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Reisebericht zu Madeira→Funchal→Altstadt Hafen Mercado dos Lavroradores

Die Hauptstadt Funchal gefällt mit gemütlichen Gassen und alten Erinnerungen in den Restaurants der Zona Velha

Madeira Hauptstadt Shopping Flair

Funchal erkennen wir kaum mehr wieder nach zwanzig Jahren. Das gemütliche Flair der Altstadt und reges Treiben am Hafen sind wohl erhalten geblieben, jetzt halt anders. Nur die Anmache vor den Restaurants in der Zona Velha gibt es immer noch, am Mercado dos Lavroradores hat sie leider Einzug gehalten, selbst wenn das farbenfrohe Angebot an Obst, Gemüse und Blumen immer noch genauso fasziniert wie das Bauwerk selbst.

Die gestrige Sundowner-Selbstversuchsreihe betreffend der Verbesserung des gekauften Poncha-Likörs mit Zitronen- und anderen Säften war wohl doch keine so gute Idee. Jedenfalls plagen mich deutliche Kopfschmerzen, was ich ja eigentlich nicht gewohnt bin von mir. Da hilft auch nicht die Vitaminbombe, die es Form von Lores geliebten French Toast unter Apfelgelee und frisch gewürfeltem madeirenser Früchtecocktail gibt. Dafür erstrahlt der Himmel in reinstem Blau und wir bleiben bei unserem Motto, jede Gelegenheit zu nützen, sobald sie sich ergibt. Bevor wir unser Tagwerk beginnen, ist also erst mal ein ausgiebiges Sonnenbad auf der Terrasse fällig, was mich aus nahe liegenden Gründen ausnahmsweise nicht stört. Man muss ja nicht gleich alles herausposaunen, und wenn Lore glaubt, ich würde hier große Opfer bringen, kann es ja nicht direkt schaden.

Wiedersehen mit Funchals gemütlichen Altstadtgassen bei besonderen Einkaufserlebnissen

Erst am frühen Nachmittag setzen wir uns in Bewegung. In Anbetracht der fortgeschrittenen Stunde entscheiden wir uns für einen ersten Besuch in Funchal. Vielleicht können wir dort auch mein Zigarettenproblem lösen und meine geliebten langen Marlboro Lights im größten Zigarettenladen der Insel erstehen. Den kann es ja nur dort geben. Natürlich ist die Hauptstadt mittlerweile etwa dreimal so groß wie vor zwanzig Jahren, so dass die Anfahrt etwas nervenaufreibend wird, wie immer beim ersten Mal in jetzt wieder unbekannten Großstädten. Aber letztlich ohne großen Umweg erreichen wir das angepeilte Parkhaus am Hafen.

Von dort aus beginnen wir unsere Erkundung mit der Hafenzone. "Norwegische Jade" liegt dort vor Anker. Auch wenn es sich nicht um das erste Kreuzfahrtschiff handelt, das wir zu sehen bekommen, bieten diese schwimmenden Hochhäuser doch immer einen imposanten Anblick. Die Hafenpromenade quirlt vor Leben, lautem Gehupe und dem Dröhnen der Busmotoren. Touristen zuhauf, aber auch immer wieder mal eine einheimische Familie, die sich das Warten auf den Bus mit einem Picknick auf der Bank verkürzt. Wir schlagen uns bergauf in die Altstadt und landen gleich vor der Kathedrale.

Manche Bilder kommen uns so vor, als hätten wir sie schon einmal gesehen, aber insgesamt klingelt so gut wie nichts mehr in meinem Erinnerungsspeicher. Sicher ist jetzt alles größer, moderner und breiter, vor allem auch hektischer. Eine zeitgemäße Großstadt eben. Auch möglich, dass wir vieles eben schon vergessen haben. Bei der Touristeninformation gegenüber der Festungsanlage allerdings bin ich mir sicher, sie früher in einem gemütlichen, älteren Gebäude besichtigt zu haben, wenn auch am selben Platz. Schräg gegenüber stehen noch zwei Marktstände als Überbleibsel des hier einstmals bestaunten offenen Markttreibens. Und in dem schönen alten Haus mit den blauen Kacheln war nach Lores Meinung ehemals tatsächlich noch eine Metzgerei und nicht wie jetzt ein Autohaus sowie eine Einkaufspassage im entkernten Inneren.

Trotzdem hat das quirlige Treiben immer noch Flair, besonders in den engen Gassen hinter dem Hauptplatz. Wir schlendern ziellos umher, finden nach und nach alle Museen, die für Regentage aufzusparen wären, Briefkästen für unsere Postkarten, warme Unterziehleggins für die kühlen Nächte auf dem Balkon. Die junge Verkäuferin bringt es mit unter der Schulter ans Ohr geklemmten Handy sogar fertig, außer Lore noch zwei weitere Kundinnen abzufertigen, ohne ein einziges Wort an das Publikum zu verlieren. Die Manieren verfallen eben überall gleich.

Auch an einigen kleineren Tabakläden kommen wir vorbei, nur eine madeirensische Tabakbörse taucht nirgendwo auf. Notgedrungen greifen wir schließlich doch auf einen immerhin größeren Laden in einer Passage zurück und werden aufgeklärt, dass meine Wunschsorte auf ganz Madeira nicht verkauft wird. Dann rauchen wir eben die kurzen wie zu Hause. Glück für den lokalen Tabakhändler unseres Vertrauens in Ribeira, jetzt kann er zukünftig wieder mit uns Geschäfte machen.

Die Zona Velha: Erinnerungen an kabarettreifen Service in der Animiermeile werden wach

Beim ausgesprochen günstigen Espresso in der Bar am Zuckermuseum versuchen wir, uns an die ungefähre Lage des Restaurants von Pat und Patachon zu erinnern. Dort waren wir 18 Jahre zuvor beim Besuch einer ganzen Lokalmeile mehr zufällig hinein gestolpert und hatten zwar keine wiederschmeckenswerten kulinarischen Höchstleistungen genossen, dafür aber ein kabarettreifes Serviceprogramm. Während ich an einen kleinen Fischereihafen am westlichen Hafenende gedacht hatte, schwört Lore darauf, sie genau am anderen Ende des Hafens in der Gegenrichtung zu finden. Ein Blick auf den Stadtplan zeigt, dass sich in dieser Richtung auch die Strasse befindet, die Reginas empfohlenes Familienlokal beherbergen soll. Also wenden wir uns dorthin.

Wir erleben eine Überraschung. Auch der mittlerweile nicht mehr von allen Führern gerühmte Mercado dos Lavroradores befindet sich hier, kaum zehn Schritte von unserem Parkhaus entfernt. Den Arbeitermarkt sparen wir uns für später, jetzt steigen wir erst mal in die Rua Santa Maria hinunter. Es wird eng und finster in der schmalen Gasse. Das von unseren Freunden empfohlene Lokal selbst ist unschwer zu finden, eines der ersten Häuser an der Strasse. Wir lugen durch die offene Ladentür hinein. Einige Resopaltische, wenige Menschen um diese Nachmittagszeit, im Hintergrund läuft der Fernseher. Familienlokal eben, macht aber keinen schlechten Eindruck.

Beim Weitergehen in der Gasse, in der sich jetzt nur noch vereinzelte Touristen herumtreiben, dämmert es mir angesichts der etwas verlotterten Gestalten, die ab und zu in den Eingängen herumlungern. Das ist die Zona Velha, sozusagen die Alt-Altstadt, das Fischerviertel. Einige Häuser sind nur noch als Sommerresidenzen zu gebrauchen, das Dach fehlt und von den Wänden steht auch nicht mehr viel. Lore hat Recht, irgendwo hier müssen wir damals Pat und Patachon aufgetrieben haben.

Über uns schweben die neuen Seilbahngondeln, denen wir zu ihrem Ursprung an der Hafenpromenade folgen. Von dort aus ist das gastronomisch geprägte Ende der Zona Velha gut zu sehen und an diese Ansammlung von Tischen und Wintergärten kann ich mich jetzt auch wieder erinnern. Eines der ersten Lokale auf der linken Seite war es, da bin ich sicher, auch wenn der ganze Platz damals irgendwie freistehender schien. Die Animierer vor den Lokalen sind freilich noch genauso zugange wie damals, obwohl ja nicht gerade Essenszeit ist. Auch wenn bei diesem Wetter das Innere der Restaurants natürlich im Finsteren liegt, klingelt es bei uns beiden, als wir am "Sao José" vorbeiflanieren. Der Anmacher wittert natürlich sogleich Morgenluft, weil wir kurz stehen bleiben, um uns zu vergewissern. Wir belassen es deswegen bei einem kurzen Begaffer.

Pat und Patachon beim Service in der Zona Velha von Funchal (letztes Jahrtausend)

Damals hatten wir uns aus den über einzelne Dörfer verteilten Restaurants um Canico, das mittlerweile ein Stadtgebiet ist, in die große Stadt gewagt, um dort zu speisen und waren hier gelandet, weil es das einzige Lokal der Amüsiermeile war, vor dem kein Anmacher stand. Dass der nur gerade Pinkelpause hatte, merkten wir erst, als wir uns am Ende des höhlenartigen Restaurants einen Tisch erkoren hatten, wo wir eingerahmt von zwei Wänden voller Autogrammkarten berühmter Prominenter freie Sicht auf die Servierkommode des offenbar bedienenden Brüderpaares hatten.

Abgesehen davon, dass sie ohnehin laufend über die eigenen, bevorzugt aber auch über die Füße des Kollegen stolperten, ließen sie wie in einer billigen Slapstickkomödie keine Gelegenheit aus, sich noch weitere Beine zu stellen. Die Entnahme von Besteck aus der Kommode endete immer mit einer offen stehen gelassenen Schublade, gegen die Bruderherz Sekunden später anstieß. Der Stolz des Hauses war damals ein Servierwagen, der an den Tisch gefahren wurde, wo mit großem Brimborium Flambierrituale abgehalten wurden. Wir konnten aber regelmäßig Wetten abschließen, wieviele Sekunden es dauern würde, bis der jeweils andere Bruder, beladen mit vier oder fünf Tellern blind aus der Küche mitten in diesen Wagen hineinstürzen würde. Das Flambieren selbst würde in heutigen Zeiten von Rauchmeldern den Dauereinsatz der Feuerwehr auslösen. An das damals genossene Essen können wir uns beide nicht mehr erinnern, das Spektakel aber löst immer noch Lachtränen aus und wird unvergesslich bleiben.

Farbenfrohes Angebot im Mercado dos Lavroradores bringt uns auf den Geschmack für das eigene Abendessen

In den Markthallen, zu denen wir jetzt zurückkehren, geht die Anmache übergangslos weiter. Zumindest im ersten Stock versucht jeder Händler, uns seine Waren zum Probieren aufzudrängen. Dadurch wissen wir jetzt zwar, was es mit den rätselhaften Pinienzapfen auf sich hat, die ein bananenartiges Fruchtfleisch enthalten, aber echte Kauflust überkommt uns nicht gerade, eher eine instinktive Abwehrhaltung. Trotzdem durchstreifen wir einen schönen Bau mit sonnigem Innenhof, es gibt Obst, Gemüse und Blumen in allen Farben und Formen zu bestaunen. Allerdings keinen Käse, keine Wurst und keine Marmelade, auch hier nicht. Anscheinend stimmt das Gerücht doch, dass Madeirenser keine Käseliebhaber sind.

Mit den Arbeitern hat diese Markthalle aber augenscheinlich nicht mehr viel am Hut. Nur der offenbar Obdachlose, der am Eingang seinen Hund kleine Kunststücke vollführen lässt, weist mit einigen mittrinkenden Kollegen noch auf den einheimischen Ursprung hin, was einen eher traurigen Nachgeschmack hinterlässt.

Wir machen noch einen letzten, lieblosen Shoppingversuch im modernen Einkaufscenter gegenüber, wo wir die Einheimischen dann auch in den Fast-food-Ecken finden, dann haben wir genug für heute. Bei einer Rauchpause an der Hafenmauer orientieren wir uns. Zum Essen ist es noch zu früh, Großstadtluft haben wir jetzt aber genug geschnuppert. Wir haben beide keine Lust, noch so lange hier herumzulungern, bis uns genügend Hunger in Reginas Kneipe treiben würde. Außerdem schweben uns noch die schönen Lachssteaks vor Augen, die wir in unserem Lieblingssupermarkt gesehen haben.

Ein kurzer Verfahrer beim Verlassen der Metropole zwingt Lore dazu, noch einmal eine enge und steil abwärts führende Ortsstraße hinunterbremsen zu müssen, was ihr Nervenkostüm erneut auf eine harte Probe stellt. Dann aber landen wir flugs in Ribeira bei unseren Lachssteaks sowie den dazu nötigen Zutaten. Auf den Sundowner verzichten wir heute, nachdem sich meine Kopfschmerzen nicht gebessert haben. Alles deutet heute mal auf ein frühes Zubettgehen hin.

Zuvor aber gibt es noch ein hervorragend auf den Punkt gebratenes Lachssteak an Kartoffeln mit madeirenser Petersilie (die leicht nach Anis schmeckt) und Bohnen. Schmeckt hervorragend, auch wenn wir uns jetzt erinnern, dass die Steakscheiben vom Lachs eben doch gerne fett sind und daher einen eher ungenießbaren Teil haben. Das Innere ist jedoch vorzüglich.

Wenn Sie dem Verlauf dieser Reise folgen möchten

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Und hier der Gesamtüberblick dieser Reise mit allen Berichten


© 2004-2014 by Martin Haisch Gastromartini gastrobetreuung.de

Zuletzt aktualisiert am 27. Mai 2014

Mit ausdrücklichem Dank an Apachefriends und alle Open-Source-Entwickler, deren Arbeit solche Projekte erst ermöglicht
sowie an Lore für Begleitung und Ertragen programmierungstechnisch bedingter Abwesenheiten

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