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Reisebericht zu Madeira→Funchal→Altstadt Sao Pedro

Begegnungen mit einer Madonna auf Urlaubsreise in Funchal

Madonna de Fatima auf Madeira ohne Hochzeit

Der gemütliche Spaziergang durch die Altstadt von Funchal beschert uns zufällig ein ganz besonderes Fest: Vor der Kirche Sao Pedro haben sich Menschentrauben versammelt. Was uns erst an eine Hochzeit denken ließ, entpuppt sich als Urlaubsreise katholischen Glaubens. Die Madonna von Fatima war zu Besuch in der Pfarrkirche und wird jetzt von Feuerwehr und einer Kolonne von Fiat-Oldtimern zu ihren weiteren Stationen verabschiedet.

Wir haben die eindrucksvollen Ein- und Aussichten im Talkessel von Curral das Freiras noch nicht ganz verdaut, als wir in Funchal wieder in das quirlige Leben der Hauptstadt eintauchen. Nachdem der Besuch aber am Weg liegt, wollen wir die Gelegenheit zu einem weiteren Altstadtbummel und einem Abendessen nicht verpassen.

Auf direktem Weg vom Parkhaus am Hafen und dennoch durch neue, bisher unbesichtigte Gassen bringe ich meine Liebste zum funschligen C&A-Klon ihres Vertrauens, was ihre Bewunderung für meine Fremdenführerqualitäten frisch belebt. Zusammen mit etwa fünf weiteren Herren warte ich vor der Tür das Ende der Wühlaktion ab und beobachte betont lässig eine Zigarette rauchend das vorbeiziehende Fußvolk. Es besteht zur Hälfte aus hässlichen, alten Engländer(innen), deren grell weiße oder leuchtend rote Stangenhaxerl aus weiten Shorts herausstaksen, oder aber ausladenden jüngeren Portugiesinnen, deren eigentlich erwartete, rassige südländische Schönheit sich in den Grenzen meiner gerade aufgesetzten Macho-Brille bewegt. Die wenigen Stücke, die Lore nach dem auch hier erfolgten Ladenumbau noch findet, fallen in der Endausscheidung der Umkleide sämtlich durch, so dass wir etwas unbefriedigt und ziellos weiter ziehen müssen.

Menschentrauben vor der Kirche Sao Pedro lassen auf Hochzeitsglück spekulieren

Dafür ist uns das Eventglück mal wieder hold. Vor der kleinen Kirche Sao Pedro weiter oben am Berg verteilt sich eine ansehnliche Menschenmenge auf die umliegenden Bürgersteige, es liegt eine unbestimmte Spannung in der Luft. Neben der Kirche parkt ein alter, aber gut gepflegter roter Feuerwehrjeep, rundum und auf der Motorhaube mit Blumen und Ranken geschmückt. Offensichtlich eine Feuerwehrhochzeit. Wir gesellen uns zu der gaffenden Gesellschaft, als nicht geladene Gäste natürlich etwas abseits. Kurz darauf rollen noch zwei Polizeimotorräder heran und machen sich für offenbar wichtige Aufgaben bereit. Nachdem aber zwei Zigarettenlängen später außer wechselnden Gesängen in der Kirche nichts weiter geschehen ist, geben wir unsererseits die Warterei auf und machen uns wieder auf den Weg.

Kaum sind wir an der nächsten Kreuzung angelangt, steuern weitere Feuerwehrfahrzeuge heran, alle Insassen mit Galauniform und weißen Handschuhen aufgebrezelt und einer der Polizisten macht sich daran, die Strasse zu sperren. Anscheinend ist nun doch mit der baldigen Erscheinung des Brautpaares zu rechnen, so dass wir eilig auf unsere Beobachtungsposition zurückkehren. Wir haben ohnehin nichts Besseres vor. Nachdem wir uns unausgesprochen einig sind, das Abendessen in dem von einer Freundin empfohlenen "Jaquet" einzunehmen, bleibt noch genügend Zeit totzuschlagen, schließlich beginnt es gerade erst langsam zu dämmern.

Das Brautpaar erscheint zwar immer noch nicht, nun geschieht aber jede Zigarettenlänge etwas Spannendes, das auf eine unmittelbar bevorstehende Vorstellung schließen lässt. Zunächst werden die Strassen vor dem Portal ernsthaft gesperrt und der Verkehr umgeleitet. Dann werden die Feuerwehrfahrzeuge am Fuß der Treppe in Position gebracht. Später werden weiße und blaue Winkefedern an die Menschen auf dem Platz verteilt, die damit auch gleich zu üben anfangen, so als stünden wir in der Arena eines amerikanischen Footballfelds. Ähnliche Deko-Elemente gelebten Glaubens hatten wir bereits vor der Pfarrkirche in Estreito Camara dos Lobos gesehen. Schließlich gehen züchtig weiß gekleidete junge Mädchen auf der uns gegenüberliegenden Straßenseite im Schutz der Pfarrgarage seitlich der Kirche in Position, ausgerüstet mit Kartons voller Streublüten, vermutlich um das Brautpaar demnächst zu bewerfen. Jetzt kann es ja wirklich nicht mehr lang dauern, es strömen auch immer mehr Menschen aus der Kirche und gesellen sich zum Publikum auf dem Platz.

Der Fiat-Oldtimer-Club von Funchal rückt zur Feier des Abends mit Parade an

Inzwischen hat sich heimlich, still und leise die Strasse hinter unserem Rücken gefüllt, und zwar nicht, wie wir ohne genaueres Hinschauen intuitiv vermutet haben, mit den auf eine Möglichkeit zur Weiterfahrt wartenden Autos. Eine ganze Kolonne von alten bis uralten Fiat-Oldtimern ist da schleichend in Position gegangen. Direkt vor uns an der Spitze ein auf Hochglanz polierter, weißer Topolino mit roten Ledersesseln, dahinter ein roter Abarth. Manche der anderen Typen weiter im Hintergrund kenne ich noch aus dem Straßenbild meiner Kindheit, leider aber nicht mehr die Bezeichnung.

Jetzt kommt auch der Pfarrer freundlich lächelnd aus dem Pfarrhaus und wird höchst devot in einen in der Garage bereitstehenden Mercedes komplimentiert. Der ältere Herr im weißen Gewand kann dann nur der Messdiener sein, erkläre ich Lore auf Anfrage, da sie ja des Katholischen nicht mächtig ist. Der Mercedes fährt schon mal von dannen mit dem gütig wie der Papst nach allen Seiten herauswinkenden Geistlichen. Dann wird der Messdiener allerdings ebenso devot und zusammen mit dem Hostienkasten in den pfarrhofeigenen BMW verfrachtet und unter dem Jubel der Menge in der Fahrzeugkolonne postiert. Daraus schließen wir messerscharf, dass im BMW der Pfarrer sitzt und wir gerade die Abfahrt des offenbar bei der Trauung anwesenden Bischofs miterlebt haben. Dieser Bräutigam muss echt wichtig sein (Lore besteht natürlich auf der Wichtigkeit der Braut). Und jetzt vor allem mal aus der Kirche kommen, wo sogar die Pfarrer schon fertig sind mit ihrer Arbeit. Bei uns kommt eigentlich das Brautpaar immer zuerst.

In dem Moment kommt aber auch Bewegung in die zuletzt in Gruppen rauchend neben ihren Oldtimern wartenden Fiatfahrer und das zunehmend ungeduldigere Raunen der wartenden Menge steigert sich zu einem kleinen Crescendo. Am wartenden Jeep wird hörbar und trotz des Tumults sichtbar rauchend der Motor angelassen. Klatschen und Federwinken kommt auf. Und eine weiße Madonnenstatue verlässt, hoch über allen Köpfen schwebend, auf einer grün umrankten Sänfte schwankend das Kirchenschiff und wird von den Jungfrauen mit Kaskaden von Blüten beworfen. Unter einem Blitzlichtgewitter wird sie auf den Jeep verfrachtet und vorsichtig festgezurrt. Wir haben uns ja gleich gewundert über das denkbar ungeeignete Brautauto mit nur zwei Sitzen. Da muss der Bräutigam ja selbst fahren. Für die Madonna allein und den Fahrer reicht–s natürlich schon.

Jetzt setzt sich die ganze Kolonne in Bewegung und die Pracht der Fiats eines halben Jahrhunderts rollt an uns vorbei. Die Menge löst sich unter aufgeregtem Geschnatter langsam auf, eine Prozession wie in Sevilla wird es wohl nicht geben. Wir aber müssen uns erst einmal neue Zigaretten kaufen, weil die Warterei unerwartete Reserven aufgefressen hat. Bei soviel heiligem Glück bin ich fast geneigt, das mir vom Tabacchista aufgedrängte, allerletzte Los der Lotterie zu kaufen, das bestimmt gewinnt, nachdem heute Nacht Torschluss ist. Aber 10€ sind mir dann doch zu viel für einen freundlichen Gag, selbst wenn sie mir, wie ausdrücklich versichert, den Gewinn in die Heimat nachschicken würden.

Des Rätsels Lösung: Die Madonna von Fatima war hier zu Besuch und reist jetzt weiter. Anlass für eine unglaubliche Feier

Dabei fallen uns aber endlich die überall in den Schaufenstern stehenden Kopien der Madonnenstatue auf. Vorher waren sie zwischen all dem anderen Kitsch und Devotionalien untergegangen. Des Rätsels Lösung wird sich uns aber erst beim nächsten Besuch in Funchal erschließen, als mir auch die zugehörigen Plakate auffallen. Anscheinend macht die Madonna von Fatima, sozusagen das portugiesische Pendant zu Lourdes, Urlaub von ihrem Stammplatz auf dem portugiesischen Festland auf der Insel Madeira, fast ein ganzes halbes Jahr lang. In Machico ist sie wohl an Land gegangen, war nunmehr in Funchal und reist jetzt weiter nach Calheta und Porto Moniz. Diese Idee finde ich sehr hübsch, denn das ewige Wunder wirken an nur einem Fleck muss auf die Dauer wirklich ziemlich langweilig werden und irgendwann ist ja auch so eine Gegend abgewundert.

So reist die Madonna anscheinend nach Madeira, lernt neue Leute kennen, und wird dabei natürlich von Pfarrei zu Pfarrei herumgereicht, bekommt überall eine Willkommensparty und natürlich ein Abschiedsfest. Letzterem haben wir wohl gerade beigewohnt. Dass dabei die Feuerwehr für den sicheren Transport sorgt, leuchtet mir ja noch ein. Was allerdings die Fiat-Fahrer damit zu schaffen haben, wird ein selbst daheim mit den Mitteln des Internet nicht zu lösendes Rätsel bleiben.

Wenn Sie dem Verlauf dieser Reise folgen möchten

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Talkessel als Naturwunder: Curral das Freiras

Eine atemberaubende Sicht auf die Naturkulisse des Nonnentals vom Aussichtspunkt Eia do Serrado, dann fahren wir hinunter ins gemütliche Dorfleben. Traurige Reminiszenzen in der Pfarrkirche

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Restaurant Jaquet in der Altstadt Funchals

Madeiras Garten Eden an frischen Zutaten inspiriert die bodenständige Gastronomie nicht zu Ideen auf der Speisekarte. Gute Gewürze sind der Höhpunkt an Genie in der Küche

Und hier der Gesamtüberblick dieser Reise mit allen Berichten


© 2004-2014 by Martin Haisch Gastromartini gastrobetreuung.de

Zuletzt aktualisiert am 27. Mai 2014

Mit ausdrücklichem Dank an Apachefriends und alle Open-Source-Entwickler, deren Arbeit solche Projekte erst ermöglicht
sowie an Lore für Begleitung und Ertragen programmierungstechnisch bedingter Abwesenheiten

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