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Reisebericht zu Andalusien→Granada→Stadtviertel Zentrum

Granada: Das Staunen beginnt

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Unsere erste Fahrt ins Herz von Granada mit dem Linienbus führt ins in einem gemütlichen Spaziergang durch die Calle Elvira zur Plaza Nueva und zurück über das Universitätsviertel. In der Kirche San Juan de los Dios erleben wir eine mysteriöse Geheimmesse.







Ortserkundung mit dem Linienbus: Günstiges Abenteuer

Angesichts unserer ersten, touristisch noch wenig spektakulären Erkundung von Alfacar beschließen wir, bereits heute eine erste Fahrt nach Granada zu wagen. Die Bushaltestelle haben wir ja bereits gefunden und die in einer halben Stunde gelistete nächste Abfahrtszeit können wir bequem erreichen.

Die Tickets sind mit 1,20 € vergleichsweise günstig und im Vergleich zu den Angaben unseres 2007 geschriebenen Reiseführern kaum teurer geworden. Der 10€-Schein, mit dem ich bezahle, stellt den jungen Fahrer allerdings vor unerwartete Probleme, er muss erst in verschiedenen Taschen umherwechseln. Also wie früher in Italien als höflicher Tourist Kleingeld bereithalten! Im Bus dröhnt laut schallende Radiomusik, die familiäre Stimmung bei Fahrer und Gästen weckt Vertrauen. Ein Display an der Decke verkündet das Datum, die Uhrzeit und die Temperatur, satte 25,2 Grad Celsius. Ich muss lachen, Lore meint aber, der Bezug sei die Innentemperatur, was stimmen könnte. Jedenfalls hätten wir so gewarnt sein können, ich stelle aber trotzdem die Uhrzeit meines Handys entsprechend ein. Wegen Faulheit und passivem Widerstand gegen Zeitumstellungen ist es noch auf MESZ gepolt, und mangels Armbanduhr haben wir ansonsten keine aktuelle Zeitmessung zur Verfügung, falls wir eine der Rückfahrzeiten unseres Busses erreichen wollten. Fortan werden wir für diesen Autobus zwar immer die korrekte Zeit am Mann haben, uns aber während des sonstigen Urlaubs zu erinnern versuchen, ob unser Handy jetzt zehn Minuten vor- oder nachgeht.

Der Bus verlässt Alfacar über die von uns zuvor schon benutzte Autobahnbrücke und stürzt sich dann in engen Serpentinen kahle Hänge hinab in Richtung Granada. Beiderseits der Strecke Brachflächen und dazwischen die Einschnitte der Bachläufe, nicht unbedingt ein erhebender Anblick, und auch die entfernteren Bergketten liegen in dichten Wolken. Eigentlich wollten wir die Busfahrt dazu nutzen, einen geeigneten Supermarkt größerer Ordnung zum Einkauf unserer Erstausstattung auszukundschaften, wie man sie an allen Einfallstrassen größerer Städte findet. Hier aber beobachten wir nur Steinbrüche und Industrieanlagen, bevor die ersten Vororte auftauchen.

Calle Elvira und Via Colon führen uns ins Herz Granadas

Vor der Puerta Elvira endet die Fahrt. Wie ein Triumphbogen beherrscht sie den Platz und wird daher von uns auch so umbenannt. Wer jedoch glaubt, durch sie auf den Prachtboulevard zu schreiten, wie uns ein flüchtiger Blick auf den Stadtplan vorgaukelt, der irrt sich. Die kleine Gasse auf der Rückseite macht nach wenigen Metern einen Knick und wird zur Calle Elvira , deren graue Schraffierung auf dem Stadtplan auch nicht "Fußgängerzone" bedeutet, wie ich zunächst annahm, sondern lediglich ihre kulturelle Bedeutung betonen soll. Der Prachtboulevard, die Via Colon, verläuft wenige Meter unterhalb.

Auch die kulturelle Bedeutung der Calle Elvira erschließt sich nicht auf den ersten Blick. Nachdem sich Autos und Fußgänger die enge Gasse teilen müssen, werden letztere auf einen höchstens mannsbreiten Gehsteig verwiesen. Ihre angebliche Bedeutung als Fressmeile können wir natürlich nicht erkennen, weil diese nach gerade erst erfolgtem Ende der Siesta noch geschlossen sind. Die wenigen, geöffneten Geschäfte sowie zahlreiche Hotelschilder dazwischen stellen auch nicht gerade eine Augenweide dar. Natürlich sind wir auch noch genervt von der langen Anreise, mehr aber von den ständigen Bocksprüngen zwischen anfahrenden Autos im Genick und entgegenkommenden Fußgängern, die das Besitzrecht des Gehsteigs bis zur letzten Sekunde ausreizen.

Wir weichen auf die breiten Gehsteige der Via Colon wenige Meter unter uns aus, wo der Verkehr und das Leben toben. Auch wenn eher Banken und Versicherungen das Geschäftsleben prägen, fühlen wir uns hier zunächst sicherer, auch fällt die Orientierung leichter, weil man anders als in den engen Gassen das vermeintliche Zentrum, die Plaza de los Reyes Catolicos, von überallher sehen kann. Immerhin lernen wir auch interessante Besonderheiten des Verkehrswesens kennen. Die Grünschaltungen der Fußgängerampeln, auf denen die Sekunden angezeigt werden, für die die laufende Phase noch gilt, kennen wir ja schon aus anderen spanischen Städten. Weitere Nebeneffekte machen die Strasse aber zu einem Gesamtkunstwerk an Lichtinstallation: Während der Rotphasen leuchtet ein aus einzelnen Birnen bestehendes Lichterband am Straßenrand der Fußgängerüberwege auch rot auf, das erst zur Grünphase farblos wird, und dieselben Lichterbänder liegen quer über der Fahrbahn und versperren den Autofahrern dann sinnbildlich den Weg.

Erste Überraschung: Das Paradies der Süchtigen ist geschlossen

Immerhin finden wir auf dem Weg ins Zentrum einen größeren Tabakladen, der uns eine erste, unangenehme Überraschung beschert: Zigaretten sind in Spanien mittlerweile fast so teuer wie zuhause und haben sich damit in den vergangenen zwei Jahren im Preis fast verdoppelt. Dasselbe werden wir beim Benzinpreis erleben. Dass der spanische Staat in Geldnöten ist, haben wir ja gewusst. Es war wohl ziemlich naiv, zu glauben, dass hier die zuerst Geschröpften andere sein könnten als erst die Raucher und dann die Autofahrer.

Im Zentrum angekommen finden wir ums Eck das erste Straßencafé mit sogar einem freien Tisch. Dort lassen wir uns erst einmal nieder und nehmen gar nicht wahr, direkt unterhalb der Plaza Nueva zu sitzen. Bei zwei Milchkaffees versuchen wir, zur Ruhe zu kommen und das Gehirn auf die neue Situation einzustellen. Als Kleinstadtgewächs empfindet man vermutlich zunächst einmal jede Großstadt als laut, bedrohlich und schwer überschaubar. Hinzu kommt das wohl auch angesichts der Kleidung der meisten Passanten verstärkte Gefühl, irgendwie wieder in der Weihnachtsstimmung von La Palma oder auch Bari gelandet zu sein, und eigentlich wollten wir ja in den vorgezogenen Sommer fliegen. Immerhin, Lores elektronische Paffe erweckt verstecktes, aber deutliches Interesse. An den Scheiben hinter uns drücken sich die Jungs die Nasen platt.

Ganz offensichtlich ist die europäische Rauchverbotspolitik in Spanien angekommen. Die früher selbstverständliche Wahl zwischen Raucher- und Nichtraucherkneipen ist auch hier verboten worden, so dass sich die Underdogs in Wintermänteln unter den Markisen versammeln. Umsomehr stellen elektronische Alternativen hier eine Sensation dar.

Weihnachtsbummel im Frühling auf Bib-Rambla

Wir kehren der Plaza Nueva den Rücken und stürzen uns in die Gassen unterhalb der Via Colon, wo wir das Stadtleben vermuten. Hinter der Kathedrale, wo dann auch die echten Fußgängerzonen beginnen, verstärkt sich die Weihnachtsillusion noch, als die Dunkelheit einsetzt und die Anoraks und Pelzmäntel noch durch die Schaufenster beleuchtet werden. Die überall noch hängende Festbeleuchtung in den Strassen macht das Bild perfekt. Vermutlich hat sie den gerade vergangenen Karneval illuminiert und schadet auch jetzt nicht, weil ansonsten an der Strassenbeleuchtung durchaus gespart wird.

Aber schon die Alcaiceria seitlich der Kathedrale drängt uns einen ersten Eindruck der Ambivalenz zwischen maurisch-alt und christlich-mittelalterlich auf, der sich in Granada immer wieder finden wird. Vordergründig finden wir eine fast aberwitzige Ansammlung von Souvenirshops vor, durchsetzt mit den üblichen Bekleidungsgeschäften für Touristen. So betrachtet wirkt der kleine Basar eher wie eine Super-Einkaufsmall, die das Abziehbild des Schnellbesuchers bedienen möchte. Die unmittelbare Nähe zur Kathedrale wirkt da bewusst gewählt und fordert das Bild der Vertreibung der Händler aus dem Tempel geradezu heraus. Andererseits sieht man an jeder Ecke den Ursprung des ursprünglichen Seidenmarkts. Die Tuchabdeckungen über den Gassen, Steinornamente am Mauerwerk, dezente Beleuchtung, der Eindruck des orientalischen Basars springt sofort über und macht vergessen, welche Artikel heutzutage hier angepriesen werden. Nur wenige Schritte hinter dem Lärm der modernen Via Colón wähnen wir uns tatsächlich im orientalischen Tuchhandel.

Wir bestaunen die Geschäfte an der Bib-Rambla gleich unterhalb der Alcaiceria und in den grossen Einkaufsstrassen dahinter genauso wie die kleinen, engen, manchmal auch finsteren Gassen die sie verbinden. Ein in aufwändige Roben gehülltes Damenpaar läuft Werbung für ein Fachgeschäft, das Flamencogarderobe anbietet und wird für uns zum Sinnbild des Panoptikums, das sich uns darstellt, als sei der Karneval noch gar nicht vorüber.

Wir schlendern ziellos durch die Gegend, können aber ein zunehmend deutliches Hungergefühl kaum noch ignorieren. Die wenigen Restaurants, die bereits geöffnet sind, versuchen allerdings gar nicht erst zu verheimlichen, dass sie sich allenfalls an Touristen richten, die mit hiesigen Essensgepflogenheiten nicht vertraut sind. Zunächst haben wir dieses Problem gelöst, wenn auch nicht ganz zu unserer Zufriedenheit. Unsere Erfahrungen im Umgang mit Gastronomie im Ausland und in Granada speziell sind jedoch an anderer Stelle zusammengefasst.

Granadas Universitätsviertel

Nachdem unser Hungergefühl zumindest beseitigt ist, verbleibt uns noch eine knappe Stunde bis zur Abfahrt unseres Linienbusses. Wir werden daher auf einem gemütlichen Abstecher durch das Universitätsviertel zur Plaza Elvira zurückkehren, das unterhalb dieser Verkehrsader den Anschluss des Kathedralenviertels in Richtung unseres Triumpfbogens bildet. Auch hier müssen einige dunkle Verbindungsgässchen durchquert werden, dann stossen wir wieder auf Leben in den Straßen.

Aber hier treffen wir wiederum auf ein völlig anderes Bild als wir es gerade eben noch, einige hundert Meter weiter im Kathedralenviertel erlebt haben. Die grossen Schaufenster der Bekleidungshäuser sind einigen, wenigen Läden oder Boutiquen und kleinen Hotels gewichen. Meist geht es um Kunsthandwerk oder Bücher, dazwischen kleine Cafés, Eisdielen und einige Lebensmittelläden. Dabei fällt uns ein, dass unsere Ausstattung mit Getränken zur heutigen Feier unserer Ankunft äußerst dürftig ist und wir erstehen mangels Prosecco zumindest eine Flasche Perlwein, deren Kauf wir zukünftig nicht mehr wiederholen werden, selbst wenn die Mehrzahl der Klienten um uns herum sich mit ähnlichen Artikeln eindeckt.

Ansonsten aber spielt sich hier tatsächlich Leben auf der Strasse ab, selbst wenn den Messingschildern der Palazzi abzulesen ist, welche Institutionen von Kultur und Wissenschaft sich hinter ihren Mauern verbergen. Manchmal kann man übende Tonfolgen aus den geöffneten Fenstern im ersten Stock vernehmen oder hinter einigen Glastüren prachtvolle Innenhöfe vermuten. Die Gruppen von Menschen auf den Straßen und kleinen Plätzchen mit den sie umwedelnden Hunden sind aber sicher keine Studenten. Sie leben hier ihr eigenes Leben, beäugen uns zwar, belästigen aber niemanden und zeigen uns so wieder ein neues Bild der Stadt Granada.

Mittlerweile ist auch die Gastronomie erwacht und zeigt uns einige Orte, die einen sympathischeren Eindruck machen als das, was wir gerade erlebt haben. In der Mehrzahl finden wir allerdings Szenekneipen in grellem Licht und dem wohl aktuell angesagten, grellen Look, wie er überall auf der Welt in solchen Gegenden vorzufinden wäre.

Geheimmesse in San Juan de los Dios

Wir können den Jardino del Trionfo unterhalb "unseres" Triumphbogens schon sehen, als wir aus einer Kirche gegenüber eine Frau heraushuschen sehen. Eine halbe Stunde bis zur Abfahrt des Busses verbleibt immer noch, es spricht also nichts dagegen, einen kurzen Kulturstopp einzulegen, wenn offensichtlich die Kirchen hierzulande den Siestazeiten zu folgen scheinen. Im Rahmen unserer Ersterkundung völlig unvorbereitet betreten wir das unscheinbar wirkende Gotteshaus durch schwere Holztüren.

Ein stiller, fast düster wirkender Raum öffnet sich vor uns. Auf schwarze Grundfarbe sind alle Wände plakettenartig mit kleinen Bildchen übersät, was einen geheimnisvollen Grundeindruck hinterlässt. Dies genauer in Augenschein zu nehmen ist aber nicht möglich, weil die Szenerie, die sich vor unseren Augen abspielt, noch viel geheimnisvoller ist. Hier wird nämlich gerade die Messe zelebriert, mit drei oder fünf Priestern, Gesang und Weihrauch. Automatisch bleiben wir im Hintergrund des Eingangsbereichs stehen, weil wir nirgendwo eine Liturgie stören würden.

Erst langsam realisieren wir, was die Szene so gespenstisch macht: Im Holzgestühl, das sonst die Gläubigen beherbergt, sitzt niemand, was den Ablauf der Zermonie jedoch nicht zu stören scheint. Neben der anscheinend gerade geflohenen Frau sind wir die einzigen Gäste. Der Katholizismus in Spanien scheint sich auch auf dem absteigenden Ast zu befinden.

Natürlich wollen wir nicht unangenehm auffallen und verzichten wir auf eine detaillierte Besichtigung der Kirche, von der wir erst später herausfinden, dass es sich um San Juan de los Dios handelt. Das macht aber nichts. Dieses Bild eines hell erleuchteten Altarraums inmitten des dunklen Kirchenraums, der durch Abwesenheit von Menschen noch dunkler erscheint, wird uns eine bleibende Erinnerung bescheren. "De los Dios" scheint uns auch schwer zu übersetzen. Sollte es etwas mit den Heiligen der letzten Tage zu tun haben, finden wir den Ausdruck passend gewählt.

Es wird uns auch kein zweites Mal gelingen, das Gotteshaus zu betreten. In Anbetracht der Nähe zu unserer Bushaltestelle hätten wir reichlich Gelegenheit gehabt, eine Besichtigung nachzuholen. Leider war es immer verschlossen. Anscheinend haben wir tatsächlich rein zufällig die heimliche Gelegenheit wahrgenommen, für wenige Minuten einer Geheimmesse beizuwohnen, die nicht für unsere Augen bestimmt war.

Eines langen Tages Reise in die Nacht

Wir sind ziemlich beeindruckt, lassen es für heute gut sein und gehen zum Bus. Fahrer, Fahrzeug und Radioprogramm sind dasselbe wie bei der Herfahrt, seine Zeit und mein Handy perfekt aufeinander abgestimmt und etwaige Zweifel, ob Ankunfts- und Abfahrtsort tatsächlich übereinstimmen, aufgelöst. Müde und etwas desorientiert fahren wir heim. Am Dorfplatz treibt mich die angeborene Abneigung gegen Prosecco in eine Pizzeria mit Heimservice, wo ich entgegen jeder Sprachschwierigkeit noch eine Literflasche kaltes Bier für den Schlaftrunk erstehen kann.

Angesichts der Außentemperatur ist der Perlwein noch trinkbar und das Bier zumindest kalt. Es reicht gerade so für eine erste Selbstbestätigung des Angekommenseins, dann beschließen wir freiwillig den Tag. Erschöpft und friedlich schlummern wir dem ersten echten Urlaubstag entgegen, ohne Kampf um die Decke und ohne Kreuzschmerzen.

Wohnungen im

Universitätsviertel

finden Sie sicher auch hier:

www.e-domizil.de

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Und hier der Gesamtüberblick dieser Reise mit allen Berichten


© 2004-2014 by Martin Haisch Gastromartini gastrobetreuung.de

Zuletzt aktualisiert am 27. Mai 2014

Mit ausdrücklichem Dank an Apachefriends und alle Open-Source-Entwickler, deren Arbeit solche Projekte erst ermöglicht
sowie an Lore für Begleitung und Ertragen programmierungstechnisch bedingter Abwesenheiten

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