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Endlich erfolgreiches Tapear in Granadas Stadtviertel Realejo: Günstig und gut im "Los Altramuces" oberhalb der Calle Molinos

Reisebericht zu AndalusienGranada → Realejo

Tapas Bars günstige Alternative zu Restaurants

Bei unserem ersten Besuch in Granada hatten wir ja gastronomisch gerne mal daneben gegriffen. Im Realejo finden wir Tapas-Bars, die sogar Kleingerichte nach alter granadinischer Tradition kostenlos zu weiteren Getränkegängen reichen, die sich durchaus sehen lassen können. Für wenig Geld probieren wir uns durch die Speisekarte und feiern am Ende staunend über den nächtlichen Ausblick von unserer Dachterrasse den ersten Urlaubstag und erflogreiches Tapear.

Nach einem kleinen Schläfchen sind wir jetzt bereit für Granada und machen uns auf den Weg. Es ist kurz nach Sieben am Abend, so werden wir gerade gut zur Essenszeit unten ankommen. Der Caminho Nuevo del Cementerio macht zunächst eine gemächliche Schleife entlang eines Hangeinschnitts unterhalb unserer Wohnung, um dann bald ziemlich steil in Richtung Innenstadt abzufallen. Abacho, abacho, abacho, wie unser Vermieter sagt.

Am Ende der Straße finden wir eine Ampel, die wir wieder erkennen. Hier sind wir vor 2½ Jahren erstmals mit dem Bus zur Alhambra gefahren. Es war so eng, dass Fußgänger sich in die Hauseingänge flüchten mussten, wenn der Bus durchfahren wollte. Von hier aus geht es geradeaus weiter steil abwärts in den Realejo hinunter oder aber schräg rechts aufwärts am Hotel Alhambra vorbei zur Burg.

Erste Begegnungen mit dem Alltagsleben im Realejo

Der Carril de San Cecilio führt uns weiter hinab ins Herzen Granadas. Diesen Weg aufwärts kommt Lore höchstens 10 Schritt weit, das ist mir auf der Stelle klar. Ich versuche sie zu trösten, als ein von unten entgegen kommender, beleibterer Herr sich einige Häuser unter uns in den Eingang setzt, um Pause zu machen. Sie ist skeptisch. Tatsächlich dient die Pause aber nur dazu, im uns beim Vorübergehen um eine milde Gabe anzubetteln. Ich bin viel zu perplex, um überhaupt darüber nachzudenken. Tatsächlich hat diese Form des Nebenerwerbs mittlerweile zugenommen, abgesehen von den immer wieder seit jeher auftauchenden osteuropäischen Kolonnen, die es bei uns ja genauso gibt. Auch scheint mir Obdachlosigkeit verbreiteter zu sein, oder es ist uns früher nur nicht so aufgefallen.

Bevor wir am Campo Principe ankommen, dem Zentrum des Realejo, taucht linker Hand noch die kleine Kirche San Cecilio auf. Hier der seitliche Anbau geöffnet, in dem offenbar die Monstranz der Schutzheiligen des Viertels untergebracht ist, auch wenn sie dort eher wie in einer Garage hausen muss. Jedenfalls wird fleißig gewienert und geputzt. Vielleicht steht ja der jährliche Umzug zu ihrem Jahrestag an. So feierlich wird es aber nicht, wie wir noch sehen werden. Morgen kommt das Fernsehen hierher, und da soll sie doch hübsch aussehen. Ich finde das eine nette Geste, selbst wenn die Realejos an der Wohnstatt ihrer Madonna noch etwas arbeiten sollten. Das Foto mache ich aber lieber aus der Entfernung, um nicht gar so voyeuristisch dazustehen. GIMP wird es später schon richten.

Am Campo Principe herrscht das übliche vorabendliche Leben. Fußballspielen, Radfahrkunstwettbewerbe und Kindergeschrei prägen das Leben. Die umsitzenden Senioren nehmen sich sich auch mal schnell einen Stuhl aus den anliegenden Bars mit, wenn die Lieblingsbank gerade besetzt ist. Die schreiten wir jetzt erst einmal ab, schon anfangs die Casa La Ninfa wirkt sehr sympathisch mit lauter Keramikschalen an der weißen Wand (kommt aber in Erfahrungsberichten ziemlich schlecht weg, wie wir später lesen). Es reiht sich aber ein Lokal an das andere an der Westseite des Platzes, und die gelangweilt vor den noch leeren Tischen dösenden Kellner/innen nehmen Witterung auf.

In der Calle Molinos, der Hauptschlagader des Realejo-Viertels

Ich will aber unbedingt zuerst noch zehn Meter tiefer schauen, wo die Calle Molinos verläuft. Erstens ist der Realejo einer der wenigen noch verbliebenen weißen Flecken auf meiner persönlichen Granada-Karte, so dass ich zumindest noch etwas in seinem Zentrum stöbern möchte. Zum zweiten befindet sich dort auf Nr. 4 die Casa Lopez Correa, ein Lokal, das in den Umgebungsinfos von Granadainfo zu unserer Bleibe durchaus gelobt wurde (ganz im Gegensatz zu dem unserer Gastgeber unterhalb der Alhambra-Zugänge). In Anbetracht unserer nicht so glorreichen, damals ersten Erfahrungen mit der hiesigen Gastronomie möchte ich jedenfalls nicht unnötig experimentieren.

In der Calle Molinos geht es eng und quirlig zu, alle Alhambra-Busse fahren hier durch, wie ich gleich mal feststellen kann, also vermutlich auch unserer. Sobald aber ein Fahrzeug auf der engen Straße länger ein- oder ausparken muss oder sonst eine Behinderung auftritt, kommt es sofort zu Staus, die bis in die Innenstadt reichen können. Das ist dann der Moment, wo man oben an der Burg ermüdet und scheinbar ewig auf einen Bus wartet, und dann kommen gleich drei.

Die Orientierung fällt in dem Getümmel erst mal schwer, dafür können wir unsere mangelnde Orientierung an anderer Stelle im kleinen Supermarkt um die Ecke ausgleichen. Schon so erfahren und selbstversorgungsweltmännisch, sogar mit Einkaufszettel ausgerüstet, schaffen wir es immer wieder, irgendwas Wichtiges zu vergessen. Diesmal war es die Milch und Haarspray, beides für den nächsten Morgen unumgänglich. Also muss ich mit der Einkaufstüte zum Essen gehen.

Das Lopez Correa finden wir anhand der Hausnummer auch tatsächlich, leider gibt es aber anscheinend keine Außenplätze, und die wollen wir bei Abendtemperaturen von 25 Grad eigentlich schon, mal ganz abgesehen von meinem Raucherstatus. Das sehen wohl auch andere so, jedenfalls schaut die Dame, die ich mir aufgrund der Werbefotos im Internet als die englische Betreiberin vorstelle, etwas griesgrämig und auch nicht mehr ganz so jung drein. Wir werden unser Glück jedenfalls doch lieber oben am Platz versuchen.

Tapas genießen auf granadinisch: Günstig und gut in Los Altramuces

Gleich die erste Bar ist schon gut besetzt, während in den hinteren Bereichen noch gähnende Leere herrscht. Wir vertrauen auf den Instinkt der Einheimischen, von denen über die Hälfte der Plätze belegt sind und entern den vorletzten freien Tisch auf der Terrasse. Als Neulinge trotz einwöchiger Vorerfahrung haben wir nur die Weisheit des Reiseführers zu bieten, der behauptet, Granada sei die letzte Bastion des ursprünglichen Tapejar, wo die Tapas zu jedem Getränk frei seien und sich in der Qualität mit jeder Bestellung steigern würden. Das wollen wir jetzt erst einmal auf uns zukommen lassen, bestellen ein Bier, Wein und Wasser für Lore und warten ab. Restaurants gibt es ja im Notfall noch reichlich nebenan, in diesem Fall werden wir einfach dem dann zu erwartenden Zug der Einheimischen folgen. Die ausliegende Speisekarte wird folgerichtig erst einmal ignoriert.

Obwohl die Bedienungen in der Bar Los Altramuces ziemlich flott sind, lassen die Getränke etwas auf sich warten. Für Neulinge hat der Ober aber anscheinend auf den Primero, den Teller gewartet, der immer zu den ersten Getränken gebracht wird, damit wir nicht auf blöde Gedanken kommen und evtl. doch was zu Essen bestellen. Der ist nicht schlampig und hier Standard, wie wir morgen merken werden. Die folgenden Segundos und Terceros variieren dagegen. Die Chips sind jetzt noch nicht der Renner, aber die süßen Mandeln in Salz schmecken richtig gut und zwei tomatig überbackene Brötchen mit Thunfischfüllung werden nicht nur von uns, sondern auch einigen benachbarten Tischen mit Jungspaniern als echte Besonderheit des Hauses kommentiert. Von denen lernen wir auch gleich den korrekten Umgang mit den Eiswürfeln in jedem Glas. Zwei Finger übers Glas, schon angesammeltes Schmelzwasser auskippen, dann erst auffüllen.

Nach der langen Reise plagt mich natürlich der Durst, weshalb mein zweites Bier zügig fällig wird. Umso mehr, als unser Ober meine Vorlieben zu kennen scheint. Als einziger der Touristen-Fraktion bekomme ich mein Bier ungefragt im hohen Glas und nicht in den bauchigen Eimern. Diesmal kommt es gleich und der Segundo-Tapa erst hinterher. Es sind diesmal Kroketten mit Schinkenfüllung, schmecken gut, auch wenn die Grundsubstanz nicht zu definieren ist. Kartoffeln sind es jedenfalls nicht, eher eine Art gewürzter Milchbrei. Morgen gibt es stattdessen Rape, also frittierte Fischstücke. Bei den Folgetapas geht die Küche anscheinend auch dazu über, sie in Serie auszugeben, woraufhin sie einfach an die trinkmäßig noch aktiven Tische verteilt werden. Ein großer Tisch Spanier neben uns und wir gehören anscheinend dazu.

Insgesamt werden wir so heute und morgen die Speisekarte zu zwei Dritteln auch nebenher durchgefressen haben und sind selten enttäuscht worden. Heute folgt noch Lomo, in der Schale erhitztes Schweinefleisch mit Kartoffeln und Knoblauch, ein für Lore nicht so prickelnder Eiersalat, den ich dann eben alleine verputzt habe und Bacalao als selbst bestellte Zusatzportion gebackenen Kabeljaufilets. Heute gibt es zum Abschluss noch Käse und Oliven, obwohl wir eigentlich schon satt sind. Lumpen lässt man sich übrigens nicht. Auch wer zusätzlich raciones, also eigene Gerichte bestellt, bekommt die Tapas dennoch serviert.

Gastronomische Zitterpartie ?

Gastronomisch gesehen erstaunt mich dieses Prinzip schon, zumal die Endrechnung des ersten Abends sich tatsächlich auf die bestellten Getränke beschränkt und mit 13,70 € natürlich auch für ein leichtes Abendessen durchaus günstig ausfällt. Unsere Tischnachbarn zur Rechten, ein spanisches Pärchen nach uns kommend und vor uns gehend, habe ich aber beim Zahlen beobachtet und die haben immerhin einen 5€-Schein auf dem Tablett liegen gelassen bei einer wohl vergleichbaren Zeche. Um kein schlechtes Gewissen haben zu müssen, halte ich es genauso, was auch morgen den Wiedererkennungswert beträchtlich erhöht.

Damit habe ich mich aber vermutlich gerade mal für den Warenwert der erhaltenen "Geschenke" revanchiert, vorausgesetzt, etwas davon fließt irgendwie an den Betreiber selbst. Andererseits bleibt eines den ganzen Abend offensichtlich: "Unsere" Bar war bis auf den letzten Platz besetzt von Ankunft bis Heimgang, und auch dieser Tisch ist nicht lange leer geblieben. Gute Tapas mögen also im granadinischen Umfeld schon auch ein Werbemittel sein, um Kundschaft zu locken und zu halten. In den angrenzenden Wirtschaften herrschte jedenfalls weitgehend gähnende Leere.

Selbst wenn diese Karte und damit auch das Spektrum der Tapas keine kulinarischen Fünfstern-Erleuchtungen und vielleicht auch teilweise Convenience-Produkte waren. Das war alles handwerklich gut gemacht, im Geschmack gut bis sehr gut und auf eine vermutlich Eine-Frau-Küche handlebar beschränkt. Nachdem die Kalkulationsgrundlagen im vereinten Europa nicht mehr so weit voneinander entfernt sind wie auch die Preise es nicht sind, kann man nur den Hut ziehen und Danke sagen besonders im Vergleich zu den Touristenkaschemmen im Zentrum, an die wir aus eigenverschuldeter Blödheit zu Anfang unseres ersten Besuchs geraten sind.

Mit ausführlichem Tapieren geht es jetzt natürlich bereits auf 23:00 zu und der letzte Linienbus in unser Hochgebirge ist um 22:12 abgefahren. Wir tapsen also hochzufrieden mit dem Verlauf unseres Ankunftstages hinter zur Calle Molino, wo wir auch wenige Meter weiter ein Taxi im Wartestand finden. Das hat uns binnen weniger Minuten und für weniger als 5€ zu unserer Wohnung hinauf bugsiert. Der Fahrer will auf meinen 5€-Schein eigentlich noch herausgeben. Heimatliche Verhältnisse gewohnt, lege ich angesichts des kurzen "Stichs" noch 2€ drauf, was mir einen Rüffel von Lore einhandelt. Sie mag ja recht haben, über diese Höhe war der Fahrer ganz offensichtlich erstaunt. Mir tuts aber auch nicht leid, in meiner Branche leben die Meisten auch vom Trinkgeld. Will nur sagen für Großstadtbewohner: In Granada sind Taxifahrer offensichtlich Kurzstrecken gewohnt, und eine Fahrt zum Garnata1 wird von den meisten Zielen aus Granadas Innenstadt oder der Alhambra wird sich immer um die 5€ (ggf. plus Nachtzuschlag) bewegen.

Wenn Sie dem Verlauf dieser Reise folgen möchten

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Und hier der Gesamtüberblick dieser Reise mit allen Berichten


© 2004-2014 by Martin Haisch Gastromartini gastrobetreuung.de

Zuletzt aktualisiert am 27. Mai 2014

Mit ausdrücklichem Dank an Apachefriends und alle Open-Source-Entwickler, deren Arbeit solche Projekte erst ermöglicht
sowie an Lore für Begleitung und Ertragen programmierungstechnisch bedingter Abwesenheiten

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