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Reisebericht zu Andalusien→Costa de la Luz→Vejer de la Frontera, Medina Sidonia

Weiße Dörfer an der Costa de la Luz: Vejer und Medina Sidonia

Steile Gassen und gemütliches Dorfleben abseits der Touristenstrecken

Weiße Dörfer abseits der ausgefahrenen Routen erleben wir in Vejer und Medina Sidonia direkt an der Costa de la Luz, ohne gleich bis in das berühmte Ronda fahren zu müssen. Wie ein Adlernest wacht Vejer mit authentischem Dorfleben über das Umland und die alte Herzogstadt Medina Sidonia besticht bereits durch seine fast toskanisch anmutende Lage. Ein erneut kühles Strandschläfchen rundet den Tag ab.

Heute ist das Wetter jetzt richtig schlecht, kalt und regnerisch. Baden fällt also aus. Im letzten Jahr sind wir bei unseren Ausflügen an zwei kleinen Dörfern vorbei gefahren, die ich eigentlich mal anschauen wollte, obwohl sie in den Reiseführern höchstens beiläufige Erwähnung finden, Vejer de la Frontera und Medina Sidonia. Sie liegen in der nächsten Umgebung, die restliche Zeit wird knapp, und sonst gibt es in Anbetracht des Wetters kaum Anderes zu tun. Also machen wir uns auf den Weg.

Steile Gassen und gemütliches Dorfleben in Vejer de la Frontera

Nach den Erfahrungen des letzten Jahres, als ich nicht einmal vernünftig in unser Heimatdorf Conil hineingefunden hatte, habe ich mich bereits im Vorfeld mit Google Maps eingedeckt. Für Vejer de la Frontera hätte ich mir das sparen können. Einem Adlernest gleich hockt das Dorf um die Spitze eines Berges gruppiert und es gibt ohnehin zur zwei Zufahrten. Nachdem wir die kurvige Auffahrt von der Autobahn gemeistert haben lassen wir den ausgeschilderten Touristen-Parkplatz links liegen. Er liegt erkennbar noch zu weit unten, die von hier aus noch zu erklimmende Steigung wäre zuviel für Lores Asthma.

Auch weiter oben entlang der Calle Remedios, die sich die Bergflanke entlang schlängelt, gibt es noch reichlich Parkplätze. Wir ergattern einen ziemlich nahe an der breiten Straße, auf der wir den Zugang zum eigentlichen Ortskern vermuten. Sogar diese wäre noch befahrbar gewesen, wir sind aber gut beraten, diesen Versuch nicht zu wagen. Vejers Ortskern windet sich noch um einen inneren Talkessel, und wer sich mit dem Auto hier hinein verirrt, sollte gute Nerven besitzen. Ist selbst mit kleinen Autos das Befahren der engen andalusischen Ortsgassen selten ein Vergnügen, kommen in Vejer noch atemberaubend steile Auf- und Abfahrten hinzu. Sicherer Umgang mit der Handbremse ist also zweite Grundvoraussetzung.

Weiße Dörfer unter einem grauen Regenhimmel kommen natürlich nie gut weg. Und Vejer ist ein richtig weißes Dorf. Steil nach unten oder steil bergauf zur Kirche, überall ziehen sich die weiß gekalkten Häuser mit den typischen Dachterrassen zwischen engsten Gassen und Bögen hin. Wir schlendern einfach mal los und versuchen, einigermaßen auf gleicher Höhe zu bleiben. Hinter dem alten Gemäuer des Konvents von San Franceso gleich rechts finden wir eine kleine Markthalle. Etwa zehn Stände hatten hier ihre Waren angeboten, jetzt sind sie allerdings bereits am Abbauen. Ein alter Opa am Gehstock grinst mich zahnlos, aber freundlich an. Die ausgestreckte Bettelhand bemerke ich erst auf den zweiten Blick. Soweit ist es also gekommen mit der Altersversorgung in Spanien.

Die Läden entlang der kaum befahrenen Gasse sind ganz offensichtlich auf Touristen ausgerichtet. Es gibt aber nicht den üblichen Postkarten- oder Kastagnettenramsch, sondern hochwertige Produkte aus eigener oder örtlicher Produktion, Honig, Marmeladen, Liköre und auch Körperpflege. Schöne Dinge, die sich unser Opa aber ganz offensichtlich nicht leisten würde.

Angesichts der Steigungen belassen wir es bei dem kleinen Rundgang. Wir finden ein gemütliches und authentisches weißes Dorf, das sich der Touristen durchaus bewusst ist, ohne sich dadurch verbiegen zu lassen. Im Vergleich zu den touristisch in den Reiseführern so hochgelobten weißen Dörfern auf der Strecke nach Ronda können wir uns hier diesen Inbegriff jedenfalls vorstellen, auch wenn Zuheros unser Allzeit-Favorit in dieser Disziplin bleiben wird. Vejer de la Frontera landet aber unangefochten auf Platz Zwei.

Fundacion NMAC

Skulpturenpark für Kunstfreunde abseits der ausgetretenen Pfade. Habe ich leider erst bei der Nachrecherche entdeckt.

Durch den Blizzard ins Hinterland der Costa de la Luz nach Medina Sidonia

Durch die von Vejers Höhenlage bereits überschauten Hügellandschaften im Hinterland der Costa de la Luz machen wir uns auf den Weg nach Medina Sidonia. Auf dem Rückweg unserer ersten weiße-Dörfer-Rundreise nach Ronda im letzten Jahr waren wir dort durchgekommen. Die ehemals glanzvolle Herzogstadt thront ähnlich wie Vejer auf einem beherrschenden Hügel der umliegenden Landschaft und hat mich von der Lage her etwas an das toskanische Siena erinnert. Damals waren wir zu erschlagen für einen letzten Halt, und den wollen wir jetzt noch nachholen.

Auf der Landstraße wechselt das trübe Grau des Himmels zu einem blizzardartigen Dunkelschwarz, mit eingeschalteten Nebelscheinwerfern tasten wir uns durch den Weltuntergang. Pünktlich vor der Ankunft unterhalb der ehemaligen Metropole aber hat das Unwetter ein Einsehen und verzieht sich. Die südliche Einfahrt in den Ort lasse ich absichtlich links liegen, weil ich auf der mir noch erinnerlichen Durchfahrt der Straße von Arco de la Frontera nach Chiclana landen möchte, die den Ort zwischen Altstadt und Neustadt durchschneidet. Das war feige und wird mir auch nicht helfen.

Der Beschilderung von der A 390 von Chiclana ins Ortszentrum folgend gelangen wir trotzdem auf einer neuerlich unbekannten Auffahrt in die Stadt, die uns durch Kakteenwälder in Serpentinen nach oben führt. Lange Gassen führen hinein, die aber im Gegensatz zu den maurischen, eng aneinander gebauten Würfelbauten in Vejer eher an Cadiz erinnern. Auch hier alles weiß, aber mit den holzumfassten Fenster- und Türrahmen und überall mit den Alkovenbalkonen im ersten Stock ausgestattet.

Am Ende landen wir auch so ohne eigenes Zutun auf dem Hauptplatz, der Plaza Espana Mangels Park- oder Haltemöglichkeit sind wir aber Sekunden später auch wieder durch den Torbogen neben dem Rathaus am anderen Ende des Platzes wieder ausgespien. Macht aber nichts, der ausgeschilderte "Parking Gratuito" befindet sich tatsächlich wenige Meter weiter links auf einem offensichtlichen Abbruchgelände.

An der Einfahrt in diesen Hof haben sich zwei ältere Herren positioniert, die mir zunächst die offensichtlichen Parklücken zeigen. Im Gegensatz zum Bettel-Opa in Vejer legt man hier aber mehr Engagement und Fantasie an den Tag. Beim Verlassen des Geländes werde ich nicht um einen Obolus fürs Parken und/oder die "Bewachung" gebeten, sondern mit einem freundlichen Lächeln drückt man mir einen Tourismusprospekt der Gemeinde in die Hand. Wort- und gestenreich erklärt mir der selbsternannte Parkwächter die auf mich wartenden Sehenswürdigkeiten und markiert sie gleich mit einem Kugelschreiber auf der abgedruckten Ortskarte. Immer wieder versichert er sich mit tiefem Augenkontakt, ob ich ihm auch folgen könne. Ich bin sicher, dass auch ein Madrilene die schwer identifizierbaren Zischlaute nur unter Schwierigkeiten deuten könne, verstehe aber durchaus, in welche Richtung er mich lotsen möchte. Soviel Engagement ist uns einen Fünfer wert, den wir im Parkhaus von Cadiz schon fast ohne weiteres berappen müssten und haben, der Reaktion nach zu schließen, auch die erwartete Hilfe zur Selbsthilfe unterstützen können.

Toskanische Perle abseits der Touristenströme: Medina Sidonia

So viele Touristen beehren diesen Bergort im Hinterland nun auch wieder nicht. Unter dem regenschwangeren Himmel wirkt natürlich alles noch trister, es ist aber nicht zu übersehen, dass ein ehemals vorhandener Glanz ziemlich obaperlt, wie man in Bayern sagt. Die Markthalle hinter der Plaza Espana wird gerade wieder aufgebaut, der Platz selbst ist nun natürlich tot, wenn sich Siesta und Unwetter treffen. Einen ganz gemütlichen Sommerabend im Freien kann man sich trotzdem unschwer vorstellen.

Die Burg hoch oben auf dem Hügel wäre vermutlich sogar per Auto erreichbar und bietet sicher den Ausblick, den sich die ehemaligen Herzöge über ihr Herrschaftsgebiet versprochen haben. Heute ist das aber relativ sinnlos. Wir schlendern also einfach herum, etwas verständnislos bestaunt. Es ist offensichtlich, dass man sich hier um Tourismus bemühen möchte, aber heute?

Medina Sidonia ist nicht einmal ein Pueblo Blanco. Aber ein sehr gemütliches Bergdorf in einer tollen, exponierten Lage, die in der Toscana bereits als Sensation ausreichen würde und mit Menschen, die sich freuen, Gäste begrüßen zu dürfen. Der Strand ist eine halbe Autostunde entfernt und kulturhistorische Sensationen nicht vorhanden. Sein Flair aber steht den hochstilisierten Pueblos Blancos der letztjährig von uns befahrenen Touristenroute in gar nichts nach. Wäre es nicht auch ums Erleben gegangen, hätten wir uns einige hundert Kilometer im letzten Jahr sparen können.

In der Bäckerei gegenüber der zukünftigen Markthalle steigern wir noch etwas das örtliche Bruttosozialprodukt und decken für den Nachmittagskaffee ein. Die ausgestellten Teilchenhinter der barocken Ladentheke sehen auch zu verführerisch aus. Leider schlägt hier die maurische Wurzel auch durch. Sie schauen echt toll aus, schmecken aber hauptsächlich kläbrig.

Kühles Strandschläfchen in voller Montur am Cabo Roche

Daheim angekommen, wollen wir den Tag trotz der miesen Witterung noch nicht aufgeben. Nicht ganz uneigennützig teilen wir die frisch erstandene Kuchenplatte mit den beiden Hunden. Dann verschieben wir das Lesestündchen an den Strand. Schließlich könnte einer der nicht nur heute erlebten Wetterumschwünge ja auch mal zu unseren Gunsten ausfallen.

Unter dem Cabo Roche machen wir es uns in einer der Felsenkuhlen gemütlich. Mit Jacke und Pullover darunter kann man es hier tatsächlich aushalten, auch wenn die teilweise durch die Wolken blitzende Sonne nicht für echte Wärme sorgen kann. Das gleichbleibende Windpfeifen und der Wellengang sorgen aber dafür, dass wir mit den bequemen Felsplatten im Rücken einige Stunden vor uns hindämmern. Nicht einmal die vereinzelt um uns herum tappenden Spaziergänger reißen uns aus dem Halbschlaf.

Die Faulheit setzen wir bis in den Abend fort. Heute gibt es das Gulasch und die Bolognesesauce der letzten beiden Tage als Variation an Tortillas, und damit haben wir in Hinblick auf das jetzt schon nahende Urlaubsende auch die offenen Positionen unserer Haushaltsplanung geschlossen. Gekocht wird nur noch morgen, dann folgt das traditionelle Abschlußessen. Der letzte Abend in Malaga wird sowieso hotelmäßig verbracht.

Abgesehen vom Neuland Malaga bleibt ohnehin nur eine touristische Sensation für diesen Urlaub übrig, den ich mir für Lore als Krönung des Strandurlaubs ausgedacht habe. Im kleinen Ort Trebujena an der Südgrenze der Donana findet am folgenden Wochenende ein Markttreiben und Musikfestival statt mit angeblich richtigem Flohmarkt. Das werden wir uns neben fläzigem Strandliegen noch geben.

Wenn Sie dem Verlauf dieser Reise folgen möchten

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In eisigem Wind können wir den Sunset auch im Auto am Faro Cabo Roche nicht erwarten. Im geschützten Pinar kommt uns dafür ein Bild wie in afrikanischer Savanne vor die Linse

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Dia de Trebujena fällt wegen Schwindels aus, dafür blüht uns Sonnenbrand im Wind. Statt Flohmarkt gibt es Mitnehm-Pizza im Apartment unter Sternschnuppen mit den Hunden vom Olivar

Und hier der Gesamtüberblick dieser Reise mit allen Berichten


© 2004-2014 by Martin Haisch Gastromartini gastrobetreuung.de

Zuletzt aktualisiert am 27. Mai 2014

Mit ausdrücklichem Dank an Apachefriends und alle Open-Source-Entwickler, deren Arbeit solche Projekte erst ermöglicht
sowie an Lore für Begleitung und Ertragen programmierungstechnisch bedingter Abwesenheiten

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