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Reisebericht zu Andalusien→Sevilla→Stadtviertel Plaza Espana

Von der Plaza Nueva zur Plaza Espana: Touristengucken und Tabakprobleme trotz Fabrik

Sevilla Ruhepunkt Altstadt

Die schattige Umrahmung der Plaza Nueva bietet den Eindruck eines ruhenden, zentralen Pols zwischen den lärmenden Touristenströmen in Sevillas Altstadt. Den nutzen wir zu gemütlicher Brotzeit und Touristengucken, was wir in der Volksfestatmosphäre der Plaza Espana noch vertiefen können. Die alte Zigarettenfabrik enthebt mich zwar nicht von selbst gemachten Problemen bei der Beschaffung derselben, dafür führen diese zu neuen Erkenntnissen über unsere häusliche Umgebung in Mairena.

Nach einem anstrengendem Tagesverlauf mit der eher enttäuschenden Besichtigung der Kathedrale Sevillas, dem sehr anregenden, aber doch mehr musealen Besuch des Flamencomuseums und einer für Lore erholsamen Shopping-Einlage in der Calle Sierpes sind wir etwas erschöpft. An deren Ende bewundern wir noch pflichtschuldigst das Rathaus, dann wird es aber Zeit für eine Pause und weitere Planung.

Endlich ein Ruhezentrum gefunden: Brotzeit an der Plaza Nueva in Sevilla

Pflichtschuldig bewundern wir die Renaissancefassade des Rathauses an der Plaza San Francesco, auf die wir zwischen den Caféstühlen stolpern. Die einzigen schattigen Plätze werden von den Pferdekutschen okkupiert, die hier auf Touristen warten, ansonsten ist es hier laut, hell und anstrengend. Ganz anders auf der Südseite des Gebäudes. Hier öffnet sich die Plaza Nueva ganz nach unserem Geschmack. Eingesäumt von schattenspendenden Bäumen, unter denen gemütliche Steinbänke auf uns warten, dominieren zwei Brunnen und die Tramstation den Platz.

Wir ergattern eine freie Bank am Rande des Geschehens und genießen die Brotzeit aus den Resten unseres Frühstücks. Um uns herum geschieht dasselbe, allerdings hauptsächlich aus Pappkartons der ansässigen Burgerbrater und Pizzaketten, was uns nicht weiter stört. In der Mitte des Platzes gruppieren sich Familien, Liebespärchen und aufgeregte Kinder um die Brunnen herum zwecks entsprechender Foto- und Videoaufnahmen, die offensichtlich unter aufgeregtem Geschnatter gleich per facebook auch in die Welt gepostet werden.

Solche Szenen sind für mich anschaulicher als Kino. Besonders schön waren die Szenen der japanischen Familie, die ihre Kleinen nicht davon überzeugen konnte, dass es an den Pressekiosken rundherum kein Eis zu kaufen gibt und das Pärchen unter dem Brunnen, das seine junge Liebe voller Stolz mit Pizzakartons und Burger-King-Schachteln auf den Knien ablichten lassen wollte, dieselben aber nicht ausgewogen genug balancieren konnte.

Nach unserem Rundgang haben wir jetzt auch ein kleines Gefühl für die Struktur dieser Stadt gefunden, die uns bisher ja mehr wie ein verworrenes, lautstarkes Buch mit sieben Siegeln vorgekommen war. Hier, kaum zweihundert Meter unterhalb der Touristenströme der Kathedrale, lässt sich eine Ruhe genießen, die von dort aus gesehen fast nicht möglich erschien.

Entsprechend meiner eigenen Stimmungslage schlage ich vor, das Kulturprogramm für heute zu beenden und nochmals zur Plaza Espana zu schlendern, um einfach sinn frei dem dortigen Park- und Touristenleben zuzuschauen. Mir hat dieses Rondell schon beim ersten Besuch gut gefallen und im Gegensatz zur toten Kathedrale fand ich den noch heute lebenden Zusammenhang von klassizistischer Architektur und tatsächlichem Volksfestflair wesentlich faszinierender, als ihn unsere Kultur-Reiseführer eingestuft haben.

Touristengucken in Volksfestatmosphäre: Klein-Venedig an der Plaza Espana

Auf dem Weg dorthin zieht noch etwas Weltstadtflair an uns vorbei. Das maurische Türmchen der Confiteria Fitella schiebt sich fast wie auf dem Time Square in den Vorplatz der Plaza Nueva hinein, während sich dort Trambahn, Radfahrer und Fußgänger um die Vorherrschaft streiten. Im Vergleich zu New York fehlen nur die Leuchtreklamen, Textlaufbänder und das wütende Gehupe. Der Verkehrswirrwarr als solches wäre dem Vorbild durchaus würdig, nur das maurische Ambiente wirkt deutlich gediegener.

Die Piazza Espana empfängt uns mit dem gleichen Treiben wie schon vor zwei Tagen. Zahllose Gruppen und Grüppchen schlendern herum oder suchen Ruhe auf den kleinen Steinbänken, die sich jeweils um die Keramikbilder der einzelnen spanischen Provinzen gruppieren, als wären es einzelne Grab- oder Gedenksteine. Lore hat jetzt genug vom Herumlatschen, und ich lasse sie im Schatten von Almeria zurück. Die breite Promenade zu Füßen des ziegelroten Rondells bietet viel Platz für Skateboardkunststücke, Straßenmusik, angenehmerweise aber nicht zur Verramschung von Touristenkitsch.

Sogar eine spanische Linedancegruppe finde ich vor, was natürlich Erinnerungen weckt. Am schönsten aber ist, wie überall, das spektakuläre Outfit wüst fotografierender japanischer Touristengruppen. Aber auch ich versuche natürlich, einige perspektivisch besondere Fotos mit der großen Wasserfontäne und den kleinen Rialto-Brückchen hinzukriegen.

Im Parque Maria Luisa, der sich schattig an das Ensemble anschließt, versuche ich auftragsgemäß, eine Toilette für Lore aufzuspüren, die auch bald gefunden sind. Leider sind sie aber bereits demoliert und sehen nicht mehr besonders vertrauenerweckend aus. Auch unter den Arkaden des Ausstellungsgebäudes finde ich nur geschlossene Büros der Armeeverwaltung, aber kein stilles Örtchen. Bis ich zurück bin, hat sich der Drang aber wieder verzogen, so dass wir langsam an die Heimfahrt denken.

Tabakfabrik zeigt schönes Ambiente und Ausstellung, jedoch keinen Tabakladen weit und breit

Dafür wird mir jetzt ein eigenes Problem siedend heiß bewusst: Mein Zigarettenvorrat schmilzt dahin und es ist Samstagnachmittag geworden. Ein weiteres Mal parke ich meine Frau, jetzt im Garten des Prado San Sebastian, von wo aus wir die Metro besteigen könnten und drehe noch eine Schnellrunde auf der Suche nach einem Tabacchaio.

Das Glück scheint mir aber hold zu sein. Hinter der Bus- und Tramdrehscheibe bemerke ich den Busbahnhof für die Fernbusse, wie früher in ein eigenes Karree gebaut, mit Schalterhalle, kleinen Geschäften und Bars. In ganz Europa hat es zu allen Zeiten hier auch Zigaretten gegeben. Nur jetzt nicht mehr, auch wenn alles andere käuflich zu erwerben wäre. Enttäuscht wende ich mich in einen dunklen Durchgang Richtung Innenstadt. Ein matt schimmerndes Neonschild weist auf die "Juzgados de servicio" hin. Aus den Sevilla-Krimis von Robert Wilson weiß ich, dass das die diensttuenden Ermittlungsrichter sind, alles kettenrauchende Humphrey-Bogard-Typen. Folgerichtig leuchtet an der entfernteren Straßenecke auch schon das rote Tabacchaio-Schild über einer Bar. Fassungslos drücke ich an den verschlossenen Türen. Die Kapitalverbrechen in Sevilla scheinen sich auf dem absteigenden Ast zu befinden.

Ich hätte auf dem Boulevard der Calle San Fernando sogar noch zwei weitere Tabakläden in atemberaubender Geschwindigkeit aufgetan, nur sind sie genauso geschlossen wie ihre Vorgänger. Ein Anfall von Wahnwitz treibt mich in die alte Tabakfabrik gegenüber, die ja ohnehin noch zur Besichtigung anstand. Selbst wenn jetzt Sevillas Universität untergebracht ist, könnte ja eine touristisch motivierte Reminiszenz noch einen Museumsladen mit Tabakprodukten übrig gelassen haben. Fast muss ich selbst schon lachen ob solcher Trugbilder eines Süchtigen.

Die Abfolge der Renaissance-Innenhöfe erscheint mir dennoch durchaus bemerkenswert, gerade in den Durchblicken entlang der Verkehrsachse ergeben sich schöne Perspektiven. Die angebotene, kostenlose Führung durch den Gebäudekomplex, der angeblich auch für Bizets Oper "Carmen" und die nachfolgende Verfilmung von Carlos Saura eine gewichtige Rolle gespielt haben soll, findet erst morgen um 11 Uhr wieder statt. Eine aktuelle Fotoausstellung über das Elend der dritten Welt hätte mein Interesse erweckt, aber so lange kann ich Lore nicht warten lassen. Leicht frustriert sammele ich sie im Prado San Sebastian wieder auf und wir fahren heim nach Mairena, in dessen Trabantenläden ich mein Glück erneut versuchen will.

Zigaretten gibt es an der Tankstelle, wie überall auf der Welt

Im Supermarkt an der Metrostation Cavaleri frischen wir zunächst unsere Getränkebestände auf und ergattern die letzten Zutaten für die abendlich geplanten Fleischpflanzl (für Nordlichter: Buletten) auf. Zigaretten gibt es hier aber auch nicht. Die Kassiererin macht mir aber Hoffnung auf einen Laden, der an der breiten Avenida de las Americas stadtauswärts liegen soll. Bei der jetzt folgenden Suche lerne ich immerhin, dass unser Kleinstadtzentrum an der Plaza de Cuba nur der Vorhof zu einer wahren Ansammlung von Shopping-Malls ist, die wir noch gar nicht bemerkt hatten. Im Hintergrund kann ich schon die Endhaltestelle der Metro, Ciudad Expo, erkennen. Dort wollen wir heute Abend ja die örtliche Fiesta Sevillana erkunden. Nur der Tabakladen hat natürlich geschlossen, während der Einkaufswahn um ihn herum nur so tobt.

Am Ende stelle ich fest, dass natürlich Einkaufsgewohnheiten mittlerweile europäisiert sind und ich mir mit meinen althergebrachten Vorstellungen nur immer wieder selbst ein Bein stelle. An der Tankstelle vor dem Supermarkt, wo ich Lore für meinen letzten Ausflug zurückgelassen hatte, gibt es wie überall neben Benzin alle Drogen zu kaufen, die legal sind. Zigaretten, Schnaps, Wein und Bier, und das rund um die Uhr. Immerhin hat mich die zwanghafte Sucht aber wieder zu neuen Entdeckungen getrieben.

Wenn Sie dem Verlauf dieser Reise folgen möchten

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Und hier der Gesamtüberblick dieser Reise mit allen Berichten


© 2004-2014 by Martin Haisch Gastromartini gastrobetreuung.de

Zuletzt aktualisiert am 27. Mai 2014

Mit ausdrücklichem Dank an Apachefriends und alle Open-Source-Entwickler, deren Arbeit solche Projekte erst ermöglicht
sowie an Lore für Begleitung und Ertragen programmierungstechnisch bedingter Abwesenheiten

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