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Reisebericht zu Andalusien→Sevilla→Stadtviertel Triana

Spaziergang durch Triana, Sevillas Viertel der Seefahrer und ihre Kapelle

Sevilla, Capilla Marineros, Markthalle

Die Triana wollte ich unbedingt besuchen, weil hier auch einige Kandidaten für Ferienwohnungen in Sevilla zu finden waren. Tatsächlich wechselt im Viertel Licht mit Schatten. Der Bereich um die Plaza de Cuba ist schlicht neu gebaut mit viel Beton und hässlich, zum nördlichen Ende hin wird es aber schnell in den kleinen Gassen beschaulich und auf den Plätzen ziemlich lebendig. Besonders die kleine Capilla de los Marineros hat es mir angetan.

Lore beschließt, heute einen Ruhetag auf der Garagenterrasse einzulegen. Das ewige Traben durch die heißen Gassen der Großstadt ist ihr zu anstrengend. Ich werde also den Sonntag zu einem einsamen Gewaltmarsch nutzen, um die äußeren Viertel von der andalusischen Hauptstadt Sevilla kennen zu lernen. Vielleicht habe ich ja Glück, und kann zumindest vormittags auch noch einige der kleineren Kirchen von Innen sehen, in denen jetzt sicher Gottesdienste stattfinden und die sonst so gerne verschlossen sind.

Das hässliche Ende der Triana an der Plaza de Cuba öffnet sich schnell zu einem beschaulichen Uferspaziergang

Wie in Mairena gibt es auch in Sevilla eine Plaza de Cuba. Dort verlasse ich die Metro, um meinen heutigen Besichtigungsparcour in der Triana zu beginnen, dem ehemaligen Seefahrerviertel der Hauptstadt. Hier zeigt sich erst einmal das hässliche Antlitz dieses Viertels, dessen Ansichten mich von meinen ursprünglichen Plänen abrücken ließen, hier Quartier zu nehmen. Bei den angebotenen Adressen war nicht hinlänglich genau abzugrenzen, ob sie sich nicht innerhalb der modernen Wohn- und Geschäftszweckbauten befinden, die hier um mich herum in den Himmel ragen und dunkel staubige Straßenschluchten erzeugen.

Ich folge dem lauten Verkehrsstrom in Richtung der San Telmo-Brücke, wo er dann über den Guadalquivir braust und sich am anderen Ufer in den Altstadtring einordnet. Vor der Brücke zweigt nach links die Calle Betis ab, die Uferpromenade am Fluss auf der Triana-Seite. Sofort wird es ruhiger, und nach wenigen Schritten weichen auch die gesichtslosen Wohn- und Geschäftskomplexe der niedrigen ursprünglichen Bebauung mit zwei- oder dreistöckigen Bürgerhäusern in weiß oder ziegelrot. Vor den meisten spenden kleine Bäume in schmalen Vorgärten Schatten.

Zum Ufer hin reihen sich die Pavillons der Cafés und Restaurants locker aneinander, unterbrochen von großzügigen Terrassen, mal gemütlich urig, mal stylisch chromglänzend ausstaffiert. Dahinter muss wohl noch ein Weg direkt am Ufer verlaufen, aber die Geländer der verschachtelt angelegten Gastronomiebalkone erlauben mir keinen Zutritt dorthin. Immerhin gestatten sie den Ausblick auf das andere Ufer, wo sich hinter den Uferauen und der Allee des Altstadtrings Sevillas Prunkbauten wie die Giralda und die Maestranza von der Silhouette abheben.

Anscheinend ist es gelungen, die Calle Betis als Wohnstraße für die Anrainer zu gestalten, der einbahnige Sonntagsverkehr läuft jedenfalls angenehm ruhig und schläfrig nebenher, so dass man ihn kaum wahrnimmt. Genauso ruhig geht es auf dem Fluss zu, einige Kajakfahrer drehen ihre Runden zwischen halb leeren Ausflugsbooten.

Die Lebensadern der Triana: Calle Betis und Calle Pureza

Durch eine der Seitengassen schlage ich mich mehr ins Innere des Viertels. Parallel zur Calle Betis verläuft die Calle Pureza, die mir trotz der Enge die Hauptschlagader des Viertels darzustellen scheint. Auf den Freiflächen um die Kirche Santa Ana tobt das lokale Leben.

Die Pfarrkirche spare ich mir, ich möchte unbedingt den späten Sonntag Vormittag nutzen, vielleicht anlässlich einer Messe die kleine Capilla de los Marineros sehen zu können, die einer der berühmtesten Marienfiguren beherbergt, die in der Karwoche mit Pomp und Gloria zur Kathedrale getragen werden. Ihre Fassade ist von den umliegenden Wohnhäusern nur durch die oben aufgesetzte Glockenturmwand zu unterscheiden. Unvorbereitet könnte man sie auch problemlos übersehen.

Das Sonntagsglück lacht mir. Die Tür ist offen, und von innen dringt mir das leise Gemurmel des stattfindenden Gottesdienstes entgegen. Das kleine, schmucklos weiß gekalkte Mittelschiff ist gut besucht und ich drücke mich vorsichtig unter den Schutz der Seitenarkaden, um die Feier nicht zu stören. So ist der Vorteil, die Kapelle überhaupt geöffnet zu finden erkauft mit dem Nachteil, die schönen Figuren weder aus der Nähe betrachten zu können noch heimliche Andenkenfotos machen zu können.

Die Capilla de los Marineros, Inbegriff gelebter Spiritualität der Bruderschaften Sevillas

Eindrucksvoll thront die Esperanza de Triana in einem Kerzenmeer vor dem goldglänzenden Retabel und blickt traurig über die Schar der Gläubigen. Dieses Bild lässt sich später im Internet natürlich noch genauer betrachten, wo die schönen Konturen der Marienstatue noch besser zur Geltung kommen. In den Seitenkapellen gegenüber wohnt ein goldverbrämter Kasten, den ich für die Sänfte halte, auf der die Madonna herumgetragen wird, darauf und daneben weitere, ausgesprochen schön gestaltete Barockfiguren, die Passionsszenen darstellen sowie eine Weihnachtsgruppe.

Hier, in diesem kleinen Raum, lässt sich auf jedem Quadratzentimeter das immer noch gelebte Zeremoniell der kleinen Bruderschaften, der Hermanidades der einzelnen sevillaner Stadtviertel erkennen und erfühlen. Mangels Bewegungsmöglichkeit lasse ich eben meine Augen spazieren gehen und versuche, so viel wie möglich von dieser Atmosphäre aufzunehmen. Dieser Ort erscheint mir weit mehr Inbegriff der Spiritualität darzustellen als die gewaltige Kathedrale, wohin die meisten der hier versammelten Schmuckstücke zu Ostern wandern und deren Konzentration auf engem Raum zu einem längeren Verweilen einladen.

Wie die Capilla de los Marineros sind nicht alle dieser kleinen Viertelkirchlein auch äußerlich architektonische Schmuckstücke wie die schon bewunderte Capilla San José nahe der Calle Sierpes. Im Inneren aber bestechen sie sämtlich durch diese Kleinodien, die mit dem jeweiligen Kult der Hermanidades zusammenhängen und bekommen so jede für sich eine individuelle Besonderheit.

Ich sende ein kleines Stoßgebet zu den Seefahrern, deren Geist wohl hier versammelt ist und schleiche mich leise wieder zurück auf die Calle Pureta. Die führt direkt auf die Plaza Altozano, wo die Brücke von Isabella der Zweiten das nördliche Ende des Triana-Viertels markiert.

Im Zentrum der Triana am nördlichen Ende: Markthalle und Demos in der Fußgängerzone

Eine breite Treppe führt dort hinauf, in einer Art Brückenwärterhäuschen ist ein Café untergebracht, von dessen Angebot einige Gäste an Stehtischen profitieren. Der Rest verteilt sich locker über die Stufen. Hier geht es offensichtlich eher entspannt zu, genauso bei den Anglern, die unten am Quai des Guadalquivir gleichmütig auf ihre Schnüre starren. Nach links kann ich ins Zentrum der Triana schauen, wo Pavillons und Transparente eine lärmende Menschenmenge einrahmen.

So eine schöne, spanische Demo würde ich mir ja schon gerne anschauen, anstatt Occupy immer nur im Fernsehen abzugaffen. Ich habe aber noch ein strenges Programm vor mir, das ich aus puren Lustgründen nur ungern kürzen würde. Etwas unschlüssig versuche ich, die Lage zu beurteilen, während ich auf die andere Straßenseite wechsele. Auf diese Weise entdecke ich immerhin die unterhalb des schön verzierten, nördlichen Brückenhäuschens gelegene Markthalle der Triana. Heute ist sie natürlich geschlossen, aber zu einem späteren Zeitpunkt könnte es ja nützlich sein, diese Lokalität zu kennen.

Letztlich entschließe ich mich, mein Besichtigungsprogramm fortzuführen. Die später entdeckten, plakatierten Aufrufe zur Protestveranstaltung haben mich nur so lange betrübt, bis ich gemerkt habe, dass sie den gestrigen Tag betroffen haben. Auf dem späteren Rückweg habe ich den Platz nochmals besucht, dann zwar ohne Transparente, aber mit demselbem lärmenden Treiben größerer Volksaufläufe. Da war ich dann schon gar nicht mehr so sicher, ob ich nicht vielleicht nur das ganz normale, spanische Lamento gesehen habe, wie es überall stattfindet.

Der Trubel war jedenfalls noch genauso ohrenbetäubend wie am Vormittag. Pavillons und Transparente könnten auch die sehr vereinzelten Verkaufstische einzelner Flohmarktverkäufer gewesen sein. Das Highlight war jedenfalls eine offensichtliche Touristenfamilie, die auf einer der Bänke in der Platzmitte zum Ausruhen Platz genommen hatte. Vater, Mutter und kleiner Sohn ruhten sich einträchtig aufgereiht aus, jeder mit geschlossenen Augen Kopf an Schulter des Nebenmanns, der Vater am Ende abgestützt an einen Laternenpfahl. Dieses wunderschöne Foto habe ich mich dann doch nicht getraut, das laut geschwätzige Leben um sie herum hat ohnehin keine Notiz davon genommen, als sei es das Selbstverständlichste von der Welt, sich mitten im Auge des Orkans eine Auszeit zu nehmen.

Wenn Sie dem Verlauf dieser Reise folgen möchten

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Und hier der Gesamtüberblick dieser Reise mit allen Berichten


© 2004-2014 by Martin Haisch Gastromartini gastrobetreuung.de

Zuletzt aktualisiert am 27. Mai 2014

Mit ausdrücklichem Dank an Apachefriends und alle Open-Source-Entwickler, deren Arbeit solche Projekte erst ermöglicht
sowie an Lore für Begleitung und Ertragen programmierungstechnisch bedingter Abwesenheiten

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