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Reisebericht zu Madeira→Calheta→Prazeres Levada Nova

Gemütliche Wanderung entlang der Levada Nova von Prazeres nach Calheta mit Besuch des Bauernmarkts

Spaziergang durch Eukalyptuswälder

Für den eher kleinen Bauernmarkt in Prazeres sind wir etwas spät dran und erstehen nur notwendige Kleinigkeiten. Die Wanderung entlang der Levada Nova gestaltet sich aber sehr gemütlich, bis in Calheta die ersten Industrieanlagen bis in diese entlegenen Höhenlagen hinaufwachsen. Trotzdem verschaffen uns schönes Wetter und schattige Eukalyptuswälder einen ruhigen und schönen Spaziergang.

Lore hat eine ungute Nacht hinter sich. Vor lauter Kreuzschmerzen wegen der harten Matratze hat sie wohl jedes Schnaufen meinerseits fälschlicherweise als Schnarchen interpretiert und ist schließlich mit allen Klamotten und Decken, die sie greifen konnte, auf den Balkon gezogen und hat sich in eine der Plastikliegen gerollt. So eingewickelt war es angeblich sehr gemütlich.

Das Frühstück fällt jedenfalls eher spärlich aus und sie möchte heute lieber nicht so viel im Auto spazieren gefahren werden, weil das ewige Bremsen ins Bodenblech der Beifahrerseite auch auf die Lendenwirbel schlägt. Angesichts des ansehnlichen Wetters beschließen wir daher, die geplante Wanderung an der Levada do Nova von Prazeres aus heute anzugehen. Dort können wir vorher noch den sonntäglichen Bauernmarkt besuchen. Die Hinweisschilder dorthin haben wir ja bei der Fahrt zum gestrigen Abendessen bereits ausspioniert.

Den lokalen Bauernmarkt am Sonntag besuchen wir heute in Prazeres

In Prazeres geht es etwas kleiner und urtümlicher zu als eine Woche zuvor in Estreito Camara dos Lobos. Eine kleine Nebenhalle seitlich einer riesigen Auktionshalle mit entsprechendem Parkplatzaufgebot beherbergt die örtlichen Bauern, die dafür auch sehr ländlich und nicht wie Händler aussehen. Wir sind natürlich wieder spät dran, alle Verkäufer befinden sich schon im Aufbruch, als wir uns endlich einfinden. Einer der Bauern drückt mir beim Abbauen seine letzte Anona in die Hand, bevor er sie wieder heimschleppen muss. Ist schon in Ordnung, Junge, ist umsonst, oder so ähnlich murmelt er mir auf zahnlosem Portugiesisch zu. Wir kaufen die benötigten Zwiebeln und einen Bund Petersilie, in der Hoffnung, nicht wieder versehentlich ein nach Anis schmeckendes Gewächs erstanden zu haben.

Ansonsten fühlen wir uns aber auch nicht zu Spontankäufen hingerissen. Wie schon gestern Abend macht sich hier in der Halle bemerkbar, dass wir uns auf dem Teil der Insel befinden, dessen Eroberung touristischer Grundlagen zumeist die Deutschen in Angriff genommen haben: Gleich am Eingang thront ein richtiger, gezimmerter Stand von irgendeiner esoterischen Quinta, der hätte sogar mondgerecht eingekochte Marmeladen zu verkaufen. Schwer zu übersehen, wie er sich von den eher ärmlichen Auslagen der eingesessenen Bauern abhebt. Doch hier machen wir einen größeren Bogen.

Bequemer Zugang zur Levada do Nova in Prazeres, wo Dschungel und Eukalyptuswälder auf uns warten

Jetzt aber ab ins Levada-Abenteuer. Den Eingang haben wir ja auf der Fahrt nach Porto Moniz und Seixal zu den Lavabecken schon ausgekundschaftet. Dahinter prangt auch gleich das Schild der Europäischen Gemeinschaften, auf dem zu Lesen steht, dass wir die Renovierung bezahlt haben. Dafür werden die ersten hundert Meter in jeder Richtung auch von richtig schönen Palmenblütengewächsen gesäumt mit roten Flaschenbürstenblüten an der Spitze. Das Spalier dient wahrscheinlich zur Beruhigung, falls die Herrschaften mal nachschauen kommen, wofür ihr Geld verwendet wurde. Immerhin kommen jetzt wir und finden das ganz in Ordnung. Hinter einigen Ausläufern von Neubausiedlungen wird es dann schnell dschungelmäßig grün um uns herum.

Ein gemütlicher, genügend breiter und stabiler Pfad führt neben der Levada durch ausgedehnte Eukalyptuswälder. Lore beschäftigt sich erst mal mit dem Aufklauben einer ansehnlichen Sammlung von abgesprengten Baumkapseln am Wegesrand, die sie demnächst Bastelzwecken im Kindergarten zuführen wird. Bächleins erstes Rauschen macht uns nicht groß bang. Wir wissen ja aus dem Wanderführer, dass uns hier keine besonders großen Abenteuer erwarten. Zu einer betonierten Bachbettüberquerung im handhoch darüber schnellenden Wasser reicht es aber doch. Ich springe zwar trockenen Fußes wie ein Rehlein akkurat über die im Bachbett eingelassenen, dreieckigen Wasserabweiser, Lore muss aber ihre Socken nicht mehr waschen.

Ein englisches Ehepaar überholt uns, dann wiederum wir sie. Er, ganz der Manager, voller Elan mit geballten Fäusten und kurzen Hosen immer vorneweg, sie etwas dezenter hintendrein. Sie werden unsere Wegbegleiter für heute bleiben, immer etwas vor oder hinter uns. Die wenigen Wanderer auf dieser eher abgelegenen Strecke kennen sich bald vom Sehen. Als sie wieder einmal so an uns vorbeitraben, möchte ich von Lore doch gerne wissen, warum bei allen anderen Leuten immer die Frauen die Rucksäcke tragen. Sie kontert sehr prompt, dass die dafür auch nicht nachts draußen auf der Türschwelle schlafen müssen, was mir sofort den Wind aus den Segeln nimmt.

Die Zivilisation rückt bedrohlich näher: Estreito de Calheta liegt bereits direkt an der Levada Nova

Nach zwei Wegstunden rückt die Zivilisation der Landschaft vom Tal her wieder auf den Pelz, ähnlich, wie wir es gestern an der Levada dos Tornos beobachtet haben. Vermutlich über Estreito de Calheta wächst ein neues Industriegebiet den Hang herauf direkt bis an die Levada. Gleich darunter wurde ein riesiger Parkplatz frisch asphaltiert und wartet auf die zukünftig erwarteten Arbeiter. Die Fläche ist sogar auf den Google-Maps-Sattelitenaufnahmen von 2008 gut zu sehen, nicht allerdings, wozu sie dienen soll. Rundherum ist jedenfalls alles leer. Ob sie die katastrophalen Fluten, die kurz nach unserer Heimkehr über Madeira hereinbrechen werden, überlebt haben, weiß ich nicht. Aus der ebenso riesigen Gärtnerei über uns kläfft grimmig der Wachhund. Vermutlich kann man in weiteren zehn Jahren an jeder Straßenecke in eine Levada einsteigen und muss sich nicht mühsam Ein- und Ausstiege suchen.

Wir erreichen jetzt den "Point of no return", an dem wir nun endgültig entscheiden müssen, ob wir lieber zu Fuß zum Auto zurückkehren wollen oder weiter nach Calheta gehen, den sehr steilen Abstieg über die Strasse wählen und dann mit dem Taxi nach Prazeres zurückfahren. Lore entscheidet sich dann doch für die Rückkehr zum Auto. Vermutlich ziemlich vernünftig, weil ein steiler Abstieg genauso anstrengend sein kann wie ein Aufstieg und für ihre Schnaufe nur vordergründig einfacher. Zwar gelangen wir jetzt langsam an die Grenzen unserer immer noch ungeübten Kondition, aber das Gehen auf gleichen Höhenlevel und die Heimfahrt mit dem eigenen Auto erhalten die Oberhand bei der Auswahl der Alternativen.

Wir treffen noch den Levadeiro kurz hinter seinem schönen, blumengeschmückten Haus. Freundlich grinsend wünscht er uns ein fröhliches "Much weather today, yes", und da müssen wir ihm zustimmen. Zu seinem Glück befindet sich sein Dienstsitz auf der Calheta zugewandten Seite der Levada, wo der Wasserlauf schön gepflegt dahingluckert. Entlang der Prazeres-Seite, wo häufig Haufen verwelkter, abgesäbelter Farnpflanzen die Rinne verstopfen, hätte es von Lore sicherlich einen berechtigten Anschiss gegeben.

Glücklich und zufrieden nehmen wir am Auto nach etwa vierstündiger Wanderung den gemütlichen EU-Rastplatz mit betonierten Kinderstühlen in Anspruch. Wir haben einen sicher wenig spektakulären Weg genommen, dafür aber wie schon in Rabacal die Natur in vollen Zügen und mit wenig Publikum genießen können verbunden mit dem Vorteil aller Levadawanderungen: Der Höhenunterschied, der Lore immer zu schaffen macht, ist minimal.

Des Abends wird gerade noch die übrige Bolognese aufgewärmt und ein inhäusiges Notlager auf der Sonnenliege für Lore in der Küche bereitet, damit sie bei Kreuzschmerzen nicht wieder im Freien nächtigen muss. Außerdem drehen wir kurzerhand die Matratze um. Dann sinken wir aber doch reichlich müde in die Federn.

Wenn Sie dem Verlauf dieser Reise folgen möchten

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Und hier der Gesamtüberblick dieser Reise mit allen Berichten


© 2004-2014 by Martin Haisch Gastromartini gastrobetreuung.de

Zuletzt aktualisiert am 27. Mai 2014

Mit ausdrücklichem Dank an Apachefriends und alle Open-Source-Entwickler, deren Arbeit solche Projekte erst ermöglicht
sowie an Lore für Begleitung und Ertragen programmierungstechnisch bedingter Abwesenheiten

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