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Reisebericht zu Andalusien→Nordostandalusien→Ubeda

Ubedas Freilichtmuseum mit der Capilla Sacra de Salvador als Höhepunkt und lebendigem Einkauf in Baeza

Ubeda Parador sacra capilla san salvador

Ubedas Altstadt ist wesentlich größer als die Baezas und stellt daher auch einige besondere Sehenswürdigkeiten in den Vordergrund. Während die engen Gassen manchmal auch etwas verloren wirken, stellt sich die Capilla Sacra de Salvador tatsächlich als Kleinod heraus, das mit einigen bisher nicht gesehenen Besonderheiten aufwarten kann. Zunehmend schlechtes Wetter hält uns aber von einer ausführlicheren Erkundung des Renaissance-Zentrums ab und wir verbringen die letzten Stunden des Nachmittags lieber mit Spezialitäten-Einkauf in Baeza.

Nachdem wir im durchwachsenen andalusischen Aprilwetter schon einige Kilometer in der Sierra Magina und Laguna Grande unterwegs waren, erreichen wir Ubeda wieder am frühen Nachmittag. Die in Städten gefürchtete Siestapause sollte also langsam beendet sein. Dank der ausführlichen Beschreibung unseres Hoteliers in Baezas "Casa del Seise" finden wir ohne Umwege den empfohlenen Parkplatz am Mirador de Santa Lucia, selbst wenn wir einige offenbar kommerziell motivierte Irrleitungen im Vorfeld sehr bewusst ignorieren müssen.

In Ubeda Altstadt fühlen wir uns etwas verloren trotz enger Gassen und stiller Plätze

Wir packen zunächst unsere Brotzeit heraus und schauen beeindruckt schweigend und mampfend das Panorama vor uns, das von der Sierra de Cazorla über die Magina bis hin nach Baeza reicht. Der zunehmend eisig beißende Wind vertreibt uns aber alsbald zwischen die Mauern der Altstadt. Schon vom Mirador aus können wir bis hin zum vermuteten Hauptplatz, der Plaza de Santa Maria blicken. Eine breite, mit Platanen gesäumte Straße führt zwischen Kirchen und Palästen dorthin. Hier wirkt alles offener und weitläufiger als in Baeza, was aber auch zur Folge hat, dass die gähnende Leere auf allen Plätzen mehr auffällt.

Natürlich wirkt sich unverschuldet nicht zu Ubedas Vorteil aus, dass wir nun bereits einen langen Tag unterwegs sind. Aber für einen kompletten Rundgang durch die im Vergleich zu Baeza schon ziemlich umfangreiche Altstadtzone fehlt uns etwas die Lust. Wir bewundern gebührend die Plaza de Santa Maria, auch wenn der ganze Platz etwas bunt zusammengewürfelt wirkt. Wir stehen in den Grünanlagen vor dem alten Rathaus. Hinter uns liegen dessen Renaissance-Front sowie der stilistisch gleiche Palast des örtlichen Paradors und die Fassade der Capilla El Salvador. Vor uns die etwas mexikanisch anmutenden Glockentürme der Kathedrale, die angesichts ihres Umfeldes etwas ärmlich und vor allem einsam wirkt. Und irgendwie passt alles nicht recht zusammen.

Wir streifen ziellos durch die manchmal engen Gassen, die sich links und rechts der als Hauptverkehrsweg nordwärts führenden Calle de Juan Montilla erstrecken. Hier gibt es schöne kleine und stille Plätze zu erkunden neben offensichtlichen Baustellen, wo neue Stockwerke in altes Gemäuer betoniert werden wie auch wirklich bald verfallende Ruinen, die nur noch als notdürftig abgestützte potemkinsche Fassaden existieren. Man muss aber gar nicht erst die Bautafeln zu Rate ziehen, um zu erkennen, dass hier Hotels gebaut werden, soweit gebaut wird.

Natürlich folgen wir jetzt nicht den überall vorhandenen und auch gepflegten Hinweisrouten, die uns bestimmt einen genaueren Einblick in die Geschichtsträchtigkeit des Ensembles gegeben hätten. Was uns unwillkürlich stört, es ist kein Leben zu finden in diesen Gassen, keinen Gemüseladen oder ein Café, in dem sich die Einheimischen treffen. Auch an der Hauptstraße Juan Montilla reiht sich unter sicher malerischen Erkern ein Souvenirshop an den nächsten. Momentan trifft sich das günstig, weil noch einige Postkarten und Mitbringsel zu erstehen sind und wir solche Allgemeinplätze des Urlaubslebens lieber gleich zu Anfang erledigen, also jetzt, und hier gar nicht schlecht fahren.

Bei der Rückkehr in Richtung Plaza de Santa Maria entdecke ich immerhin noch eine sympathische Sozialnutzung der antiken Gebäude. Hier ist wohl die örtliche Seniorenbeschäftigungsstelle untergebracht. Durch die vergitterten Fenster sind ein langer, jetzt noch wenig bevölkerter Tresen zu erkennen und einige Resopaltische, die sich über den riesigen Raum verteilen, an denen einige Besucher ihre Zeitungslektüre absolvieren. Ein Ort, der meinem Vater gut gefallen hätte wegen seiner deutlich nüchternen Zweckbestimmung im hellen Neonlicht. Sitzen, Trinken, Lesen oder Ratschen, fertig. Leider hat er aber sein Glas schon ausgetrunken.

Insgesamt sind wir etwas enttäuscht. Als Museumsbereich der andalusischen Renaissance gefällt uns Baeza wesentlich besser, weil der abgegrenzt und als solcher authentisch schnell zu überblicken ist, dahinter aber das echte Leben einer andalusischen Kleinstadt sich auch erlebbar abspielt. Hier fühlen wir uns eher etwas verloren und erinnern uns mit leichter Wehmut an die nicht minder schöne und trotzdem belebte Innenstadt von Cordoba. Vielleicht hätten wir aber nur mehr Touristengeist aufbringen müssen. Wir wären ja sogar gewillt gewesen, trotz befürchteter Lächerlichkeit den an das heimische Volksfest erinnernden Touristenzug zu benutzen, um uns auch in die entfernteren Gefilde der Altstadt tuckern zu lassen. Aber der jetzt richtig eisig werdende Aprilwind hält uns zurück.

Ein kleines Juwel: Die Capilla Sacra de Salvador

Da ziehen wir uns lieber in die Sacra Capilla de Salvador im Hintergrund des Hauptplatzes zurück und ignorieren die genau gegenüber stattfindende Abfahrt des Touristenzugs. Die Kirche öffnet gerade ihre Pforten. Die Einlassbeauftragte ordnet noch ihre Dinge, während sie uns netterweise fragt, wo wir herkommen. Beides hat aber sachliche Gründe, denn als wir uns als Deutsche zu erkennen geben, kramt sie aus den Tiefen ihres Schalterschränkchens eine laminierte DinA2-Vorlage in deutscher Sprache hervor, mit deren Hilfe wir uns in dem Gotteshaus zurecht finden sollen.

Wie sich noch herausstellen wird, ist diese Hilfe durchaus vonnöten. Das Hauptschiff wird durch den Seiteneingang betreten und zeigt auf eine goldglänzende Apsis, die wie so oft von einem kunstvoll geschmiedeten Gitter vom gewöhnlichen Volk abgegrenzt wird. Natürlich verlasse ich mich wie immer auf meine Reiseführer und bewundere die schöne Kuppel, die sich über dem Altarraum in die Höhe schwingt und die Figurengruppen im Retabel. Aus Erinnerung an granadinische Altarbilder wird hier bereits der Übergang zum später in Sevilla ausgiebig bewunderten Barock deutlich. Die setzkastenähnliche Gestaltung vieler kleiner Szenen wird hier durch eine monumentale Skulptur ersetzt, die sicher sehr ausdrucksstark ist, dafür aber auch sehr bestimmend das Gesamtbild beherrscht.

Lore dagegen hat den Blick wie immer mir entgegengesetzt auf den Fußboden gerichtet und entdeckt dort eine Sonderlichkeit, die diese Kapelle auch in meinen Augen tatsächlich einzigartig macht. Während im Bereich des Fußvolks hinter dem Gitter nämlich der Boden noch in einem schachbrettartig angeordneten Schwarz-Weiß-Musters ausgelegt ist, verwandelt sich dieser im eigentlichen Altarraum zu auf das Zentrum hin abgeschrägten Vierecken, die in diesem Bereich den Eindruck eines im Altar verschwindenden Zyklons erwecken können, wenn man ihn denn betrachtet und sich darauf einlässt. Dieser Effekt wird im laminierten Kirchenführer ausführlich beschrieben, dagegen in keinem Reiseführer und nicht einmal in später deshalb konsultierten Doktorarbeiten.

Ich habe eine solche Bodengestaltung noch nirgendwo gesehen, soweit ich weiß. Alles andere in diesem Bauwerk eher schon, was aber seiner individuellen Schönheit keinen Abbruch tut. Jetzt wird auch klar, warum pausenlos zwei Putzfrauen in dem Gotteshaus umherwuseln, um den Boden zu wischen, obwohl draußen kein winterliches Matschwetter herrscht. Hier liegt der eigentliche Glanz der Kapelle, und der soll zu Recht auch herausgestellt werden. Für solche Beschäftigung zahlen wir dann auch gerne unser Eintrittsgeld.

Wir werfen noch einen Blick in die angrenzende Sakristei, stimmen aber erneut mit unserer laminierten Karte überein. Der Versuch, mittels gekonnter Figurenkrönung und einer kleinen Nebenkuppel aus einem eckigen Eingang einen abgeschrägten oder runden solchen zu zaubern, stellt tatsächlich das eigentlich Beeindruckende an dem ansonsten im Vergleich zu anderen eher grauen Raum dar.

Auch bei weiteren Recherchen im Nachgang dieser Reise wird deutlich, dass kulturhistorisch Interessierte hier ein echtes Kleinod vorfinden, weil es sich um eine Auftragsarbeit handelt, deren Umstände und Besonderheiten tatsächlich noch weitere Details zutage fördern, die eine andalusische Renaissance reich bebildern. Uns genügen für heute die Entdeckung persönlicher Unikate unserer eigenen Erfahrungssammlung und nach einem langen, ersten Urlaubstag wollen wir uns auf dessen Ende vorbereiten.

Verhaltener, aber spezialitätenbezogener Einkauf zur Selbstversorgung in Baeza

Der andalusische Aprilwind weht uns beim Verlassen der Capilla Sacra jetzt nordpolmäßig ins Gesicht, so dass wir uns gleich auf den Heimweg machen. Zwar müsste nach meiner Erinnerung in Ubeda auch einer unserer geliebten Carrefour-Märkte beheimatet sein, aber für eine separate Suche haben wir jetzt keinen Nerv mehr. Besuchen wir eben den bereits ausgekundschafteten Dia-Supermarkt neben dem neuen Busbahnhof von Baeza.

Entgegen unserer sonstigen Gepflogenheiten am Anfang einer Reise bauen wir uns erst gar keine großen Bestände auf. Für heute Abend gibt es Hühnerspiesse, als Beilage werden wir unsere mittlerweile angesammelten Brotreste rösten. Morgen soll es Schweinelendchen geben. Wir rüsten noch den Bier- und Weinbestand für die verbleibenden zwei Nächte auf und versorgen uns mit zwei großen Wasserkanistern, nachdem das spanische Leitungswasser immer noch nicht einmal zum Kaffeekochen taugt. Damit sind alle schweren Utensilien erstanden, die wir per Auto zur Wohnung karren und ausladen, bevor ich es wieder auf seinen Laternenparkplatz an der Avenida Ortega bringe.

In Gastgebers Souvenirladen versorgen wir uns noch mit zwei Gläsern lokal gefertigter Himbeermarmelade und Kastanienmus sowie einer Portion Postkarten, um den lästigen Schreibpflichten gleich anfangs nachkommen zu können. Dann soll ein kleiner Spaziergang den späten Nachmittag beschließen. Unter den Lauben finden wir noch den örtlichen Tabakladen, wo es die zugehörigen Briefmarken gibt und einige Vorratsschachteln Zigaretten für mich. Mein mittlerweile erworbenes Wissen um die globalisierten Tabakpreise in Spanien hat mich zwar bewogen, einen Vorrat an selbstfabrizierten Nikotinhülsen anzulegen, aber der wird bald aufgebraucht sein. Lore entdeckt aber sofort mit Kennerblick, dass Tabak, Hülsen und sogar Fabrikationshilfen mittlerweile auch in die hinterdörflichsten Fachgeschäfte Spaniens Einzug gehalten haben. Ein Angebot, das ich mir für den nächsten Urlaub merken werde.

Wenige Meter über der Plaza Espana wollten wir noch das Delikatessengeschäft unterhalb meiner bevorzugten Bäckerei in Augenschein nehmen. Während wir verschämt zum zweiten Mal die Auslage studieren, verlässt eine kleine Touristengruppe zufrieden mampfend den Laden, jeder bewaffnet mit einem gut aussehenden Bocadillo. Wir vertrauen diesen Mienen und schauen auch mal nach, was sehr lustig ist. An der linken Wand des kleinen Lokals gleich hinter dem Eingang bauen sich protzige Mahagoniregale auf, in denen die Luxusgläser mit Wein, den üblichen Marmeladen und anderen Spezialitäten ausgestellt sind. Rechts befindet sich der Tresen mit ältlichen Kühlvitrinen an der Front und gedrängt platzierten Bedarfsartikel für normales Volk im Hintergrund, betreut von weiß bemäntelten Vater und Sohn, die uns freundlich lächelnd begrüßen.

Wir sind etwas unschlüssig, weil wir die touristische Konfektionsware ja bereits daheim in der "Casa del Seise" erstanden haben. Schließlich wühlen wir uns aber doch durch die verschiedenen Größen und Arten angebotener Oliven durch und entscheiden uns für ein mittelgroßes Glas aus örtlicher Produktion. Der Sohn kommentiert diesen Kauf mit einem Redeschwall, dem ich leider nicht folgen kann. Sowohl das vorsichtige Mittelmaß wie auch das fehlende Verständnis stellen sich mal wieder als ernstes Manko des Andalusienurlaubers heraus. Der "Cocktail des Aceites" landet gleich hinter den als Tapas servierten Oliven unseres ersten, ansonsten verkorksten granadinischen Restaurantbesuchs auf Platz zwei unserer ewigen Bestenliste und wird werden noch lange bedauern, nicht gleich einen der ebenfalls erhältlichen, bodenständigeren Plastikeimer erstanden zu haben. Vermutlich wollte mich der wohlmeinende Sohn nur zum Probieren bewegen, was natürlich zum Kauf des Großgebindes geführt hätte. Nix verstehen ist halt oft blöd. Die Herstellerfirma habe ich mir später aufgeschrieben. "Congana" sitzt in Bedmar, wir sind heute Vormittag daran vorbeigefahren.

Wieder daheim werden wir die Oliven trotzdem genießen, braten unsere Hühnerspieße, schreiben Karten und richten unsere Gehirne auf Andalusien aus, das wir ja gerade erst wieder seit einem Tag zu erfassen begonnen haben. Lore macht einen kurzen Versuch, ihren jahrelang beschworenen Vorsatz, niemals mehr mit mir Rommé zu spielen, erneut zu überprüfen und holt sich wieder eine blutige Zockernase. Gelegentliche Rauchpausen verbringe ich auf den rustikalen Treppensesseln unserer Galerie in den Oberlichten, von wo aus ich einen weiten Blick über den Hauptplatz und die ganze Stadt genießen kann, leider aber auch über den zunehmend sich unwirtlich darstellenden Himmel. Nachdem wir nur noch morgen die unbedingt zu besichtigende Sierra de Cazorla in Angriff nehmen können, sind das nicht gerade positive Vorzeichen. Wir hoffen einfach darauf, dass April auch hier April bedeutet.

Wenn Sie dem Verlauf dieser Reise folgen möchten

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Und hier der Gesamtüberblick dieser Reise mit allen Berichten


© 2004-2014 by Martin Haisch Gastromartini gastrobetreuung.de

Zuletzt aktualisiert am 27. Mai 2014

Mit ausdrücklichem Dank an Apachefriends und alle Open-Source-Entwickler, deren Arbeit solche Projekte erst ermöglicht
sowie an Lore für Begleitung und Ertragen programmierungstechnisch bedingter Abwesenheiten

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