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Reisebericht zu Andalusien→Nordostandalusien→Ubeda Sierra Magina

Bergpanorama, schöne Wanderwege und seltsame Irrwege in der vergessenen Sierra Magina

Blick auf Albanchez

Eher zufällig und aus Angst vor schlechtem Wetter geraten wir in die Baeza sehr viel näher gelegene Sierra Magina, die kleine und wenig bemerkte Schwester der berühmten Sierra de Cazorla. Hier laden gut beschilderte Wanderwege sicher nicht nur zwischen Jimena und Albanchez zu weiten Aussichten über steile Gipfel und bis nach Ubeda ein, auch außerhalb gespurter Pfade. Eine abenteuerliche Umleitung im Gebirgsdorf katapultiert uns jedoch ungewollt auf Irrwege.

Im Gegensatz zu gestern kann das Wetter heute nicht richtig überzeugen. Wie wir noch merken werden, herrscht auch in Andalusien offensichtlich Aprilwetter, nur auf 10 Grad höherem Niveau als daheim. Der Himmel bleibt vorerst grau, auch wenn es nicht regnet, in Richtung Osten stauen sich jedoch dunkle Wolken über dem Gebirge. Genau dort wollen wir freilich unbedingt einen der nächsten beiden Tage verbringen, und das möglichst nicht gerade inmitten von Regenwolken. Wir fahren einfach ostwärts in Richtung Ubeda und werden, je nach Wetterlage, entweder die Zwillingsstadt besichtigen oder weiter ins Gebirge vordringen.

Ubedas umgebauter Autobahnring gibt die Richtung vor: Sierra Magina

Wir schnappen uns unseren Panda, der noch brav unter den Laternen an Baezas Hauptstraße auf uns wartet und starten in den ersten Urlaubstag. In Richtung Ubeda wird der Verkehr etwas umständlich aus der Stadt heraus geleitet. Aber wir können so hinter dem offenbar neu gebauten Busbahnhof gleich mal einen Supermarkt für anstehende Einkäufe ausmachen und merken, dass rund um die Hauptplätze sich wohl ein öffentliches Leben abspielt, der Alltag aber etwas dahinter wohnt. In weiten Kurven schwingt sich die Straße vom Ortsende abwärts in Richtung der umgehenden Autobahn von Jaen nach Ubeda, auf der wir ja gestern hierher gelangt sind.

Autobahn ist wohl auch der falsche Begriff. Abgesehen davon, dass sie überall noch im Entstehen begriffen ist, handelt es sich mehr um die Schnellverbindung zwischen Baeza und Ubeda, an deren Rand aufstrebende Gewerbegebiete wohl bald für eine fast durchgängige Verbindung der beiden Zwillingsstädte sorgen werden. An reichlich gesäten Kreisverkehren lassen sich die angedachten Ausfahrten bereits erahnen. Momentan scheint sich der Bedarf noch mehr in Richtung Möbel, Garten und Heimwerk zu orientieren, Lebensmittelmärkte geraten jedenfalls nicht in Sicht.

Schließlich aber bringen mich die vielen Kreisverkehre mit leicht verwirrenden Beschilderungen aus meinem Konzept und ohne es wirklich zu wollen, finde ich mich schnell in südlicher Richtung unterwegs, anstatt ostwärts weiter in Richtung Cazorla und seiner Sierra zu fahren. Die ebenfalls autobahnähnlich ausgebaute A 401 würde uns letztlich nach Guadix bringen. An einer Abzweigung machen wir kurz Halt zur Orientierung. Zwischen den Ruinen offenbar nicht mehr aktiver Olivenbäume, die jetzt als Lagerplatz für ausgemusterte Schuhschränke und deren Inhalt dienen, studieren wir die Karte des Reiseführers. Mein Gefühl hat mich zwar nicht ganz getrogen und wir könnten auch von hier aus noch in die Sierra abbiegen, aber wir sind angesichts der dort immer noch tief hängenden Wolken geneigt, den Wink des Schicksals zu akzeptieren. Wir werden den jungen Tag mit einer Rundfahrt durch die Sierra Magina beginnen, über der auch überzeugend die Sonne Strahlt.

In Richtung Jodar brausen wir weiter. Gottlob lasse ich mich aber nicht verführen, die breiten Straßen geschwindigkeitstechnisch auszunutzen. Kurz vor Jodar verläuft die Schnellstraße in breiter Schwingung über einen Stausee, an dessen Endpunkten jeweils Zufahrten über riesige Verkehrsinseln eingeschleift werden. Diese sind jeweils von einem Polizeiaufgebot besetzt, das sich sehen lassen kann. Da hat es wieder sein Gutes, mit einem offensichtlich durch Aufkleber markierten Mietauto unterwegs zu sein. Jedenfalls scheinen wir die einzigen zu sein, die der allgemeinen Verkehrs- und Geschwindigkeitskontrolle entgehen.

Wanderwege entdecken in der Sierra Magina

Die Gegend ist ziemlich industriell geprägt, und das nicht nur durch die allgegenwärtige Olivenverarbeitung. Aber langsam baut sich die Sierra Magina vor uns auf, und deren Züge sind schon beeindruckend. Hinter Jodar ist der nördliche Zipfel der Gebirgsinsel erreicht und wir biegen ab in Richtung Bedmar. Leider wissen wir da noch nicht, dass wir gerade die Anlage unseres zukünftig bevorzugten Herstellers von Olivenkonserven links liegen lassen, sonst hätten wir uns dort im sicher vorhandenen Outlet-Store von Congana eingedeckt.

Die Straße kurvt jetzt bequem hügelaufwärts, während sich links im Hintergrund die Gipfel der Sierra auftürmen. Da wollen hier nun einen Weg hineinfinden. Jetzt bedauere ich, gestern Nacht nicht doch noch etwas ausgiebiger die hervorragenden Karten der andalusischen Naturschutzbehörde studiert zu haben, die ich alle auf meinen Laptop geladen habe. Der ist jetzt daheim in unserer "Casa del Seise" in Baeza, und ich habe hier nur die grobe Straßenkarte unseres Reiseführers. Die aber ist fast unnötig, weil bereits von den Hügelkuppen aus eindeutig zu erkennen ist, dass nur ein einziges Sträßlein von den Hauptverkehrswegen aus nach innen in die Sierra führt.

In der Ortschaft Jimena haben wir diese Gabelung auch erreicht. Zunächst machen wir zwar einen unfreiwilligen Abstecher in dessen inneren Kern, weil die Abzweigung derart spitzwinklig abführt, dass sie zunächst gar nicht ins gedachte Bild passt. So lernen wir aber auch aufs Neue das Innenleben spanischer Bergdörfer kennen, in denen der Verkehr einfach zum Erliegen kommt, wenn der Linienbus und ein LKW sich am verkehrten Platz treffen. Lore schwitzt und ich warte einfach, bis sich die Situation nach zehn Minuten bereinigt hat.

Dann nehmen wir die Spitzkehre jetzt von der anderen Seite und stellen erfreut fest, dass die Naturschutzbehörde nicht nur Karten ins Internet stellt, sondern mittlerweile auch für eine allgegenwärtige, gut organisierte Beschilderung seiner Empfehlungen im realen Straßenleben Sorge trägt, sogar in einer eher abgelegenen Region wie hier. Bereits am Ortsausgang empfangen uns die ersten Hinweisschilder zu Wanderwegen, die uns aber noch etwas zu randlagig für die Sierra erscheinen und daher ignoriert werden.

Zwischen Jimena und Albanchez: Unter dem Pinar de Canava schöne Sicht auf die Sierra Magina und die Zwillingsstädte Baeza und Ubeda

Später wird sich herausstellen, dass sie steil dahin geführt hätten, wohin auch wir jetzt unterwegs sind. Dem nächsten Hinweisschild auf den Anfang eines Wanderwegs folgen wir jetzt nämlich und biegen bergaufwärts von der schmalen Landstraße nach Albanchez ab. Holprige Wirtschaftswege führen durch die Olivenhaine aufwärts zu einem kleinen Plateau, wo sich einige Autos abstellen lassen.

Sowohl dieser Parkplatz wie auch der einige Meter aufwärts beginnende Wanderweg zum Pinar de Canava sind unübersehbar mit dem Schildern der Naturschutzbehörde markiert. Zwei kleine Gehöfte unter uns liegen still inmitten der sie vermutlich bewirtschaftenden Olivenhaine, irgendwo schlägt ein Hund an, ansonsten sind wir allein auf weiter Flur. Über uns ist die Wegführung bergauf erkennbar. Für Lore ein unüberwindliches Hindernis und mir ist heute das Wetter zu wechselhaft für einen Kurzausflug alleine. Die Sicht ist aber auch so wunderschön und die Testabsicht, ob sich die im Internet hinterlegten, bemerkenswerten Prospekte der Naturschutzbehörde auch in entsprechenden Hilfen vor Ort wiederspiegeln, ist voll gelungen.

Wir laufen etwas herum und genießen Aussicht und das Spiel der wechselhaften Sonnenlichtverteilung auf den Hängen der jetzt vor uns liegenden Sierra Magina. Mit dem Fernglas suche ich den über uns sich aufbauenden Berghang ab und glaube auch, den Pinar in einer höher gelegenen Senke erkennen zu können. Pinares kennen wir eigentlich nur als die Pinienwälder an den Küsten der Costa de la Luz. Inmitten dieser Olivengegend mögen sie tatsächlich eine derart naturkundliche Sensation darstellen, dass man sie zum nationalandalusischen Monument erklärt. Später werde ich mir den Prospekt nochmals ansehen und lernen, dass hier einige der letzten noch 250 Jahre alten Koniferen stehen. Allein der Blick durchs Fernglas zeigt aber, dass auch ohne Naturmonumente hier ganz problemlos auch mittelschwere Wanderungen auf die Gipfel unternommen werden können, die dann vermutlich Ausblicke bis nach Jaen und noch weiter zu bieten hätten.

Dasselbe gilt für das Massiv gegenüber, an dessen Hänge sich der kleine Ort Albanchez schmiegt. Die Straße nach Torres, auf der ich die Sierra in ihrem nördlichen Teil weiter motorisiert durchstreifen möchte ist gut zu sehen und der Höhenzug, an dem sie entlangführt, liegt in einladendem Sonnenschein. Wir sind sehr angetan vom Wink des Zufalls, der uns hierher geführt hat und können eigentlich nicht verstehen, warum diese Gegend so stiefmütterlich behandelt wird in eigentlich allen Medien.

Gegenüber unserem Parkplatz türmt sich ein Hügel über den Olivenbäumen auf, fast wie ein Wachturm, der die außerhalb des wilden Gebirges liegenden Landschaften des Hinterlands unter Beobachtung halten soll. An anderen Orten haben so auch Begräbnisstätten eine exponierte Lage gefunden. Dort kämpfe ich mich noch hinauf, um nicht vollkommen untätig den Platz wieder zu verlassen. Belohnt werde ich durch eine weite Aussicht zum gestern aus der anderen Richtung besuchten Balkon von Baeza, nach Ubeda und der dahinter liegenden Sierra de Cazorla. Ich schieße unabsichtlich noch ein kleines Lügenfoto, das Lore als kleinen, roten Punkt in der unter mir liegenden Bergwelt zeigt, aber mehr wie zweihundert Meter habe ich mich nicht bewegt, um diesen Panoramapunkt zu erklimmen.

Reizvolle Wohnungebungen in und um Albanchez, seltsame Umleitungen in den engen Gassen des Orts

Wir kämpfen uns in Schlangenlinien durch die Schlaglöcher zurück auf die Landstraße und fahren weiter in Richtung Albanchez. Entlang der Straße fallen einige Ferienwohnungen mit oder ohne schön gelegene, angegliederte Campingplätze auf wie El Palmar, obwohl der Begriff ja auch eher an Meer erinnert. Als Ausgangspunkt für einen Wander- oder Aktivurlaub würden wir sie aber jedenfalls in Betracht ziehen.

Albanchez wird von einem nicht mehr ganz taufrischen Castillo überwacht, das auch wieder über einen Wanderweg schon vom Ortseingang her besucht werden kann, aber der ist auch zu steil für unsere Verhältnisse. Das Dorf selbst empfängt zunächst durch breite Alleen und ist touristisch wohl kein ganz weißer Fleck, wie einzelne Hinweisschilder auf Wohnmöglichkeiten vermuten lassen. Kurz vor Erreichen des Ortskerns verweist ein handgemaltes, aber sehr deutliches und mit Plastikumwicklung wetterfest gemachtes Schild auf eine Umleitung zur Weiterfahrt nach Torres. Sogar ein unten angefügter, gebrochen englischer Zusatztext bittet ausdrücklich um Kenntnisnahme.

Nicht nur der gerade eben durchfahrene Ort Jimena beweist uns immer wieder, wie tatsächlich eng es bisweilen in andalusischen Bergdörfern hergehen kann und in der kurzen Reaktionszeit, die mir noch verbleibt, beschließe ich, dem Hinweis sicherheitshalber zu folgen. Durch enge Gassen geht es steil am Hang bergab, es folgt aber kein weiterer Hinweis, so dass ich dem Verlauf nur intuitiv folgen kann. Lore krallt sich schon in ihrem Sitz fest, obwohl wir schon schlimmeres erlebt haben. Am Ortsende entscheide ich mich mangels Beschilderung für den weniger steilen Ausgang und befinde mich auf einer dem über mir verlaufenden Höhenzug sanft folgenden Straße nach irgendwo.

Sanft und offen ist für Lore das Schlüsselwort als Gegensatz zu steil und eng und sie untersagt eine Rückkehr zum Ausgangspunkt und damit bekannten Ufern. Ich kann andererseits schwer abschätzen, wo ich jetzt gelandet bin, aber eine gewisse Chance, von hier nach Torres zu kommen, scheint zu bestehen. Nach Passieren einiger landwirtschaftlicher Verwertungsanlagen wandelt sich der Asphalt unter unseren Reifen in eine bessere Piste um, was nicht gerade auf eine Landstraße schließen lässt, selbst im andalusischen Hinterland.

Abenteuerliche Umleitungen führen uns auf Irrwegen und ungewollt heraus aus der Sierra Magina

Schließlich wird uns die Weiterfahrt durch Baumaschinen und Straßenarbeiter verwehrt und ich nutze einen kleinen Seitenstreifen zur Denkpause. Gerade als ich eine Offensive in Richtung Umdrehen nach Albanchez starten möchte, werden aber die schweren Raupen aus dem Weg manövriert, die Arbeiter richten sich am Wegesrand aus und winken uns durch. Angesichts solch höflicher Anstrengungen können wir jetzt auch nicht abdrehen. Andererseits gibt solches Verhalten ja auch Hoffnung, hier noch irgendwohin zu kommen, nachdem wir jetzt gerade nicht im Outfit eines landwirtschaftlichen Nutzfahrzeugs daherkommen.

Hinter den Bauarbeitern geht die Piste unmittelbar in einen Feldweg über, gegen den der Weg zum Pinar de Canava eine Autobahn darstellen würde. Außer Sichtweite stellen wir den Panda in einer weiten Kurve unter einem "Durchfahrt verboten-Schild" ab und grasen die Gegend mit dem Feldstecher ab. Offenbar sind wir in die entgegengesetzte Richtung aus dem Ort gescheucht worden und schauen jetzt wieder Richtung Bedmar, von wo aus wir die Sierra betreten haben. Das breite Asphaltband der Schnellstraße ist jedenfalls gut zu erkennen wie auch einige Feldwege, die auf Bedmar zuführen. Wir beschließen, darauf zu setzen, dass alle Wege nach Rom führen, zunächst wenigstens entweder nach Bedmar oder zur Landstraße.

Zeit haben wir ja, und so tuckern wir einfach Schlagloch für Schlagloch umfahrend gemächlich dorthin, wo der Weg endet und tatsächlich erreichen wir auch genau in der Mitte zwischen Bedmar und Jimena wieder rettenden Asphalt, der uns in die Zivilisation zurückführen wird. Mit einem neuerlichen Anlauf zur Durchfahrung der Sierra Magina ist es jetzt aber Essig.

Trotzdem haben die Hinweise der Junta Andalucia mir Mut gemacht und einen Treffer möchte ich noch platzieren. Als Notnagel für Langeweile habe ich mir Laguna Grande gemerkt, ein klitzekleines Naturschutzgebiet vor Baeza, von hier aus gesehen quasi an der anderen, linken, westlichen Ecke der Sierra Magina. Wenn ich schon die Sierra nicht weiter erkunden kann, will ich wenigstens dort mal nach dem Rechten sehen.

Wenn Sie dem Verlauf dieser Reise folgen möchten

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Die Hotelfachschule in dieser zum Naturerlebniszentrum umgebauten Hazienda bietet gastronomische Überraschungen, Wanderungen und Erkenntnisse über die Region

Und hier der Gesamtüberblick dieser Reise mit allen Berichten


© 2004-2014 by Martin Haisch Gastromartini gastrobetreuung.de

Zuletzt aktualisiert am 27. Mai 2014

Mit ausdrücklichem Dank an Apachefriends und alle Open-Source-Entwickler, deren Arbeit solche Projekte erst ermöglicht
sowie an Lore für Begleitung und Ertragen programmierungstechnisch bedingter Abwesenheiten

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