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Nach lauschigen Gärten am Rio Genil Wiesersehen mit San Jeronimo und dem Albayizin

Reisebericht zu AndalusienGranada → San Jeronimo

Stadtviertel San Matias von der Brücke über den Rio Genil

Der Paseo Salon enrtlang des Rio Genil erweist sich als lauschige Parkanlage, die wir nächtens bereits von oben bewundert hatten. Unterwegs dorthin treffen wir auf Graffitihäuser, die sehr besetzt aussehen. Schließlich besuchen wir nochmals unsere Lieblingskirche in Granada, das Kloster San Jeronimo, dessen reiche Bemalung und innere Ruhe uns erneut fasziniert. Zum Abschluss folgt eine erneute Achterbahnfahrt auf den Albayizin mit gemütlichem Ausklang auf der Plaza San Miguel Bajo.

Von unserer Dachterrasse haben wir gestern Nacht immer wieder auf die Anlage zu unseren Füßen geblickt. Das Viertel San Matias haben wir beim letzten Besuch auch nicht anschauen können, den Realejo kennen wir jetzt ja immerhin. Das Wetter ist traumhaft und da unten scheinen viele Bäume Schatten spenden zu können.

Am Rio Genil läge auch das Wissenschaftsmuseum Parque de las Ciencias, das wohl mit vielen netten Spielereien aufwarten kann. Das Kind in uns selbst hat schon mit viel Vergnügen ähnliche Einrichtungen in aller Welt gerne aufgesucht und bisher fehlte auch dazu in Granada die Zeit. Heute würden wir sie uns nehmen, nachdem es auch "am Weg" liegen würde. Leider ist das Museum in der zweiten Septemberhälfte geschlossen, und die hat gestern begonnen.

Ein steiler Abstieg zum Park am Rio Genil führt am Graffiti-Zentrum vorbei

Der Weg scheint ja einfach: Einfach geradeaus immer abwärts. Weil ich vermeiden möchte, in eine Sackgasse zu geraten, die Lore dann wieder bergauf zurücksteigen müsste, gehe ich aber erst einmal ein paar Meter voraus. Ich habe die in der zwischen den Gassen nicht mehr ganz zielsichere Google-Karte gerade verifiziert, als uns zwei Radfahrer im Sportdress aus den Tiefen herauf entgegenkeuchen, stehend, aber stramm in den Pedalen. Sobald sie uns sehen, steigen sie sofort ab. Ich denke, sie haben sich verfahren, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass jemand freiwillig eine solche Tortur auf sich nimmt. Anstatt dessen wollen sie uns helfen, weil sie uns für hoffnungslos verirrte Touristen jenseits aller normalen Pfade halten, nachdem ich auch noch so unsicher suchend vorausgegangen bin.

Lachend wünschen wir uns gegenseitig noch einen guten Weg. Sie haben den Gipfel der Alhambra ja fast schon erklommen, und wir traben fröhlich durch die engen Gassen ins Tal. Der Weg ist zunächst hauptsächlich steil, aber wenig spektakulär, bis wir geradewegs auf ein kleines Häuschen mit Vorgarten zusteuern, das über und über auf rotem Grund mit sehr gut gemachten Graffitis besprüht ist. Anscheinend gab es eine Geburt zu feiern, denn das Hauptmotiv besteht in einem zufrieden schlummernden Baby.

Einige Meter unterhalb der Carretera de la Escoriaza, über die sich ein Gutteil des Verkehrs zur Alhambra bergauf quält, fällt uns noch ein ähnliches Haus auf. Es hat schon bessere Zeiten gesehen, so dass ihm die auch hier auffallenden Graffitis gut tun. Die mit Fahnen behängten Balkone lassen an die Hausbesetzerzeit bei uns denken. Auch in Cordoba werden uns solche Symbole noch auffallen. Es gibt wohl schon noch soziale Sprengkraft in verfallenden Altbauten hierzulande, wäre vielleicht auch mal ein Thema für Fernsehdokus abseits des Hochglanztourismus.

Leider können wir das jetzt nicht weiter aufklären, finden solche zufällig gefundenen Häuser aber nicht weniger spannend als die Protzvillen im oberen Realejo. Über breite Treppen stapfen wir zum Fluss hinunter, bewundern angemessen das Dampfmaschinendenkmal am Paseo de la Bomba und landen in einem schönen, schattigen Park.

Unter schattigen Bäumen auf den Parkbänken am Paseo de Salon

Hier geht es ganz anders zu als im Zentrum von Granada, wie wir es bisher kennen. Es wird flaniert, gejoggt und die Kinderwägen geschoben. Parkbänke an breiten Sandwegen unter schattigen Bäumen laden zum Sitzen und blöd schauen ein. Lore Gärtnerstochter versucht natürlich zunächst eine botanische Bestimmung der Gewächse, mich zieht es zum Fluss.

Hinter einer steinernen Balustrade liegt auch dessen betoniertes Bett, in dem der Rio Genil mit einem Wasserstand von geschätzten 5 cm dahinrauscht. Über den massiven Betonplatten sieht das eher aus wie eine gigantische Floßrutsche, wenn die wie Haifischzähne aufragenden (?), verrosteten Strombrecher nicht wären, die jedem darüberschrammenden Gefährt den Arsch aufreißen würden. Mit mehr Wasser wäre hier aber eine schöne Tribüne für einen Wildwasserkanal. Durchaus schön anzuschauen ist aber der Blick in die Berge der Sierra Nevada im Hintergrund, nachdem die Sonne auch auf dem wenigen Wasser ansehnlich glitzert.

Stadteinwärts schließt sich überganglos der Paseo de Salon an, dessen zentrale Flaniermeile uns gestern nachts von oben an Schloss Nymphenburg erinnert hat. Er trägt seinen Namen offenbar zu recht, alles erinnert an einen großen Freiluftsalon, wo man sich trifft oder an anderen Ecken seine Ruhe hat. Nachdem wir unser touristisches Pflichtprogramm schon vor zwei Jahren bewältigt haben, können wir dem Treiben ganz entspannt zuschauen und versuchen, die Arbeitsweise der Stadtgärtner zu ergründen.

Unter der Brücke Ponte Blanco gäbe es wohl auch noch wassersportliche Aktivitäten zu besichtigen, die wir uns aber sparen. Ich laufe zu Fotozwecken mal oben drüber und entdecke so immerhin noch die lustigen Löwen, welche die Brüstungen zieren. Die armen Kerle müssen sehr seltsame Käppis tragen und schauen so seit hunderten von Jahren eher aus wie Kasperl statt bedrohliche Schutzungetüme.

Von hier aus führt die geschäftige Acera del Darro über die Calle Reyes Catolicos ins Zentrum. Um die Ecke würde noch die Renaissancefassade der Igelasia de Santo Domingo warten. Uns ist aber weder nach Shopping zumute noch nach touristischer Erweiterung des Horizonts. Wir schnappen uns den Bus und fahren zur Plaza Trionfo, um Lores Lieblingskirche noch einmal in Ruhe anzuschauen.

Das Kloster San Jeronimo in Granada: Alte Liebe rostet nicht

Zwei Jahre zuvor hatte San Jeronimo uns schon eine weitere Überraschung in einer ganzen Kette bereitet. Obwohl in jedem Reiseführer als große Sehenswürdigkeit präsentiert, ging es dort sehr still zu. So ist es zu unserer Freude auch geblieben. Wegen der Universität und des Krankenhauses San Juan geht es in den Gassen immer sehr laut her und der Kampf um Parkplätze tobt gnadenlos, sobald man aber von dort durch das Tor in den Vorhof des Klostergeländes eintritt, herrscht auf einen Schlag absolute Stille. Auch der breite Schreibtisch des Pförtnerkassiers hat immer noch den Charme einer Benefizveranstaltung der Schmetterlingssammler zugunsten des Pfarrgemeinderats. Hier zahlen wir unseren Obolus gerne und bekommen auch Karten, auf denen die fortlaufenden Nummern noch per Hand eingetragen sind.

Die Orangenbäume im Kreuzgang stehen natürlich nicht ganz so fit da wie im Frühjahr und auch die Nebenkapellen sparen wir uns heute. Wir wollen gleich in medias res. Zunächst sind wir verwirrt, weil wir den Eingang beide irgendwie anders, noch höhlenartiger und näher an der Apsis in Erinnerung hatten. Vielleicht waren wir damals aber auch nur zu überrascht trotz der Warnung des Reiseführers.

Die einzigartige Stimmung dieser Kirche nimmt uns aber auch so sofort wieder in Beschlag. Jeder Quadratzentimeter ein Bild, eine Skulptur oder ein Relief. Wie die sieben weiteren Mitbesucher schleichen wir so langsam wie möglich herum, um möglichst keinen Teil dieses gigantischen Bilderreigens zu versäumen. Manchmal grinsen wir uns gegenseitig an wie Verschwörer, die inmitten dieses Touristenauftriebs ein Juwel gefunden haben, dessen Existenz wir niemanden verraten werden (ein Versprechen, das ich jetzt schon zum zweiten Mal breche).

Ich starte erstmal eine kleine Foto-Orgie. Im Vertrauen auf die unerschöpflichen Weiten des Internets hatte ich mich noch vor zwei Jahren zurückgehalten in dem Glauben, alles hier sei sicher bereits fotografiert worden und daher auffindbar, später mal. Das war leider ein Irrtum. Dann aber nimmt uns die Kontemplation der Kirche erneut in Beschlag. Wir sitzen einfach da und staunen. Die Deckengestaltung der Kuppel mit ganz ausdrucksstarken Figuren aus der griechisch-römischen Mythologie einerseits und Dichtern und Denkern des frühen Mittelalters andererseits war mir bisher gar nicht aufgefallen.

Am Ende aber versenke ich mich doch wieder in mein Lieblingsmotiv: Die Stifterfiguren an den beiden Rändern des Hochaltars, die unterhalb des prachtvollen Glanz und Glorias schon in der Capilla Real meine Lieblingsentdeckung der spanischen Renaissance bleiben werden. Überhaupt ist für mich gerade die Ausdrucksstärke aller dieser figürlichen Bildhauer- und Schnitzereien in ganz Andalusien ein schönes Rätsel.

Auf dem Rückweg fällt uns erst auf, dass die Basilika San Juan de los Dios wohl fertig renoviert worden ist. Die Gerüste sind weg und neben der Kirche gibt es jetzt einen auffälligen Eingangsbereich, hinter dem sich jetzt wohl auch entsprechendes Kassenhäuschen vermuten lässt. Wir wollen uns aber nicht die Erinnerung an die hier besichtigte "Geheimmesse" versauen und verzichten auf eine Neubesichtigung. Das Universitätsviertel ist belebt wie immer, die schon damals hippen Lokale boomen nach wie vor, die kleine Restaurantbar unterhalb des Trionfo, die wir immer wehmütig-interessiert beachtet hatten, hat leider nicht überlebt.

Kleinod im Albayizin: Die Plaza San Miguel Bajo

Mittlerweile ist die Mittagszeit schon deutlich überschritten, bis zu unserer Nachtbesichtigung der Alhambra aber noch entsprechend Zeit, die ich auch nicht verschwenden mag. Der Palacio Dar al-Horra läge mir noch am Herzen, erkläre ich meiner jetzt nicht mehr ganz so besichtigungsfreudigen Frau. Der wäre vielleicht gerade noch im Rahmen seiner üblichen Öffnungszeiten zu erreichen und soll ein kleines Abbild der Alhambra darstellen, was ja im Hinblick auf den Abendtermin eine einfühlsame Vorbereitung darstellen könnte. Außerdem wäre es verbunden mit einer Neuauflage der vor zwei Jahren schon (damals eher aus Langeweile) angezettelten Achterbahnfahrt über den Albayizin, dem maurischen Viertel von Granada.

Der 31er Minibus sticht auch alsbald um die Ecke und wir ergattern noch zwei Stehplätzchen im Hinterteil, das wir uns mit einem Kinderwagen teilen. Dort kann man sich aber für die bevorstehende Schüttelrunde gut einkrallen. Zunächst donnern wir wie immer die Carretera del Darrio hinauf, dass die Touristen links und rechts nur so wegspritzen und sich an die Steinrüstung zum Fluss drücken. Lore beobachtet das mit Misstrauen und wird sich fortan von engen Straßen ohne Bürgersteige fernhalten, aber das ist nichts Neues.

An der Cuesta del Chapiz trennen sich die Wege in den Sacromonte oder zurück in den Albayizin. Wir rattern jetzt über die Steinpisten zwischen den maurischen Häuschen durch. Am Mirador angekommen will uns der Busfahrer unbedingt loswerden. Er kann gar nicht fassen, dass so offensichtliche Touristen hier einfach nicht aussteigen wollen. Er muss dann aber intensiv mit neu zusteigenden Japanerinnen verhandeln, so dass er uns doch wieder vergisst. Für uns heißt es jetzt aber aufpassen. Der Bus donnert so rasant zwischen den gekrümmten Hauswänden durch, dass man schnell die Orientierung verliert, und ich will ja noch den Versuch wagen, den Dar al-Horra-Palast zu besichtigen.

Es wird dann aber doch ganz einfach. Deutlich sichtbar öffnet sich die sonnige Plaza San Miguel Bajo vor uns und mit dem dortigen Ausstieg liegend wir goldrichtig. Zunächst aber gibt es dringende Bedürfnisse zu verrichten und Lore hat ihre Wasserflasche mal wieder vergessen. Wir lassen uns also erstmal auf einen Kaffee an einem der kleinen Bartischchen nieder. Gleich neben dem Eingang gibt es sogar ein ungedecktes und der Ober zuckt mir keiner Wimper, als wir auf Speis verzichten und nur dem Tranke frönen.

Für den Palacio Dar al-Horra sind wir leider zu spät dran

Mit einsetzender Mittagszeit geht es hier sehr beschaulich zu. Die wenigen Touristen haben sich in den umliegenden Bars niedergelassen. Nur eine füllige Matrone stört etwas die Ruhe. Wie jeder Spanier verfügt sie über ein Smartphone. Es hat ihr nur keiner gesagt, dass sie beim Telefonieren jetzt nicht mehr allein zu Haus ist und so kann jeder Anwohner bis in den letzten Winkel seiner Wohnung ihr Gespräch mitverfolgen. Aber wir verstehen ja ohnehin nicht, was sie so brüllt.

Wir haben unser Handy im Apartment gelassen, so dass wir die aktuelle Zeit nur schätzen können. Es dürfte aber immer noch vor zwei Uhr mittags sein, wenn der Palast seine Pforten schließt. Also lasse ich Lore kurz sitzen und steige mal die Gasse direkt hinter meinem Stuhl entlang, um die Lage zu checken. Die Wege sind menschenleer, nur hinter der nächsten Ecke versammeln sich einige junge Schönheiten zu einer Zigarettenpause und mustern mich leicht überrascht. Den Schildern im Hintergrund nach vermute ich das örtliche Ausbildungszentrum für Friseurinnen, das würde jedenfalls zu den Zaungästinnen passen. Beim Rückweg muss ich aber auf Sozialzentrum korrigieren, da sind die Damen dann auch wieder weg.

Ein bisschen blöd komme ich mir schon vor zwischen diesen Hinterhöfen. Jetzt steigen auch noch merkwürdige Gestalten über die Maschenzäune, die zu den Abbruchgebieten weiter hinten aufgestellt sind. Die finden mich genauso deplatziert, sind Spinner aber offenbar gewöhnt und gehen einfach ihrer Wege, ohne sich stören zu lassen.

Immerhin finde ich den Palast dann hinter der nächsten Ecke bzw. seine Rückwand. Die erinnert aber tatsächlich dermaßen deutlich an den Balkon der Nasridenpaläste zum Albayizin, dass ich nicht weiter nachdenken muss. Leider kann man hier aber nicht rein. Ich hätte eben doch die andere Gasse direkt vor der Kirche San Miguel nehmen sollen, aber nach meiner Karteninterpretation waren die Chancen fifty-fifty für beide Wege. Oder ich hätte vorher jemanden fragen sollen, bevor sich jetzt vermutlich die drei jungen Rastas hinter der nächsten Ecke kaputtlachen. Aber egal, jetzt ist es jedenfalls sicher nach zwei. Versucht hab ich es jedenfalls.

Durch die jetzt in der Mittagssonne weiß strahlenden Wege und Treppen machen wir uns an den Abstieg zur Kathedrale. So treffen wir auf die Calderaia Nueva und Vieja, die den Albayizin von der Kathedrale aus verbinden, auch noch eine neue Erfahrung. Abgesehen davon, dass sich hier eine gemütliche Teestube mit kleinen Snacks an die andere reiht, geht es hier zu wie in der Alcaizeria, dem Touristenbazar bei der Capilla Real. Auf diese Weise kann Lore als Flohmarktersatz noch an dem einen oder anderen Kleidchen herumfingern und wir erstehen schon mal die ersten Postkarten, um die Pflichtaufgaben baldmöglichst erledigen zu können.

Wenn Sie dem Verlauf dieser Reise folgen möchten

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Und hier der Gesamtüberblick dieser Reise mit allen Berichten


© 2004-2014 by Martin Haisch Gastromartini gastrobetreuung.de

Zuletzt aktualisiert am 27. Mai 2014

Mit ausdrücklichem Dank an Apachefriends und alle Open-Source-Entwickler, deren Arbeit solche Projekte erst ermöglicht
sowie an Lore für Begleitung und Ertragen programmierungstechnisch bedingter Abwesenheiten

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