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Freie Sicht auf die Straße von Gibraltar bietet heute das Castillo Guzman über dem Hafen von Tarifa

Reisebericht zu Andalusien Costa de la Luz → Tarifa

Mirador der Burg von Tarifa

Ein Solo-Ausflug nach Tarifa bietet mir endlich die bisher vermisste Aussicht nach Afrika von den Wehrgängen der Burg. Die ist auch der einzig lohnende Grund zu deren Besichtigung. Die Altstadt dagegen vermischt den Flair der weissen Dörfer mit Weltverbundenheit und Untiefen eines Fährhafens, was der Alameda einen besonderen Charme verleiht. Ausflüge am Wegesrand führen zum Kloster der Schutzheiligen, einem sonntäglichen Picknickplatz sowie durch sattgrüne irische Landschaften zur Grabungsstätte La Balea.

Auch dieser Morgen graut wieder ziemlich ungemütlich daher. Ich werde aber langsam kribbelig, die letzten Tage ist mir eindeutig zu wenig an neuen Erfahrungen passiert und ich beschließe, jedenfalls nochmals nach Tarifa fahren zu wollen, dessen Ortsbesichtigung uns noch nie gelungen ist.

Das sieht Lore ein, will sich selber aber lieber einen Ausspann-Tag gönnen und schickt mich alleine auf die große Fahrt. Die einspurige Schnellstraße nach dem Autobahnende in Vejer kann sie wegen der langen Geraden in sehr hügeligem Gelände ohnehin nicht leiden, weil hier immer rotz der vielen LKWs zu schnell gefahren wird. Ausgestattet mit ausführlichen Anweisungen bezüglich meines Fahrverhaltens und mehrfachem Gelöbnis der Befolgung düse ich schließlich los.

Irische Landschaften vor der Ausgrabungsstätte La Balea

So schlecht waren die Anweisungen andererseits nicht. Wie immer steht die Guardia Civil samt Radar unterhalb der kleinen Ortschaft Tahivilla, wo wir seitlich der aufgelassenen Tankstelle gerne mal unsere erste Brotzeit eingenommen haben. Immerhin schrecken mich einige freundliche Lichthupen aus dem hier schon langweilig gewordenen Einerlei der ewigen Geraden und scharfen Kurven der E5 bzw. hier nur noch N 340, zwischen denen man aus purem Überdruss gerne mal das Gaspedal über die erlaubten 90 Landstraßenkilometer durchdrückt.

Jetzt muss ich ja auch aufpassen, denn bald müsste der Abzweig nach rechts zu den Ausgrabungsstätten von La Balea kommen. Den hatte ich mir noch als Schmankerl am Wegesrand ausgesucht. Wenn schon alleine unterwegs, möchte ich eine umfassende Besichtigung abliefern, selbst wenn ich mir von der Grabung selbst nichts Besonderes verspreche. Die Ausfahrt ist rechtzeitig ausgeschildert. Ich nehme sogar noch eine zu früh und gelange so erst über den Parkplatz eines Hotels mit angeschlossener Markt-Tankstelle auf die CA 8202, die selbst erst 50 Meter weiter abgezweigt wäre.

In langen Kehren zieht sich die schmale Straße durch eine in ihrer satt grünen Landschaft fast irisch anmutende Gegend in Richtung des Vorgebirges, hinter dem das Meer liegen muss. Ein markanter Tafelberg thront über allem, dessen Besteigung sicher eine schöne Aussicht versprechen würde. Ich bewege mich hier am nördlichen Ausläufer des Naturparks Los Estrechos, der für Vogelbeobachtungen bekannt ist.

Schließlich schlängelt sich der Weg wieder abwärts zum Meer, wo es richtig irisch wird-Entlang von grünen, eingezäunten Weiden, auf denen ab und zu Schafe grasen, gibt es immer wieder imposante Ausblicke auf die Bucht und ein kleines Dorf zu bewundern, das ich jetzt ansteuere. Abgesehen von einigen Wohnmobilen, die dort zu sehen sind, scheint hier wenig los zu sein, obwohl ein breiter Strand lockt in der Bucht wie überall hier an der Küste.

Den Schlenker nach dem Dorf zum Grabungsort nehme ich noch mit, aber auf dem großen Parkplatz tummeln sich dann doch einige Busse mit zwangsweise zur Kultur gekarrten Schulklassen und einige Ausflügler, so dass ich davon Abstand nehme, den Betonklotz zu besichtigen, der mir wohl Zugang zu den altrömischen Hinterlassenschaften verschaffen würde. Ich buche mir geistig die vielen Stunden auf dem Forum Romanum ein und gehe wieder meiner Wege. Die eine oder andere Wanderung in diesem Gebiet würde mir aber durchaus gefallen.

Das rege Leben an Tarifas Hafen macht die Parkplatzsuche nicht einfach

Wie bisher auch biege ich anweisungsgemäß nach Tarifa ab, wo die N 340 den Linksschwenk in Richtung Malaga macht und steuere über die ewig lange und geschäftige Calle Salado auf das für den Verkehr verschlossene Altstadttor zu, wo man rechts in Richtung Hafen abbiegen muss. Diesmal passe ich aber auf und fahre gleich wieder links hinunter auf den großen Platz am Paseo Constitucion, wo man angeblich den einen oder anderen Parkplatz ergattern können soll.

Davon kann aber keine Rede sein. Schwupps bin ich unten am Hafen und steuere lieber wieder stadtauswärts, bevor ich mich in irgendwelche Autokolonnen zur Einschiffung nach Marokko einreihen muss. Hier schaut es aus wie bei einer Fiesta. Menschen kreuz und quer ohne Blick für Autos, die Parkplätze sind von Zeltvorbauten der angrenzenden Restaurants verbaut. Mit viel Glück finde ich 200 Meter weiter gleich hinter so einem Zelt einen freien Platz, der weder am Randstein gelb markiert noch sonst irgendwie gekennzeichnet ist und stehe damit ungefähr dort, wo wir schon vor zwei Jahren geparkt hatten, als es schwarz wurde über Afrika. Entgegen gelesener, aber veralteter Plakate, findet hier aber keine Fiesta statt, hier ist es immer so.

Ich stapfe zurück zum Hafen und versuch mir ein Gefühl zu verschaffen, in was für einem Ort ich eigentlich gelandet bin. Da fällt mir als Erstes das Castillo Santa Catalina auf, dieser seltsam einsam auf der Klippe stehende Palastturm, der eigentlich hauptsächlich durch diesen mit römisch wirkenden Säulen verzierten Erkerausblick in Richtung Afrika auffällt. Kann man sich lebhaft vorstellen, wie die maurischen Eroberer dort gestanden sind und sich so wie die österreichischen Raubritter überlegt hat, wie sich wohl die Kontrolle einer solchen Engpassstelle internationaler Verkehrswege zu Geld machen ließe. Einfache Lösung: Maut oder Versenken. Von dem Geld hat er sich dann die riesige Burg gleich daneben gebaut.

Bevor ich dahin komme, schaue ich mir aber erst noch die Allerwelts-Hafenanlage vom betonierten Boulevard aus an. Ein Riesen-Katamaran läuft gerade aus und nimmt mir sowohl das wenige Sonnenlicht wie auch die Sicht über die Mole nach Afrika, ist aber selbst auch ganz schön imposant.

Stadteinwärts führt ein kleines Portal in die Alameda, die ich gerade auf vergeblicher Parkplatzsuche entlang getuckert bin. Hier ist der örtliche Seniorentreff, an dem engen Durchgang kann man natürlich wie an einer Mautstelle jeden Passanten einzeln diskutieren und bewerten. Das finde ich eigentlich ganz gemütlich, wie auch den vielen Restaurants und Palmen gesäumten, breiten Platz dahinter, eben die Alameda. Leider habe ich aber keine Zeit, mich aktiv am Geschehen zu beteiligen, schließlich wartet daheim meine Frau auf mich.

Das Castillo Guzman mit schöner Aussicht, als Burganlage eher überbewertet

Der Eingang zur Burg von Guzman wenige Meter weiter ist nicht schwer zu finden. Eine kurze, hier aber unübersehbare Schlange hat sich unter dem Tor gebildet. Sie ist aber hauptsächlich auf vielsprachige Diskussionen zurückzuführen, ob man sich das irrsinnige Eintrittsgeld von 2€ leisten wolle. Bevor ich mich dem anschließen kann, bin ich auch schon dran, und die engagierte Pförtnerin nimmt mir jeden Wind aus den Segeln. Nachdem sie mich gefragt hat, woher ich käme, erklärt sie mir anhand einer Broschüre in sehr verständlichem Englisch den ziemlich eindeutigen Besichtigungsweg und schenkt mir das Druckwerk auch noch. Für soviel Engagement zahle ich gerne einen kleinen Obolus.

Die Burg selbst besticht denn auch hauptsächlich durch die Aussichten von den weitläufigen Wehrgängen aus. In der kleinen Burgkapelle ist eine kleine Ausstellung untergebracht, die dem beschlagenen Andalusien-Besichtiger bestenfalls kindisch erscheint. In den Burggräben dahinter stapelt sich eigentlich nur noch der Bauschutt, der fast schon wieder anrührend wirkt ob der offensichtlich vorhandenen Renovierungsbemühungen. Die Burg selber bleibt dem Besucher aber nach wie vor verschlossen.

Soweit es um Geld geht, sind die Aussichten über den Hafen, die angrenzende Küste und die Altstadt im Hintergrund aber dasselbe wert und imposant ist die Anlage allemal. Wäre es mir nur um die Aussicht über die Straße von Gibraltar nach Afrika gegangen, wäre ich am Mirador del Estrecho außerhalb der Stadt sicher umsonst und besser bedient gewesen. Aber den kenne ich ja schon.

Die charmante Altstadt im Herzen Tarifas lebt auch vom Umfeld des Hafens als Verkehrsknotenpunkt

Jetzt will ich noch etwas durch die Altstadt schlendern. Von oben habe ich sie ja bereits überblicken können. Weitere, großartige Sehenswürdigkeiten stehen nicht zu erwarten. Aber dass auch Tarifa den Charme eines typischen andalusischen weißen Dorfs hat, war schon vom Kastell aus nicht zu übersehen.

Trotzdem ist es hier anders. Der Charakter einer Hafenstadt ist überall präsent. Touristen und normale Reisende strömen durch die Gassen, oft im Gefolge der unvermeidlichen Trolleys, die laut über die Pflaster rattern. Hier gibt es sogar richtige Zeitungsläden, die in den Kleinstädten weiter nördlich fast schon verschwunden sind. Für deutsche Kunden gibt es allerdings bestenfalls die Bild-Zeitung zu erstehen, und den englischen und spanischen Blättern kann ich unschwer entnehmen, dass sich nach den Wahlen politisch nichts getan hat daheim, was einen Zeitungskauf rechtfertigen würde.

In den kleinen Gassen parallel der Hauptstraße macht sich aber schon die Erinnerung an alte Piratennester breit. Schummrige Bars locken links und rechts Kunden, die mit Urlaub weniger am Hut haben, es fehlen gerade noch die Hafennutten. Natürlich sind wir hier nicht im Pariser Bahnhofsviertel. Aber Orte, an denen sich die Urlaubsansichten der gewöhnlichen Besucher vermischen mit den Untergründen derjenigen, die an Verkehrsknotenpunkten für dessen Abwicklung zuständig sind, haben mich immer schon fasziniert.

Natürlich überwiegen auch hier die "hellen" Orte, denen die Gediegenheit wohlhabender Kaufleute anzumerken ist und je weiter ich zur Plaza Alameda zurückkehre, desto größer, teurer, aber auch allgemeiner werden die Restaurants. Gemütlich ist es durchaus hier in Tarifa, aber an der Schnittstelle nach Marokko scheint der Fährfahrplan ständig in der Luft zu hängen. Insoweit ist unsere derzeitige Heimat in Conil schon ruhiger.

Kloster der Schutzheiligen als sonntäglicher Picknickplatz

Der Vollständigkeit halber unternehme ich noch einen kleinen Ausflug nach Nuestra Senhora de la Luz. Das Kloster beherbergt die Schutzheilige von Tarifa, vermutlich wird auch sie zweimal im Jahr in gigantischen Prozessionen in den Ort gebracht und wieder zurück ins Winterquartier. Fast verpasse ich die Abzweigung zur CA 2214, weil sie schon 2 km nach der Auffahrt auf die Schnellstraße kurz vor einem Campingplatz nach rechts abzweigt. Ein angedeuteter, weiß gekalkter Torbogen nach Art einer Hazienda-Einfahrt lässt mich aber hoffen, auf dem richtigen Weg zu sein.

Geschätzte 8 km folge ich der engen Straße, die sich in langen Geraden nach abrupten Kurven unterhalb eines schmalen Kamms hinzieht, aber gelegentlicher Verkehr lässt mich vermuten, auf der richtigen Fährte zu sein. Schließlich geht es etwas bergauf, und ich fahre direkt auf die Klosteranlage zu. Im breiten Portal der Umfassungsmauer stehen zwei Fahrzeuge der Guardia Civil und mehrere Beamte in den üblichen Kampfanzügen regeln den Zufahrtsverkehr.

Auf irgendwelche Einlassspiele im Rahmen einer Stippvisite mag ich mich aber nicht einlassen. Ich stelle das Auto also lieber auf dem kleinen, vom Regen etwas schlammig gewordenen Parkplatz vor der Mauer ab. Die Polizisten interessiert das wenig, auf Terroristenjagd scheinen sie also nicht zu sein. Neugierig bezüglich der Ursache dieses Aufwands betrete ich also unbelästigt den Innenhof.

Der beherbergt zunächst das eigentliche Kloster, das sich dort mehr nach Art eines Seitenflügels bayrischer Königsschlösser weißglänzend, aber ohne deutlich erkennbare Kirche präsentiert. Aber auch einen Parkplatz, der zum Bersten voll ist und eine kleine Gartenanlage, in der spanische Großfamilien ihr Sonntagspicknick veranstalten. Am Ende des flachen, einstöckigen Seitenflügels scheint sich sogar eine Art Essensausgabe zu befinden, jedenfalls kommen von der dort anstehenden Schlange immer wieder Leute mit Plastikbechern oder –Tellern herüber. Alles macht mehr den Eindruck einer großen Fiesta, ich fühle mich an den kleinen Bruder von Kloster Andechs erinnert.

Jedenfalls scheint hier jeder durchaus seinen Spaß zu haben, und das Polizeiaufgebot soll wohl nur den Verkehr regeln. Ich selber habe aber gerade nicht so den Sinn für Picknick und in der allgemeinen Ausflugsstimmung scheint mir ein beiläufiger Klosterbesuch auch nicht so angebracht, was mich aber nicht stört. Im Gegenteil freut es mich mehr, den Einheimischen bei ihrer sonntäglichen Freizeitbeschäftigung zuzusehen, als meinem Kulturkatalog eine weitere Madonna hinzuzufügen.

Durchaus fröhlich mache ich mich auf den Rückweg. Allzu lange will ich Lore auch nicht warten lassen. Ich weiß dass sie der verhassten N 340 jede Bosheit zutraut und mit jeder Stunde nervöser werden wird, die ich hier herumgammeln würde (obwohl gerade hier das sicher lustig wäre, würde ich wenigstens etwas Spanisch sprechen). Angestrengt versuche ich, vor Vejer de la Frontera irgendeinen Parkplatz am Straßenrand zu finden, um von dem spektakulären Taldurchbruch aus ein Foto auf das Adlernest zu schießen. Es ist aber einfach keiner zu finden, obwohl ich diesmal vorgewarnt war. Meine Entdeckerseele hat aber wieder etwas Ruhe gefunden. Lore auch, als ich am frühen Nachmittag wohlbehalten wieder im El Cortijo eintreffe.

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Und hier der Gesamtüberblick dieser Reise mit allen Berichten


© 2004-2014 by Martin Haisch Gastromartini gastrobetreuung.de

Zuletzt aktualisiert am 27. Mai 2014

Mit ausdrücklichem Dank an Apachefriends und alle Open-Source-Entwickler, deren Arbeit solche Projekte erst ermöglicht
sowie an Lore für Begleitung und Ertragen programmierungstechnisch bedingter Abwesenheiten

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