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Nach den weiten Sandstränden von "La Borrosa" erleiden wir ein Wiedersehen mit Novo Sancti Petri

Reisebericht zu Andalusien Costa de la Luz → Conil Novo Sancti Petri

Sandstrand nördlich der Urbanizacion Roche

Das schlechte Wetter bietet uns nur Aussicht auf Besserung im Norden. Daher fahren wir nachmals nach Novo Sancti Petri, wo sich aber an der Tristesse einer in Beton gegossenen Touristeria nichts geändert hat. Das gilt auch für die Spießersiedlung in Roche. Wir trösten uns mit gelungenen Patatas Bravas und Fleischpflanzl

Wie angekündigt, bleibt uns das schlechte Wetter auch am nächsten Morgen erhalten. Wir bringen also gemütlich unseren Haushalt in Ordnung und ergänzen dann die Vorräte beim Mercadona. Dort treffen wir alle anderen Strandflüchter, die es genauso halten. Schließlich scheint es aber zumindest nordwärts etwas aufzuklaren und in mittlerweile bewährter Gewohnheit lenken wir unsere Erkundungspfade dorthin.

Sorgsam umhegtes Spießerleben in der Urbanizacion Roche

Letztlich folgen wir so dem Weg, den wir vor zwei Jahren auf der Flucht vor den Schrecken Novo Sancti Petris und daraus folgender Wohnungssuche gemacht haben, nur in umgekehrter Richtung. Etwas masochistisch, aber die Wetterhoffnung weist schließlich den Weg. Das leise Ziehen in der Magengegend fühlt sich an wie vor dem Kino, wenn man einen wirklich schrecklichen, aber schon bekannten Reißer anschauen will.

Die schmale Straße direkt entlang der Steilküsten führt zunächst am Cabo Roche vorbei und zieht sich dann schnurgerade nordwärts, bis die Urbanizacion Roche mit den von Mauern umsäumten Villen beginnt. Viel hat sich nicht geändert. Auf der Straße ist niemand zu sehen, dennoch wird sie pausenlos von massiven Stolperschwellen durchbrochen und an jeder wegen der Mauern praktisch uneinsehbaren Ecke herrscht Rechts vor Links. Notgedrungen kriechen wir wie immer durch den Ort.

Der große Spielplatz und das Schwimmbad im Dorfkern sind beide auch jetzt im Sommer offensichtlich nicht in Betrieb. Warum auch, wenn jede Villa über einen Riesengarten und einen Swimming-Pool verfügt. Kopfschüttelnd fahren wir weiter.

Hier spricht nicht der Neid, sondern Dankbarkeit, dass wir damals den durchaus vielfältig vorhandenen Angeboten im Internet nicht gefolgt waren. Wir haben nichts gegen komfortable Wohnungen, aber ein bisschen Leben drumherum möchte schon sein. Hier verschwindet aber offenbar jeder sofort hinter dem Rolltor seiner Burg und verlässt dieselbe nicht mehr, bis er am nächsten Morgen zur Arbeit fahren muss. Von Osten her ist das Gelände sogar durch Maschendraht und Security abgesperrt, wie wir bereits erleben durften.

La Borrosa für Einsame zwischen Roche und Novo Sancti Petri

Immerhin ist das Schlafnest bald durchquert und nördlich öffnet sich schnell wieder die Route zwischen Pinienwald und Macchia. Bevor wir ein Wiedersehen mit der Touristenhochburg an der Costa de la Luz feiern, biegen wir noch einmal ab in Richtung Meer, nachdem sich sogar vereinzelte Sonnenstrahlen durch den grauen Himmel kämpfen.

Breite, ausgewaschene Sandpisten führen in zwei Spuren zu einem riesigen Parkplatz. Mangels weiterer Belegung können bis zum meerseitigen Ende durchfahren, sonst hätten wir einen kleinen Spaziergang bewältigen müssen. Lore verzichtet auf weitere Erkundungen und genießt die Aussicht aufs Meer von oben.

Als Reiseerzähler kann ich mir das natürlich nicht leisten und stapfe den Weg hinunter zum Ufer, was sich aber lohnt. Der strahlend weiße Sandstrand zieht sich ohne Unterbrechung in beide Richtungen, soweit das Auge reicht. Selbst wenn alle Parkplätze oben belegt wären, findet sich hier immer noch problemlos ein einsames Plätzchen. Heute ist natürlich der ganze Strand ein einsames Plätzchen. Aber abgesehen von den nicht vorhandenen Sanitäreinrichtungen ist dieser Südteil des zu Recht berühmten "La Borrosa"-Strandes sicher eine gute Alternative für jeden, dem im Zentrum zu viel Rummel herrscht.

Für einen Badeversuch reichen die ersten, spärlichen Sonnenstrahlen aber noch nicht aus, zumal der stetige Wind einen hier vollkommen schutzlos trifft.

Im Centro Comercial Novo Sancti Petri: Das Grauen reloaded

Immerhin müssen wir erneut zugestehen, dass die riesigen Hotelanlagen zumindest mit einiger Fantasie gebaut worden sind. Die Skyline könnte man mit ihren rotbraunen Touch fast mit einer kleinen toskanischen Altstadt verwechseln, wenn man sich dem Moloch von Süden her nähert. Der Eindruck hat sich aber gleich erledigt. Schon am Ortseingang steht das erste Luxushotel und die schmale Küstenstraße verwandelt sich abrupt in ein Gewirr von Kreisverkehren und breiten Prachtstraßen.

Trotz meiner bekannt guten Orientierung bin ich selber erstaunt, wie ich mit traumwandlerischer Sicherheit zum Einkaufszentrum gegenüber dem kleinen Golfgreen finde, das sich wohl Ortszentrum nennen würde, wäre dies ein Ort und kein Agglomerat von Ferienwohnungen verschiedenster Gattung. Wir parken das Auto und freuen uns gleich über Grüße aus der Heimat vom gegenüberliegenden Schaufenster: Die Deutsche Bank ist scheinbar gerne dort vor Ort, wo gerade Immobilienkrise herrscht.

Im Inneren dieses riesigen, zweistöckigen, aus um drei Innenhöfe gruppierten Centro Commercial hat sich nur wenig verändert. Kneipen und Discos sind geblieben, die Supermärkte und Boutiquen auch, die Ladenlokale der Randlagen stehen leer wie eh und je. Hier hat man sich immer schon verirren können, aber auch beim Kreuz- und folgenden Quergang können wir den gemütlichen Tabak- und Zeitungsladen mit kleinem Lebensmittelangebot nicht mehr finden. Nach längerem Rätseln stellen wir fest, dass er einer Immobilienagentur weichen musste. Dafür gibt es jetzt einen Fahrradverleih, der auch e-Bikes vermittelt.

An den Schautafeln der Bars fällt mir erst auf, dass heute natürlich Samstag ist. Die Bundesligasaison hat längstens begonnen und zumindest für die größeren deutschen Vereine findet man hier überall eine Kneipe, in der man "seinen" Klub live verfolgen kann. Praktischerweise folgt die spanische Liga erst danach, so dass der gesamte Samstag gerettet ist. Die Tische sind auch gut gefüllt, nur ab und zu sieht man einige Ehefrauen, die ihre Gatten mit deutlicher Mühe am Geschehen vorbeizerren.

Da hat Lore jetzt keine Mühe mit mir. Freiwillig und plötzlich verlasse ich diese Dependance der nachmittäglichen Dortmunder Innenstadt. Fußball gibt es wieder daheim oder notfalls in einer spanischen Dorfkneipe.

Patatas Bravas aus der Tiefkühltruhe veritabler Ersatz für unsicheren Kartoffeleinkauf

Leider machen wir jetzt den entscheidenden Fehler. Das zunehmende Aufklaren stimmt uns optimistisch. Anstatt nach Cadiz weiterzufahren und damit der ursprünglichen Wetterprognose zu folgen, kehren wir heim in der Hoffnung auf Abendstunden am Strand. Dort erwartet uns aber dieselbe Nordseeküste wie gestern.

Immerhin gibt es zum Ausgleich abends die besten Fleischpflanzl (=Buletten für Nordlichter), die in Conil jemals in die Pfanne gekommen sind, weil von meiner Frau zubereitet. Ich bin für die Bratkartoffeln zuständig, und der Einfachheit halber haben wir uns diesmal für die Tiefkühlvariante entschlossen, um nicht wieder säckeweise Kartoffeln herumschleppen zu müssen. Das hat sich als Glücksgriff erwiesen. Während wir mit frischen Kartoffeln im Ausland sehr oft baden gegangen sind, weil entweder zu mehlig oder zu blass nach Farbe und Geschmack, kann man diese tatsächlich als echte Patatas Bravas ansehen, auch wenn wir die Zutatenliste sicherheitshalber mal nicht inspiziert haben.

Lore hat das Kartenspiel gleich zu Hause gelassen, um keine frustrierenden Abende erleben zu müssen, und so machen wir uns einen gemütlichen Couching-Abend mit Lesen, Fernsehen und Schreiben (also sie: zwei Drittel der geräumigen 6-Personen-Ledersofas hat sie sich zu einem breiten Königinnen-Diwan umgebaut). Der Wetterbericht verheißt auch für die nächsten Tage nichts Gutes und in Deutschland ist fast eine Woche nach der Wahl nichts bemerkenswertes passiert.

Wenn Sie dem Verlauf dieser Reise folgen möchten

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Weisses Dorf und Verkehrsknotenpunkt zugleich: Tarifa bietet neben seiner Lage viele Facetten, wie auch das nahe liegende Kloster und römische Ausgrabungen

Und hier der Gesamtüberblick dieser Reise mit allen Berichten


© 2004-2014 by Martin Haisch Gastromartini gastrobetreuung.de

Zuletzt aktualisiert am 27. Mai 2014

Mit ausdrücklichem Dank an Apachefriends und alle Open-Source-Entwickler, deren Arbeit solche Projekte erst ermöglicht
sowie an Lore für Begleitung und Ertragen programmierungstechnisch bedingter Abwesenheiten

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