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Auf Museumstour in Malaga: Von Picasso zur aktuellen Moderne Spaniens mit einem Schlenker zu Straßenkunst und Performance

Reisebericht zu Andalusien Costa del Sol → Malaga

Sonderausstellung Museum für modene Kunst Malaga

Wir kämpfen uns durch die übliche Schlange vor dem Picasso-Museum in Malagas Altsatdt, erleben dann aber einen sehr aufschlussreichen Überblick über das Schaffen des Meisters in jeder Hinsicht. Ergänzt wird dieser Eindruck durch Fotos zum Familienleben Picassos. Die Straßenkunst im Betonbett des Guadalmedina bereitet uns vor auf weitere nachdenkliche Überraschungen, die wir danach im Museum für moderne Kunst CAC erleben werden.

Trotz strahlend blauen Himmels ist heute der Museumstag angesagt. Nachdem Malaga unter den andalusischen Metropolen besonders wegen seiner Ausstellungen und Kulturevents herausragt, können wir diesen Aspekt nicht einfach ignorieren und hatten uns ja letztes Jahr schon geschworen, hier nachzubessern.

Mehr als zwei Museen pro Tag verdaut der Mensch aber schwer. Ich habe mich daher für das Picasso-Museum als absolutes "Must see" und das Zentrum für moderne Kunst entschieden. Die Sammlung der Madame Thyssen muss noch bis zum nächsten Mal warten.

Komplizierte Einlassmodalitäten führen zu einer permanenten Schlange vor der Casa Picasso

Wir kommen etwas später in der Hoffnung, die übliche Schlange vor dem Museum hätte sich dann etwas verkürzt. Immerhin weilt ihr Ende nicht mehr auf der Straße, sondern sie reicht nur noch bis zur Eingangspforte. Wir müssen also eine halbe Stunde lang die breite Steintreppe des Palacio Buenavista hinauf stehen.

Vermutlich hätte uns der Vorverkauf der Karten hier auch nichts genützt. Die Schlange ist hauptsächlich dem Sicherheitscheck geschuldet. Ihren kleinen Rucksack darf Lore zwar trotz ausdrücklichem Wunsch nicht abgeben. Die geliebte und ausnahmsweise nicht vergessene Wasserflasche muss aber hier bleiben. Immerhin ist sie zukünftig mit der spanischen Version ihres Nachnamens gekennzeichnet, so dass sie sie überall wiederfinden kann.

Vielleicht hätte es der Abarbeitung der Schlange auch etwas geholfen, wenn die zweite Empfangsdame Tickets verkauft hätte, anstatt genervt den Bildschirm ihres Laptops zu betrachten und diesen alle zwei Minuten durch eine hackende Tastatureingabe zu ändern. Aber vermutlich waren ja auch wichtige Terroristenwarnungen zu beachten. Möglicherweise ist diese Dauerschlange aber auch gewollt, um die besondere Qualität der Kunstwerte nochmals herauszustellen.

Auch hier gibt es wieder die Qual der Wahl zwischen verschiedenen Eintrittsvarianten. Nachdem die Sonderausstellung sich gerade mit Picassos Familienleben befasst, nehmen wir diese willkommene Ergänzung zur Dauerausstellung gerne mit. Endlich werden wir in die Galerie des Patios vorgelassen, hinter der sich im ersten Stock Picassos Genius verbirgt.

Ein umfangreicher Überblick auf Picassos Schaffen mit verschiedensten Materialien erwartet uns anstelle einer reinen Gemäldegalerie

Tatsächlich zeigt schon der erste Saal, dass uns nicht eine Aneinanderreihung von Gemälden erwartet. Kleine Filmchen des Meisters aus der Mitte des 20. Jhd. zeigen, dass Picasso nicht nur mit dem Pinsel umzugehen verstand, sondern sich mit allen Materialien beschäftigt hat, die ihm in die Finger kamen. Das gibt uns nicht nur einen warmen Einstieg in die Bilderwelt, sondern outet Picasso auch als frühen Vorläufer des Video-Bloggens.

Ich selbst habe nicht immer mit seinen Bildern etwas anfangen können. Der umfangreiche Überblick über sein Schaffen gibt aber auch dem etwas skeptischen Betrachter einen Einblick in die tiefere Symbolik seiner Werke, so dass man jetzt auch Bilder durchaus verstehen kann, die einem zuvor als wüste Kritzelei vorgekommen sind. Und gerade die Frühwerke und Vorlagen zeigen, wie genau und feinfühlig dieser Mann mit dem Pinsel umgehen konnte.

Die ebenfalls ausgestellten Skulpturen, Papier– und Leberarbeiten beweisen Witz und Kreativität im Umgang mit Materialien aller Art, was den Künstler Lores Bastlerherz näherbringt. Der Stau am Eingang birgt andererseits den Vorteil,. dass man hier in aller Ruhe durch die Säle schlendern und sich jedes Bild des eigenen Interesses auch ohne große Störung durch konkurrierende Volksmassen anschauen kann.

Eine Sonderausstellung bietet sehr persönliche Einblicke in das Familienleben zweier alter Herren für mich

Nach einer guten Stunde sind wir durch und brauchen dringend eine schöpferische Pause. Im Erdgeschoss befindet sich der gut sortierte Museumsladen, den Lore für ihre Auszeit nutzt. Ich gönne mir so lange eine Zigarettenpause im gemütlichen Innenhof des gegenüber liegenden, kleinen Cafés. Seltsamerweise bin ich ganz alleine in dem gemütlichen Patio, genieße die Sonne und schau den Vögeln in dem langen Brunnenbecken zu, während ich das Gesehene sacken lasse.

Jetzt widmen uns der aktuellen Sonderausstellung, die sich mit dem Familienleben Pablo Picassos beschäftigt. Da haben wir wirklich Glück, denn das ist die ideale Ergänzung zum bisher Gesehenen. Seine Bilder und Vorstudien aus dem eigenen Leben heraus sind dabei eher Ergänzung zu den schon im ersten Stock besichtigten Werken.

Richtig spannend ist der Folgesaal, in dem über eine im zeitlichen Ablauf sortierte Fotosammlung Einblick in das persönliche Leben des Meisters gewährt wird. Der ist umfangreich, und man verliert bald den Überblick zwischen Frauen, Musen und Begleiterinnen sowie der Zuordnung der jeweils zugeordneten Kinder. Insgesamt waren alle aber irgendwie immer eine große Familie.

Hier wird mir klar, wie sehr mein eigener Vater sich Picasso wohl nicht nur als künstlerisches Vorbild genommen hat und warum er gegen Ende seines Lebens gerade dessen Strandbild so gerne interpretiert hat. Da muss ich etwas schlucken. Auch wenn ich mit beiden alten Herren bis heute nicht immer einverstanden gewesen bin, habe ich das so noch nicht gesehen, bin also um eine Erkenntnis reicher, die ich aber erst verdauen muss.

Sichtbare Straßenkunst anstelle verwehrter Jugendstilgläser in der Markthalle am Ufer des Guadalmedina

Zwecks Verdauung lassen wir uns Zeit auf dem Weg zum nächsten Museum. Das CAC liegt etwas außerhalb der Altstadt quasi an der Mündung des Guadalmedina, westlich des Hafens. Auf dem Weg dorthin kommen wir an der Markthalle vorbei. Vor einem Jahr haben wir sie nur aus der Ferne erspäht, jetzt ist der Betrieb natürlich auch bereits beendet. Die Pforten stehen aber noch offen, so dass ich einen Blick in die schöne Jugendstilhalle riskieren kann. Mehr als ein Foto gelingt mir aber nicht, dann stürzt schon der erste Standbetreiber auf mich zu und verscheucht mich, obwohl ich seine Arbeitsleistung nun wirklich nicht mehr überbeanspruchen will. Ich sehe es aber ein und trolle mich widerwillig.

Bis zur geglaubten Nachmittagsöffnung des Museums für moderne Kunst bleibt noch etwas Zeit und Lore fühlt sich fit für ein Alternativprogramm. Angesichts des ausführlichen Kulturprogramms fühle auch ich mich zu Zugeständnissen verpflichtet und so statten wir dem riesigen Corte Inglés am anderen Flussufer einen Besuch ab. Der endet aber über vier Stockwerke eher kläglich. Wir sind nun auch schon in die Jahre gekommen, aber für ein solches Sortiment an Altfrauennormbekleidung sind sogar wir zu jung.

Also schlendern wir am Flussufer entlang auf das CAC zu. Fluss ist dabei der falsche Begriff. Es handelt sich mehr um eine Betonrinne, die in Zeiten des Hochwassers aus den Bergen zu vermutlich spektakulären, schlammbrodelnden Bildern führt. Jetzt ist es eine Rasenfläche, deren Betonumrandungen als Leinwand für vertikale Straßenmalerei genutzt werden, und die ist nicht von schlechten Eltern. Eigentlich geht das Museum für moderne Kunst schon auf dem Hinweg los.

Neben den Spaziergängern mit ihren Hunden unten auf der Rasenfläche gibt es dort aber auch die neue Kunstform der Performance zu beobachten. Zwei junge Damen bauen eine Videokamera auf, die eine entledigt sich eines Teils ihrer Kleidung und wird danach mit den bekannten Post-It-Haftzetteln beklebt, bis sie wie ein gelber Eisbär aussieht. Den Sinn verstehen wir beide nicht, ich persönlich hätte vielleicht auf etwas mehr Entkleidung gehofft, aber das Bedauern für die Darstellerin fühlen wir beide, nachdem schlussendlich auch die Sehschlitze zugekleistert werden und sie ziemlich ungelenk auf dem nassen Boden herumstaksen muss.

Anscheinend sind wir aber schon in einer Ecke der Metropole gelandet, die auch kulturelle Experimente ausleben mag. Dem vielgerühmten Bau des Centro de Arte Contemporaneo kann man das von außen dagegen nicht so ansehen. Der Kopf des sich vor öffnenden Dreiecks, das sich als Spitzbau zum Meer hin fortsetzt, ist zwar ganz nett, aber eine architektonische Erleuchtung kann ich jetzt auch darin erkennen. Immerhin aber ist er durchgängig geöffnet, im Gegensatz zu den überlieferten Betriebszeiten.

Die aktuelle Sonderausstellung des CAC präsentiert uns die größte Besteckschublade und Essgeschirr überhaupt

Zunächst sind wir etwas überrascht durch eine relative harsche Anfrage am Einlasstresen, woher wir denn kämen. Schließlich ist der Eintritt frei, vielleicht aber nur für EU-Bürger. Ich will schon meinen Ausweis zücken, da werde ich schon beschwichtigt. Es geht nur ums Interesse, und man wünscht noch eine interessante Zeit.

Wir persönlich werden aber so weitergescheucht und von einer Konsternierung in die nächste geschleudert. Gleich nach Durchquerung des neutral weißen Eingangsbereichs glänzt uns an der langen Wand die größte Besteckschublade entgegen, die wir jemals gesehen haben. Ich möchte fast laut lachen, wenn mich das Spiegeln nicht so bannen würde. Zwar sind es mehr Kochgeschirre, die sich hier in endloser Reihe aufgebaut wiederfinden. Aber in Anbetracht vieler trauriger Erlebnisse hatte Lore es ja angesichts der vielen positiven Erfahrungen dieser Andalusienreise zu Grundbedingung gemacht, jede Besteckschublade zu fotografieren. Dieses Bild wirkt wie die endgültige Rechtfertigung dieses Vorhabens, auch wenn es niemals zu toppen ist.

Das notwendige Foto wird sofort unterbunden, aber nur weil ich den Blitz nicht rechtzeitig ausgeschaltet habe. Tatsächlich handelt es sich um eine temporäre Ausstellung des Inders Subodh Gupta, die offenbar viel mit Kochgeschirren zu tun hat. Ich hatte noch viel zu tun mit solchen Henkelmännern während meiner Schlafwagenkarriere neben des Studiums und eine Doku über Essensverteiler in Mumbai hatten wir kurz vor unserer Abreise noch im Fernsehen geguckt. Der schöne Spielfilm dazu kam erst später.

Die wahre Kunst in diesen Glitzerbildern können wir also vielleicht nicht wirklich erkennen. Das echte Loblied auf die Essensausfahrer von Mumbai wird erst einige Wochen später in Zelluloid gebannt in unseren Kinos erscheinen. Für uns ist es trotzdem eine Sensation. Einen noch genaueren Brennpunkt auf die hintergründigen Überraschungen dieses Urlaubs hätte man uns kaum bieten können. Wie immer nehmen wir das persönlich und bedanken uns herzlich, unser persönliches Grundthema in Kunst gebannt erleben zu dürfen.

Überraschungen in dichter Folge: Die Exponate des Museums für moderne Kunst regen schon zum Nachdenken an

Im Zentralbereich finden wir noch die Ausstellung eines Amerikaners, mit der wir jetzt weniger anfangen können. Aber die danach folgenden Exponate der Dauerausstellung haben es in unseren Augen in sich. Fasziniert stehen wir vor einer Ansammlung silbern schimmernder Luftballons, die wie eine Traube Weihnachtskugeln von der Decke hängen. Dass wir selber uns drin spiegeln, merken wir erst, als wir die Fotos daheim anschauen. So wird eine prima und allseits bewunderte Grußkarte zu den Feiertagen draus werden.

Überraschungen lauern jetzt aber hinter jeder Ecke. Ganz plötzlich fühle ich mich beobachtet und erspähe die beiden Bauarbeiter erst sehr spät, die sich in lichter Höhe auf der Ecke der Raumteiler zur Brotzeit niedergelassen haben. Bevor sich aber die Nackenhaare vollends aufstellen, bemerke auch ich diesen Nachbau einer absolut lebensechten Situation. Direkt darunter hängt die Pygmäenversion eines stolzen Toreros in voller Montur, der kaum über ein clownesk "gekleidetes" Puppenpferd ragt. Wir müssen beide herzlich lachen über eine unserer Interpretation nach gelungene Aufarbeitung des dem Stierkampfgehabe sicher innewohnenden Stierkampfgehabes.

Lore widmet sich mehr den Miniaturfiguren, die an einem Band in den Himmel tanzen. Ich versenke mich eine ganze Weile in das rotgetönte Werk, das anhand eines Foto- und Dokukreislaufs um die liegende Acht einen Lebensweg darzustellen versucht. Natürlich kann ich hier nicht jedes Werk einzeln darstellen, aber neben der Winterlandschaft aus der Sierra Segura waren dies so unsere ganz persönlichen Highlights.

In jedem Fall haben wir ganz besondere Werke gesehen, manche einfach nur schön, und manche, die einen tatsächlich zum Nachdenken bringen. Waren wir schon im Picasso-Museum sehr befriedigt über eine Erweiterung des eigenen Horizonts, so sind wir jetzt geradezu begeistert.

Wenn Sie dem Verlauf dieser Reise folgen möchten

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Und hier der Gesamtüberblick dieser Reise mit allen Berichten


© 2004-2014 by Martin Haisch Gastromartini gastrobetreuung.de

Zuletzt aktualisiert am 27. Mai 2014

Mit ausdrücklichem Dank an Apachefriends und alle Open-Source-Entwickler, deren Arbeit solche Projekte erst ermöglicht
sowie an Lore für Begleitung und Ertragen programmierungstechnisch bedingter Abwesenheiten

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