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Reisebericht zu Andalusien→Sevilla→Real Alcazar Barrio Santa Cruz

Hohe Maurische Kunst und ruhige Parkanlagen im Real Alcazar von Sevilla

Palast Peter der Grausame

Mit gemischten Gefühlen lassen wir uns noch ein weiteres Mal auf Schlange stehen vor einer so genannten touristischen Sensation ein und warten auf Einlass in den Real Alcazar. Tatsächlich aber gibt der Patio de las Doncellas diesen Lorbeeren recht, wo kleine Schmuckstücke warten, die es auch in der Alhambra von Granada nicht zu sehen gibt. Und die Parkanlagen bieten tatsächlich eine Oase der Ruhe im quirligen sevillaner Stadtleben.

In den Erwartungen zurückhaltend nähern wir uns also der zweiten Hauptsehenswürdigkeit Sevillas, dem Real Alcazar, also der königlichen Burg, gleich hinter der Kathedrale. Unseren Besuch dort hatten wir im Vergleich zu anderen andalusischen Highlights wie der Alhambra schon als eher unspektakulär empfunden, und jetzt empfangen uns wieder die ungeliebten Schlangen und Schulklassen vor dem Einlass. Nur mit Mühe kann ich Lore zur neuerlichen Entrichtung eines Besichtigungs-Obolus bewegen.

Löwenhof und Jagdhof bieten unspektakuläre Einblicke in den Real Alcazar…

Der Beginn des Besichtigungsparcours scheint Lore Recht zu geben. Die Schlange am Einlass setzt sich zunächst fort bei den folgenden Stationen, und die ersten Höfe reißen uns jetzt nicht gerade visuell vom Hocker. Ich vergesse auch, ihr zu berichten, dass das königliche Schloss natürlich bis heute ein solches ist und Juan Carlos mit Familie gewöhnlich im ersten Stock um den Patio de la Monteria zu residieren pflegt, wenn er in der Gegend ist. Das hätte ihr früher in dieser Richtung empfängliches Jungmädchenherz zum Klopfen gebracht. Er ist aber momentan eh nicht da, sondern weilt zur Sorge der Nation in irgendeinem Krankenhaus, warum habe ich leider in den spanischen Nachrichten nicht verstanden.

Immerhin kündet im Admiralssaal ein eindrucksvolles Breitwandbild von früherer Entdeckergröße der spanischen Marine und wir nehmen die erste bildliche Darstellung von Indianern auf europäischen Boden zur Kenntnis. Der angrenzende Audienzsaal scheint in seinem Hintergrund auf den ersten Blick nur eine museale Ansammlung von Fächern bieten zu können, birgt aber doch eine Überraschung: Eine frühe Darstellung des hiesigen Kults der einzelnen Bruderschaften, sehr detailgenau, in einer langen Prozessionsanordnung gibt auch dem modernen Sevillabesucher einen schönen Überblick über die hiesigen Hermanidades. Die frühen Comics können auch ohne Worte überzeugen.

…der Patio de las Doncellas Peters des Grausamen dagegen echte Sensationen

Unsere noch etwas abfällige Grundstimmung hellt sich aber schnell auf, als wir den Palast von Peter dem Grausamen, den Palacio del Rey Don Pedro, ansteuern, sozusagen der historische Kern des Stadtschlosses. Dem Patio de las Doncellas mit seinem Kanalbecken im Zentrum merkt man das alhambrische Vorbild deutlich an, aber die Kopie ist gelungen. Hier liegt das maurisch geprägte Ensemble, das wir uns vorgestellt haben.

Und in den angrenzenden Räumen finden wir endlich, was wir seit unserem Granada-Besuch vor einem Jahr so vermisst haben. Die fein ziselierten Steinmetzornamente, in Töne von Blau und Gold gehaltene Spitzbögengänge, deren Ausformung sich perspektivisch weiter nach oben in die Innenhöfe schrauben. Das braucht sich hinter Granadas Alhambra nicht mehr zu verstecken und wie schon dort findet sich auch hier im Treffpunkt der Botschafter, dem Salon de los Embajadores, die Sensation:

Über goldverbrämten Balkonen im ersten Stock, von wo sich vielleicht der grausame Pedro etwas abgehoben präsentiert haben mag (oder seine Frauen), schwingt sich eine Zedernholzkuppel in die Höhe, mit Tönen von Rot und Gold hinterlegt, wie ich noch nie etwas Vergleichbares gesehen habe. Im Halbdunkel sieht es aus, als würde man in die aufgeschnittene Hälfte einer Orange hineinschauen und könnte aber zugleich durch das Fruchtfleisch hindurchschauen. Allein diese Kuppel straft jeden Lüge, der meint, in Granada und Cordoba bereits alles Sehenswerte an maurischer Palastbaukunst gesehen zu haben.

Oase der Ruhe im quirligen Stadtleben Sevillas: Banos und Gärten im Real Alcazar

Gefangen von der Detailversessenheit maurischer Steinmetze streifen wir einfach Wahl- und führerlos durch die Räume des Peterspalasts und gelangen so automatisch in die angrenzenden Gärten, wo es angenehm still zugeht im Vergleich zum touristischen Auflauf innerhalb der Mauern.

Mehr zufällig entdecke ich noch die Banos, eine unterhalb der Palasträume angeordnete Badeanstalt, deren modrige Stille und weite Kanalstränge imposant wirken, aber auch an Szenen aus dem "dritten Mann" in Wien erinnern. Alleine und bei Kerzenschein könnten Königs es hier aber durchaus gemütlich gehabt haben. Schon beim Hineingehen tun mir die dort eingesperrten archäologischen Sträflinge leid, die in abgesperrten Seitengängen einzelne Ziegel feilen und pinseln. Pflichtschuldig schaue ich noch bei Karl V. vorbei, der natürlich auch hier seine königlichen Spuren hinterlassen hat. Aber die riesigen Wandteppiche in seiner Palastabteilung wären andernorts vielleicht bemerkenswert, können aber den maurischen Einzigartigkeiten einfach nicht das Wasser reichen.

Wasser der besonderen Art genießen wir noch ums Eck unter der Galeria del Grotesco. Der Name passt. Während in Granadas Generalife ausgeklügelte Springbrunnenreihen die Besucher umschmeicheln, besteht das Wasserspiel hier quasi aus einer verlängerten Regenrinne, von der aus im ersten Stock ein künstlicher Wasserfall in das Becken zu Füßen besagter Galeria fällt, das ist fast schon wieder komisch. Auch wenn man von der Galerie den angeblich besten Blick auf die umfangreichen Gartenanlagen rund um den Real Alcazar genießen können soll, haben wir jetzt genug und ziehen uns ohne Draufsicht in diese selbst zurück.

Da wird es tatsächlich schnell still und friedlich. An jedem der Knotenpunkte im Gitternetz der Wege durch die Anlage finden sich fayencegeschmückte, halbrunde Steinbänke, und auf einer solchen lassen wir uns jetzt unter der fast zu wärmenden Sonne nieder und machen Pause. Kaum zu glauben, dass man für eine solche Ruhe Schlange stehen musste.

Bevor wir den Real Alcazar wieder verlassen, hätte sich an der Nordmauer der Gärten noch das Museumscafé als Brotzeitplatz angeboten. Es erscheint uns aber zu mondän, und so bleibt es beim Toilettenbesuch für Lore. Während ich so warte, fallen mir die seltsamen, blauen Blumentöpfe im kleinen Vorgarten der Terrasse auf, die sich aber bald bewegen. Erst so fällt mir die blauschillernde Pfauenfamilie tatsächlich auf, die hier wohl ihre Heimstatt gefunden hat. Mit dem Rad wird es aber nichts, leider.

Die Brotzeit nehmen wir dann doch lieber im angrenzenden Santa-Cruz-Viertel ein. Die Fleischbällchen sind zwar lauwarm, trotzdem gut und das Ambiente etwas lebhafter, vermutlich auch günstiger als in der Cafeteria des Real Alcazar. Wie versprochen ist auch Lores T-Shirt-Laden um die Ecke, so dass nach ausgiebiger Pause erfolgreiches Shoppen ansteht. Mit guter Laune kann ich sie daher noch auf mein gestern entdecktes, persönliches Highlight, den Espacio Metropol Parasol an der Plaza Mayor lotsen.

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Und hier der Gesamtüberblick dieser Reise mit allen Berichten


© 2004-2014 by Martin Haisch Gastromartini gastrobetreuung.de

Zuletzt aktualisiert am 27. Mai 2014

Mit ausdrücklichem Dank an Apachefriends und alle Open-Source-Entwickler, deren Arbeit solche Projekte erst ermöglicht
sowie an Lore für Begleitung und Ertragen programmierungstechnisch bedingter Abwesenheiten

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