmarkt Kerzen zwecks heimischer Gemütlichkeit zu erstehen wie auch später in mehreren Drogerien. Für Kerzen kann sie sich tatsächlich mehrsprachig unterhalten. Die schon öfters gemachte Erfahrung, dass gewöhnliche Haushaltskerzen zur heimeligen Beleuchtung des Abendtisches in Spanien scheinbar ähnlich wie Hummer oder Kaviar gehandelt werden, bestätigt sich aufs Neue.

Der Versuch, den letzten Abend mit einem angemessenen Restaurantbesuch zu beschließen, endet in der bereits beschriebenen Katastrophe und am kerzenlosen heimatlichen Tisch ist die Stimmung etwas frostig.

Dennoch blicken wir auf sieben Tage in Granada zurück, die alle Erwartungen weit übertroffen haben und immer noch genügend Neugier für weitere Besuche hinterlassen. Natürlich macht die Alhambra als erster Eindruck der maurischen Kultur auch für uns den Schwerpunkt aus, aber der Kontrapunkt des mittelalerlichen, katholischen Granada komplettiert ihn und die Ausflüge in die Umgebung machen dann das Salz in der Suppe.

Wenn Sie dem Verlauf dieser Reise folgen möchten

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Und hier der Gesamtüberblick dieser Reise mit allen Berichten


© 2004-2014 by Martin Haisch Gastromartini gastrobetreuung.de

Zuletzt aktualisiert am 27. Mai 2014

Mit ausdrücklichem Dank an Apachefriends und alle Open-Source-Entwickler, deren Arbeit solche Projekte erst ermöglicht
sowie an Lore für Begleitung und Ertragen programmierungstechnisch bedingter Abwesenheiten

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