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Reisebericht zu Andalusien→Cordoba→Altstadt

Beschauliches Schlendern, Shoppen und Schlemmen in Cordobas Juderia

Cordoba Stadtmauer

Wir lassen uns in aller Ruhe durch die engen und pittoresken Gassen der Juderia treiben. Der Abend findet einen Höhepunkt an regional kulinarischem Erleben mit Ochsenschwanz und gebackenen Rouladen, beides cordobeser Spezialitäten im stilvollen Patio de la Juderia mit anschließendem Bummel durch die modernen Einkaufsmeilen um die Plaza de las Tendillas.

Das beeindruckende Erlebnis der Mezquita als Weltkulturerbe im Wortsinn hat uns etwas von den Realiäten des täglichen Lebens entrückt. Draußen vor der Tür erwartet uns eine Überraschung, mit der wir schon gar nicht mehr gerechnet hatten: der Himmel hat sich dunkelgrau zugezogen, es riecht nach Regen. Soviel zur versprochenen Wetterbesserung. Wir schaffen es gerade noch, in Ruhe die goldenen Tore in der Seitenfassade der Mezquita zu bewundern und einen Blick auf die Puente Romano-Brücke über den Guadalquivir-Fluss zu werfen, dann bricht ein veritables Gewitter los. Ein kleines Orangenbäumchen im Gärtchen vor dem königlichen Sommerpalast bietet gerade genügend Schutz für zwei, um nicht vollends durchnässt zu werden.

In den engen Gassen der Juderia

Auf der anderen Straßenseite ist in einem kleinen Jugendstilpavillon eine Touristeninformation untergebracht. In früheren Zeiten vor Erfindung des Internet wäre es mein Traum gewesen, dort wühlend eine kleine Gewitterpause zu verbringen. Jetzt sind mir die zwanzig Meter wegen der drohenden Durchnässung schon zuviel. Mit nachlassendem Regen ziehen wir die Kapuzen über und wandern ziellos drauflos durch die engen Gassen der Juderia. In einer Passage entdecken wir ein kleines, wohl privates Museum zur Geschichte Andalusiens. In dem schönen, überdachten Patio hätten wir es gemütlicher aushalten können, so gewährt es immerhin Lore eine Pinkelpause. Ansonsten steht uns der Sinn heute aber nicht nach Wachsfiguren und aufgehängten Schwertern.

Abwechselnd streifen wir durch Gassen voller Leben und Läden, dann wieder durch stille Nebenwege, in denen wir uns fragen, ob sie überhaupt irgendwohin führen. Überall bewundern wir die kleinen Patios, meist bepflanzt oder mit schön bemalten Kacheln geschmückt. Hier lässt es sich leben, finden wir und unterstützen ab sofort vehement Cordobas Bewerbung als Kulturhauptstadt Europas.

Hinter irgendeinem Eck finden wir das zweite, vom Führer für heute Abend empfohlene Lokal kurz vor einem alten Stadttor, der Puerta de Almodovar. Ersteres ist geschlossen, letzteres führt uns auf den schön mit kleinen Wasserbassins gestalteten Flanierweg vor der alten Stadtmauer. Den wollte ich eigentlich finden, hatte aber wegen Kapuze vor der Nase keine gute Sicht. Wir lassen uns weiter durch die Juderia treiben, erstehen die eine oder andere Kleinigkeit und freuen uns an diversen Geschäften, die Kleidung und Ausstattung für Flamencotänzer feilbieten. Allein über die Fächer würden meine Freunde vom Linedance in Verzückungsschreie ausbrechen und auch die Ganzkörperschleier würden sie nicht links liegen lassen. Wir finden auch weitere, interessante Lokale. Vor einem steht ein älterer Opa und versichert uns treuherzig die Qualität des Hauses. Die Speisekarte erscheint nicht minder ansprechend als im "Faroles", die Preise sogar noch etwas ansprechender. Ochsenschwanz, die gepriesene cordobeser Spezialität gibt es überall für mich, das fällt als Ausschlußkriterium also weg.

Cordobas Spezialität: der Ochsenschwanz im Patio de la Juderia

Nachdem wir also zum dritten Mal am "Patio de la Juderia" vorbeikommen, werfen wir alle Vorsätze über Bord, uns zukünftig nur noch auf Reiseführer-Empfehlungen zu verlassen, vertrauen unserem Instinkt aufs Neue und dem Opa auch. Wie immer ist es noch früh für die normale Essenszeit und hier scheinen wir auch jetzt schon willkommen.

Ein junger Mann heißt uns willkommen, führt uns in den wirklich großen, aber stilvollen Innenhof direkt vor die bereits angeworfene Standheizung. Die ist auch durchaus nötig. Der Opa bleibt vor dem in einem entlegenen, dunklen Eck laufenden Fernseher sitzen, er hat sein Marketingsoll für heute wohl erfüllt. Die ausführliche, mehrsprachige Karte brauchen wir eigentlich nicht zu studieren, längst haben wir uns für die beiden vor der Tür angebotenen Menüs entschieden. Der junge Ober ist ein heller Kopf. Er versteht es, nicht nur meinen Wunsch nach einem großen Bier korrekt umzusetzen, sondern deutet unsere Diskussion richtig und bringt unaufgefordert nochmals laminierte Versionen der draußen angebotenen Menüfolge. Ist ja in Ordnung, zunächst die Einzelgerichte mit durchaus stolzeren Preisen verkaufen zu wollen.

Natürlich sind wir zu dieser frühen Stunde allein im Lokal, von der dunklen Fernsehecke für die Familie abgesehen. Im Hof stehen die Tische locker verteilt, in der Mitte plätschert ein Brunnen leise vor sich hin. An den hoch nach oben ragenden Wänden einige Stuck- und Mauerdekorationen, anscheinend ist das Dach nur jetzt saisonal bedingt geschlossen. Im Sommer könnten wir vermutlich die Sterne blinken sehen, jetzt aber fröstelt uns leicht. Von unserem Platz nahe der Heizung aus haben wir den Eingang gut im Blick, vor allem aber umgekehrt der Eingang uns, was offensichtlich gewollt ist, um anderen Ausländern Mut zu machen. Diese Situation kennen wir ja bereits und ein diffuses Misstrauen betreffend der bauchgefühlsbedingten Lokalwahl beschleicht uns. Immerhin können wir aber nach und nach noch einige andere, vor der Zeit hungrige Touristenpärchen anlocken.

Darauf dürfen wir dann entgegen aller inneren Unkenrufe auch stolz sein. Lores Gazpacho stellt sich keineswegs als langweilige Tomatenpampe heraus, sondern ist eine hervorragend gewürzte Bohnenpürreekaltschale, meine hauchdünnen, frittierten Auberginenscheiben mit Spritzern von Honig und Balsamicoreduktion wirkt geradezu als Erleuchtung, was man mit diesem Gemüse auch anfangen kann. Ganz offensichtlich muss der junge Mann die Speisen wegen der Vorzeitigkeit unseres Besuchs selbst herstellen, ein weiterer Grund für mein Misstrauen. Aber eine gut vorbereitete Küche mit sorgfältiger Produktherstellung kann das durchaus leisten, das ist auch daheim nicht anders.

Der als Schmortopf in der Keramikschale gereichte Ochsenschwanz schmeckt so ausgezeichnet, dass ich Lores Wahl, eine gefüllte und paniert gebackene Schweinefleischroulade, getrost ignorieren kann. Auch dieses Gericht scheint hier beliebt zu sein, es war jedenfalls auch auf einigen der Austellungsfotos zu sehen. Zuletzt die Nachspeise ist ebenfalls ein Wohlgenuss, selbst wenn ein Flan im Gegensatz zu seinen Vorgängergerichten keine Erleuchtung darstellt. Da gönnen wir uns doch ein zweites Bier und zwei Carajillos, die auch tatsächlich welche sind. Am Ende sind wir mit 60 € nur wenig über dem in Granada bezahlten Durchschnitt, verlassen aber vollauf zufrieden, mit neuen Ideen für Speisevariationen versorgt und gesättigt diese absolut gastliche Stätte.

Cordobas moderne Einkaufsmeilen nicht minder flanierfähig

Es ist dunkel geworden und die breiten Flanierwege und Plätzchen entfalten in der Abendbeleuchtung weiteren Charme. Mittlerweile pulsiert hier auch das Leben. Vor der Plaza de las Tendillas blockieren sogar ganze Menschenhorden das Durchkommen, aufgeregter Lärm füllt die Strasse. Meine Vermutung, das Barleben im Zeitalter des europäischen Rauchverbots verlagere sich eben auf die Strasse, bestätigt sich zwar, hinzu kommt aber noch die Wurzel einer anscheinend spontanen Anti-Atomkraftversammlung. Auch in Spanien sind solche Tendenzen wohl eher Neuland, es geht hier aber mehr konzentriert diskutierend zu denn aggressiv. Ich würde mir ja gerne auch ein Bier kaufen und schauen, was so abgeht, aber mit unseren unterirdischen Sprachkenntnissen würde das wohl eher peinlich werden.

So schlendern wir noch durch die moderner geprägten Einkaufsstrassen um die Plaza herum, die großstädtisches Flair mit historischem Ambiente zu verbinden wissen. Ohne große Worte sind wir gleichermaßen traurig, hier nur eine Nacht verbringen zu können und versuchen, die Rückkehr ins Hotel San Miguel etwas hinauszuzögern. Kurz davor finden wir noch die im Führer ebenfalls gelobte Bodega gleichen namens, die schon durch die Fenster sehr sympathisch wirkt. Wir sind aber doch zu müde, noch einen weiteren gastronomischen Versuch zu wagen.

Cordoba erscheint uns weit mehr wie Granada als ein Ort, an dem man sich in Ruhe der spanischen oder andalusischen Lebensart annähern könnte. Durchaus mit Kultur versorgt, an deren Oberfläche wir ja gerade nur kratzen konnten, aber natürlich nicht mit der Menge an so genannten Highlights, die andere Städte vielleicht zu bieten haben. Dafür aber mit einem städtischen Ambiente ausgestattet, das klein genug ist, um sich schnell überall zurechtzufinden, seine Lieblingsplätze lokalisieren zu können, sich wohl zu fühlen und doch andererseits auch groß genug, um genügend städtisches Flair verbreiten zu können, das für einige Tage an Entdeckungstouren ausreicht. Hätte ich Zeit und Geld genug, eine Woche irgendwo in Andalusien nur in Straßencafés zu verbringen, um Spaniern gemütlich dabei zuzusehen, wie sie ihre Tage und Nächte so verbringen, dann würde ich es wohl in Cordoba tun. Allein dafür hätten wir uns gern mehr Zeit genommen, aber die lässt sich ja nachholen.

Wenn Sie dem Verlauf dieser Reise folgen möchten

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Und hier der Gesamtüberblick dieser Reise mit allen Berichten


© 2004-2014 by Martin Haisch Gastromartini gastrobetreuung.de

Zuletzt aktualisiert am 27. Mai 2014

Mit ausdrücklichem Dank an Apachefriends und alle Open-Source-Entwickler, deren Arbeit solche Projekte erst ermöglicht
sowie an Lore für Begleitung und Ertragen programmierungstechnisch bedingter Abwesenheiten

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