titelbild fenster-gucker reiseblog

Reisebericht zu Andalusien→Granada→Umgebung Guadix La Calahorra

Aussichtsreiche Fahrt vom Puerto de la Ragua über La Calahorra nach Guadix

Andalusien Granada Sierra Nevada

Auf der Passhöhe des Puerto de la Ragua bricht plötzlich der Winter in unsere Hoffnung eines Frühsommertraums. Wir fühlen uns in fremde Welten versetzt, die nachfolgende Aussicht über La Calahorra und Guadix inmitten einer sonnenglitzernden Bergwelt der Sierra Nevada entschädigt aber jede nebelverhangene Entrücktheit.

Nach mehrstündigem Befahren der "Pueblos Blancos" der Alpajuerra hatten wir uns trotz nachmittäglicher Stunde entschlossen, den Ausflug als echte Rundfahrt über den Puerto de la Ragua und das Tal von Guadix abzuschließen und so nach Granada zurückzukehren. Weil wir verkehrstechnisch ja nur mit den sehr groben Übersichtskarten unserer Reiseführer arbeiten und die Segnungen moderner GMX-Handys nicht bedienen können, leisten wir uns einen kurzen Verfahrer ins Tal. Nachdem sich unsere Vermutung, dort auf eine Hauptstrasse hinauf zur Passhöhe zu stoßen, nicht bestätigt, kehren wir um und schrauben uns schließlich durch enge Sträßchen und kleine Dörfer zur Passhöhe hinauf. Die Hoffnung, dort einen Kaffee auf Panorama-Terasse genießen zu können, stirbt natürlich zuletzt, sie hat ja bereits den bisherigen tagesverlauf geprägt. Pünktlich wird es dunkel über uns und einsam um uns herum, obwohl die enge Landstrasse sich jetzt zu einer Art Schnellstrasse verbreitert. Ferienhaussiedlungen ziehen an uns vorbei, denen man den Skihüttencharakter ansieht, die aber im Gegensatz zu den Apartments im Küstenbereich genutzt erscheinen.

Entrückte Winterwelt auf der Passhöhe des Puerto de la Ragua

Die ersten Warnschilder machen auf die Benutzung von Schneeketten aufmerksam und Lore wird unsicher, ob wir mit unserer Routenwahl die richtige Entscheidung getroffen haben. Ich kann sie zwar insoweit beruhigen, als der Schnee auf den Gipfeln über Granada in weit über 3000 m Höhe liegt und uns ja immerhin ein (!) Auto entgegen gekommen ist, welches offenbar ohne Ketten den Pass überquert hat, aber die stille Bedrohlichkeit dieser entlegenen Hochgebirgslandschaft beeindruckt mich schon auch.

Schließlich erweitert sich der gefrorene Dreck am Straßenrand doch tatsächlich zu einer weißen Schneelandschaft um uns herum. Die Wolkendecke hat uns auch erreicht, es wird neblig, grau und kalt. Ich muss das Licht einschalten und kann nicht verhehlen, dass alles tatsächlich irgendwie unheimlich wirkt. Wir fühlen uns, als hätte uns ein magischer Nebel aus Andalusien wieder in die Alpen katapultiert, nur 2000 Jahre zurück, als dort noch kaum jemand lebte. Einsame Nadelwälder begleiten uns, ab und zu ein verwaister Parkplatz, dessen Leere durch seine schiere Größe noch verstärkt wird. Es ist still und kalt.

Zwar scheint die Strasse sich jetzt allmählich wieder eher bergabwärts zu neigen, dafür wird sie aber plötzlich wieder zu einer äußerst engen, serpentinigen und mit Schlaglöchern übersäten Piste, auf der man möglichst nicht ins Rutschen kommen sollte. Im Winternebel wirkt der plötzliche Szenenwechsel auch der Fahrbahn umso mehr. Als würde jemand den Vorhang aufziehen, löst sich aber am Ende einer Kurve dieses Szenario in Nichts auf und wir rollen über eine längere, steil abwärts führende Gerade auf eine Art Plattform zu, die sich über dem im Sonnenlicht unter uns sich ausbreitenden Tal am linken Straßenrand aufspannt wie der Teller einer Sprungschanze.

Der Mirador des Puerto de la Ragua über La Calahorra

Wir steigen die wenigen Meter zu der kleinen Kuppe hinauf und reiben uns die Augen. Da schnappst du schon erstmal nach Luft, wenn du aus dem grauen Nichts kommst. Was wir als Teller einer Skischanze ausgemacht haben, entpuppt sich als von Menschenhand gemachter Mirador, ein Balkon mit Mäuerchen und Erklärungsschildern. Dieser thront wie ein Adlernest über der Hochebene von Guadix, also dem nördlichen Sockel der Sierra Nevada, deren majestätische Dreitausender sich jetzt sonnenglitzernd links hinter uns erheben. Der Blick reicht ewig, wahrscheinlich bis Sevilla, wenn wir wüssten, wo es ungefähr liegt. Ein Ort, an dem ich stundenlang ausharren könnte, nur um zu gaffen. Nur der beißende Wind erinnert noch an die Kälte, aus der wir kommen, und treibt Lore alsbald ins Auto zurück.

Dort kommt gerade Zuwachs an, womit der Beweis erbracht ist, dass wir doch keine 2000jährige Zeitreise absolviert haben. Seine Insassen stören natürlich meine Ruhe, stellen sich aber als Deutsche heraus, die wohl die weiten Flächen an glitzernden Sonnenkollektoren unten im Tal betreuen. Zu meiner Beruhigung bestätigen sie mir ungefragt, dass sie im Januar auch schon bei 25 Grand hier in der Sonne geschwitzt haben. Jetzt hier bei gefühlten Null Grad stehen zu müssen, ist einfach extremes Pech.

Das Kastell von La Calahorra

Wir ziehen alle unserer Wege. Je weiter wir uns die Serpentinen bergab schrauben, desto mehr kommt ein bereits von oben auffälliges Kastell in den Blick, das am Rand der Ebene markant auf einen Hügel gesetzt das kleine Dorf La Calahorra überragt. Mit seinen schönen Türmchen an jeder Seite und den Zinnen könnte es die Mustervorlage für Lores Keramikburgen oder auch die bewunderte Reihenhausanlage bei Alfacar abgeben. Der Führer charakterisiert es auch als eines der schönsten Rennaissance-Schlösser der Gegend.

Bei einer weiteren Pause während des gefahrenen Abstiegs saugen wir dieses Bild nochmals in uns hinein und Lore macht einige Fotos zwecks Vorlage für zukünftige Keramikkurse. Ich sehe im Feldstecher zwar Autos vor der Burgeinfahrt und ein weiteres sehr langsam einen holprigen Pfad entlang von erkennbar im Gestein versteckten Höhlenwohnungen schleichen, aber keine vernünftige Zufahrt, und einen Fußmarsch vom Dorf aus aufwärts erschnaufen wir heute nicht mehr. Am Fuß der Sierra angekommen entdecken wir auch keine ausgeschilderte Zufahrtsmöglichkeit, so dass wir uns für heute auf den Anblick aus der Ferne beschränken. Aufgeschoben wird aber hier bestimmt nicht aufgehoben sein.

Guadix und Granadas Osten

Ziemlich schnell erreichen wir die Autobahn und machen uns auf den Heimweg … denken wir. Tatsächlich ist es aber wie in den Nasridenpalästen der Alhambra, das wundern hört nie auf. Eigentlich betrachten wir den Rest des Weges ab der Auffahrt zur Autobahn sozusagen als Transportstrecke. Aber die im Abendlicht warm und rot leuchtenden Sandsteinformationen um uns herum kann man nicht ignorieren, gerade wenn sogar von der Autobahn aus noch die eine oder andere Höhlenwohnung auszumachen ist. Rechts fahren wir an Guadix vorbei, das so wirkt, als habe ein unsichtbarer Fahrstuhl die ganze Stadt eine Etage tiefer gefahren, so dass es jetzt als Sandfläche einer Gladiatorenarena in einem Kollosseum aus Sandstein gefangen ist. Auch diese Besichtigung müssen wir notgedrungen auf einspäteres Mal verschieben.

Schließlich bricht dieses Bühnenbild jäh ab und mündet in eine Kiefernlandschaft mit kleinen Seen, eingezwängt wie der Schatz im Silbersee in einen Taldurchbruch, der uns vermutlich jetzt endgültig in Richtung Granada weiterbringen wird. Das mag vielleicht kitschig klingen. Tatsächlich ist es aber auch hier der unvorbereitete, totale Wechsel des Landschaftsbildes, der einen so sprachlos macht. Diesem Phänomen werden wir jetzt immer wieder begegnen, jedenfalls in dieser küstenfernen Gegend, und es steht den architektonischen Sensationen der Region in keinster Weise nach. Natürlich bewirken gerade letztere ein ziemlich straffes Besichtigungsprogramm beim ersten Besuch. Diese Landschaften hier aber später einmal ziellos neugierig zu erforschen mag sicher ein ganz besonderes Vergnügen sein, was unsere Gastgeber ja auch immer unter der Hand zu vermitteln versuchen.

Für heute sind wir einfach nur erschlagen von diesem Wechselspiel. Wir zaubern uns hervorragende Spaghetti Bolognese und hängen in schwere Decken gehüllt dem Tag nach. Irgendwie kommen wir mit unserem Gasofen nicht klar und müssen die Elektroheizung anschmeißen, die schon ziemlich lange braucht, um auf Touren zu kommen. Das Tagesmotto setzt sich also fort, wir sind aber nur zufrieden angesichts der Palette an Erlebnissen, die uns auch der heutige Tag wieder beschert hat.

Wenn Sie dem Verlauf dieser Reise folgen möchten

Vorhergehender Artikel

Alpajuerra lebendige Sierra Nevada

Pampaneira in der Alpujarra südlich Granadas bietet Route der weißen Dörfer ganz ohne Folklore, Lanjaron jegliches Sportspektrum

Nachfolgender Artikel

Albaizin Malerische Gassen und Mirador

Malerische Gassen im maurischen Viertel Albaicin laden zum Rundgang ein nach Blick auf die Alhambra vom Mirador San Nicholas

Und hier der Gesamtüberblick dieser Reise mit allen Berichten


© 2004-2014 by Martin Haisch Gastromartini gastrobetreuung.de

Zuletzt aktualisiert am 27. Mai 2014

Mit ausdrücklichem Dank an Apachefriends und alle Open-Source-Entwickler, deren Arbeit solche Projekte erst ermöglicht
sowie an Lore für Begleitung und Ertragen programmierungstechnisch bedingter Abwesenheiten

[Sitemap] [Werbung schalten auf diesen Seiten] [Kommentar abgeben]