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Siles am Nordostende Andalusiens mit dem Ambiente eines gemütlichen Bergdorfs und einer interessanten Ausstellung

Reisebericht zu AndalusienNordostandalusien → Sierra de Segura

Eingang zur Altstadt von Siles

Die kleine Rundfahrt nach Siles ist dem dortigen Centro Interpretacion El Sequero geschuldet. Das finden wir erst nach einem Rundgang hinter den von Platanen gesäumten Paseo des Dorfes. Dort aber informative Dokumentation früherer Lebensverhältnisse und besonders schöne Fotos aus früheren Zeiten. Auch das Erholungsgebiet Pena del Olivar lädt mit verträumten Ambiente zum Verweilen ein, bevor wir uns durch den Gebirgsdschungel wieder nach Los Acebeas hinaufarbeiten.

Erneut erwartet uns ein traumhaft sonniger Tag. Den wollen wir nutzen, um noch in den nordöstlichsten Zipfel Andalusiens und der Sierra Segura vorzustoßen. Die grandiosen Aussichten des Zentralteils haben wir gestern schon abgeklappert. Bei der Vorbereitung hatte ich gelesen, dass in Siles eine alte Mühle zu einem Centro Interpretacion umgebaut worden ist, das sich mit überlieferten Techniken des Sammelns und Verarbeitens der im Wald gefundenen Samen und Zapfen beschäftigt.

Mit dem Begriff "Museum" wird Centro Interpretacion nämlich nur unzureichend übersetzt. Es handelt sich eher um Ausstellungen und Dokus meist der Junta de Andalucia, die sich mit einem bestimmten, lokalen Fokus befassen und diesen zu erklären versuchen, eben interpretieren. Wie so etwas in der Realität ausschaut, möchte ich mir gerne mal ansehen.

Das belebte Sozialleben in Orcera macht die Bergstraßen noch enger, als sie so schon sind

Wir wählen die lokale Variante der Straßenführung. Vermutlich wäre der Weg über die A-317, auf der wir angereist sind, der schnellere Weg gewesen, denn so gondeln wir wieder über die bekannten, engen Bergsträßchen zunächst nach Orcera und gedulden uns hinter Traktoren oder gehen vor rasantem Gegenverkehr in Deckung. Einheimische Autofahrer sind es eben gewohnt, dass die Straße leer ist und ihnen gehört.

Aber auch hier ist der Weg das Ziel. In Orcera können wir beobachten, was der Status einer Verwaltungsgemeinde bedeutet. Es herrscht reges Treiben auf den Straßen, vor dem Krankenhaus entsteht ein regelrechter Stau wegen Aus- und Einladens der zur Untersuchung herbeigekarrten Omas und Opas. Andernorts sitzen diese auf den Bänken an den Straßenkreuzungen und haben mit unserer Passage auch mal wieder eine Sensation erlebt. Auch zwischen den kleinen Dörfern fahren wir immer wieder durch tiefgrüne Dschungellandschaften aus Farngewächsen

Kurz vor Siles stoßen wir wieder auf die Hauptstraße und fahren über breite Serpentinen in den Ort hinauf. Leider bricht die anfangs noch ausführliche Ausschilderung ab, sobald man sich dem Zentrum nähert. Einen daher gewagten Abstecher in die Altstadt, in der ich auch das Museum vermute, brechen wir lieber ab, bevor es zu eng wird zum Wenden.

Über die Hauptstraße fahren wir auch in den Ort hinauf, und gleich hinter einen schönen Platz finden wir auch eine Parklücke fürs Auto. Von hier aus wollen wir erst einmal den Ort zu Fuß ansteuern und uns eine Orientierung verschaffen (hier hätte uns auch kein Internet genutzt, noch nicht einmal im mächtigen Google Maps sind Straßennamen eingetragen).

Über den Paseo stoßen wir in die Altstadt von Siles vor und sorgen für Unruhe an der Plaza del Agua

Ein schöner, von Platanen beschatteter Platz führt uns in Richtung Altstadt. Hier hat wohl gerade noch ein Markttreiben stattgefunden, jedenfalls werden noch einzelne Stände abmontiert und noch nicht alle Besucher haben sich verlaufen. Die genießen die einzige, noch verbliebene Sensation: Zebrastreifen und Fahrbahnränder werden gerade neu markiert. Ansonsten scheint sich hier am Paseo (hat keinen Namen wie sonst, ist einfach der Paseo, der Spazierweg), die Verkehrs- und Lebensdrehscheibe zu befinden.

Direkt dahinter beginnt die Altstadt, wo sich die enge Gasse der Calle Coso ziemlich geradlinig auf ein erhofftes Zentrum zubewegt. Kleine Geschäfte und Bars begleiten unseren Weg, auch versteckt neugierige Blicke und immer wieder auch die deutlichen Verkaufsschilder. Sesshaft werden in Siles scheint jedenfalls nicht schwer zu sein. Das ist nicht ganz so quirlig wie in Cazorla und nicht so bergig wie in Segura, aber durchaus malerisch. Nur eben auch nicht gerade außergewöhnlich.

Am Ende der langen Gasse stoßen wir auf einen kleinen Platz. Das beflaggte Gebäude am linken Ende wird wohl das Rathaus sein. Eine kleine, baumbestandene Erhöhung im Zentrum bietet Schatten, Parkbänke und einen kleinen Brunnen. Vermutlich daher heißt er "Plaza del Agua".

Die meisten Bänke sind wie überall von schwatzenden Senioren besetzt. Eine ist aber noch frei, da parke ich meine Frau, um mich an der auch hier wie überall in der Segura angebrachten Infotafel am Platzeingang orientieren zu können. Ich weiß ja nicht, wie sie es schafft, immer binnen kürzester Zeit in Kontakt mit den Einheimischen zu kommen (in Hornos war es ja genauso). Jedenfalls taucht nach wenigen Minuten eine ältere Dame auf, schwallt sie zu und verschwindet dann kopfschüttelnd in Richtung ihrer wartenden Genossen. Vermutlich hat Lore sich aus Versehen auf ihren Stammplatz gesetzt.

Ich erjage derweilen des Rätsels Lösung. Wären wir der A-310 nur noch wenige Meter weiter dorfauswärts gefolgt, wären wir am Centro Interpretacion El Sequero gelandet. Lore gibt sich keine große Mühe, ihre Enttäuschung über diese Nachricht zu verbergen. So sonderlich spannend hat sie diesen kleinen Fußweg nicht empfunden. Manchmal muss man aber für die Erkundung touristisch weit entlegener Gebiete eben auch Opfer bringen. Findet sie auch, kann sich nur nicht erinnern, wann sie diese auf ihren Wunschzettel geschrieben hat.

Das Centro Interpretacion El Sequero zeigt schöne Einblicke in historische Lebenszusammenhänge

Direkt vor dem "Sequero" stellen wir das Auto bequem in eine Parkbucht am Straßenrand. Der flache Bau ist durch das blaue Informationsschild gut gekennzeichnet und kaum zu übersehen. Innen empfangen uns einige Kartenhalter mit diversen Prospekten, viele Vitrinen und Ausstellungsstücke und auch Verkaufstische mit lokalen Produkten und Reiseführern. Der Empfangstresen wird aber belagert von einem spanischen Paar mit vorgeschnalltem Kleinkind und die beiden beschäftigen die junge Dame ziemlich.

Wir sehen uns also erst einmal um. Wie immer würden mich ja die Infomaterialien am meisten reizen, die liegen aber zu nahe am aktuellen Brennpunkt der Diskussion. Also schauen wir uns zuerst mal die Ausstellung an. Hier finden wir reichliche Informationen zu den in der Umgebung sammelbaren und essbaren Speisepilzen. Als passionierte Schwammerlsucher wäre das genau unser Ding, in Bayern dürfte die Steinpilzrallye längst begonnen haben. Leider werden wir aber keine Gelegenheit mehr haben, durch die hiesigen Wälder zu streifen und uns ein eigenes Pilzragout mit Speck zu ersammeln, was durchaus schade ist.

Lore begutachtet noch interessiert das Angebot an Handwerkskunst und lokalen Spezialitäten. Ich entdecke dafür den Abgang in die eigentlichen Ausstellungsräume. Am Tresen wird immer noch verhandelt, länger will ich aber nicht mehr warten. In Erwartung eines Rückrufs steigen wir einfach die Treppe hinunter. Stattdessen geht einfach und kommentarlos das Licht an. Kostenlose Ausstellungen lieben wir!

Wie schon in Teilen des Erdgeschosses wird an anschaulichen Ausstellungsstücken und mit schönen, historischen Fotos erläutert, wie zu früheren Zeiten die Produktionskette vom Sammeln bis zur industriellen Verarbeitung der Pinienzapfen und anderer Schätze der Wälder verlaufen ist. Die spanischen (teilw. auch englischen) Erklärungstexte sind dabei eine aufschlussreiche Zusatzinformation, man versteht die Abläufe aber auch so. Nebenher bieten sich tiefe Einblicke in das Leben hierzulande anfangs des letzten Jahrhunderts. In weiteren Räumen wird das noch fortgesetzt mit allgemeineren Dokumentationen zur Sierra de Segura.

Für das "El Sequero" gilt eigentlich dasselbe wie für alle Centros de Interpretacion, die die Junta de Andalucia meist in historisch schützenswerten Gemäuern im Land errichtet hat und von denen wir nun schon einige gesehen haben. Alle können einen schulischen Grundanspruch nicht verleugnen und die meisten muss man nicht derart unbedingt gesehen haben wie die Alhambra oder die Mezquita. Soweit sie aber am Wegesrand liegen, sollte man sie keinesfalls übersehen, allein schon wegen der meist präsentierten historischen Fotos des gerade aktuellen Lebensraumes. Und in meinen Augen vermitteln sie immer ein wesentlich besseres Hintergrundbild gewachsener Strukturen und Arbeits- oder Naturzusammenhänge als jedes Völker-, Natur- oder Scherbenkundemuseum in den großen Städten.

Wir sind jedenfalls durchaus zufrieden mit unserer Nachmittagsgestaltung und bedanken uns noch durch den Einkauf von einigen Kleinigkeiten.

Dschungelige Heimfahrt über den Pena del Olivar und Los Acebeas nach Segura

Die Heimfahrt wollen wir noch etwas anders gestalten als die Anfahrt, schließlich lieben wir Rundreisen. Am Ortseingang war mir ein Wegweiser nach "Los Acebeas" aufgefallen, den wir ja gestern erst besucht hatten. Auch Antons dankenswert großmaßstäbige Karte legt nahe, dass von dort eine Verbindung nach Siles besteht und die wollen wir einfach mal ausprobieren.

Unsere Angst vor evtl. unpassierbaren Forstpfaden erweist sich als unbegründet. Die Straße ist genauso breit oder schmal wie alle anderen im Gebirge, vielleicht etwas welliger asphaltiert. Nachdem man ohnehin nicht schnell fahren kann, spielt das keine Rolle und vor entgegenkommenden Rasern braucht man sich so auch nicht zu sorgen. Dafür genießen wir die Stille der Wälder, die sich manchmal zu einem regelrechten Dschungel bis an den Straßenrand vorarbeiten. Im Vergleich zu den Provinzstraßen jedenfalls eher ein Naturerlebnis (soweit das aus dem Auto möglich ist) und am Ende in der Segura auch nicht langsamer als Entfernungskilometer fressen.

Vorher aber passieren wir noch hinter den Campingplätzen von Siles ein kleines Erholungsgebiet, den "Pena del Olivar". Unter hohen Bäumen fließt hier ein lustig plätscherndes Bächlein in einen Silbersee, der vielleicht sogar zum Baden genützt werden könnte. Locker verteilt stehen die üblichen Holztischgruppen am Hang, auf der anderen Seite der Straße lässt ein ziemlich großes Zelt gröbere gastronomische Aktivitäten zu Spitzenzeiten vermuten. Jetzt aber herrscht idyllische Ruhe, um das Farbenspiel der einfallenden Sonne auf den Wasserflächen ausgiebig zu bewundern. Leider haben wir diesmal keine Brotzeit dabei, es sollte ja nur ein Kurzausflug werden.

Die verbleibende Zeit zu Hause auf der Terrasse der Huertos de la Segura benutzen wir, um unsere Überraschung in den Griff zu kriegen. Viel Zeit hatten wir uns ja nicht gegeben hier in der Sierra de Segura. Umso mehr haben wir leichte Probleme, zu verarbeiten, welche Vielfalt wir gesehen haben und vor allem welche Unterschiede zur Kulturstadt Granada, wo wir ja vor gerade zwei Tagen noch auf der Dachterrasse gethrohnt hatten. Und schon morgen Abend werden wir in Cordoba sitzen, das uns als andalusische Hauptstadt des Flairs ans Herz gewachsen ist. Ein derartiges Kontrastprogramm war eigentlich gar nicht bewusst geplant, es hat sich lediglich ergeben als Aneinanderreihung von Versatzstücken, die wir bei gemächlichen Wiedersehen nochmals streifen wollten.

Es gefällt uns aber ziemlich gut, vor allem auch die Aneinanderreihung von einfach saugeilen Wohnungen. Lediglich auf weitere Restaurant-Experimente verzichten wir und reduzieren unsere morgen zu schleppenden Lebensmittelbestände durch ein gemütliches Mahl auf der Terrasse bei einfachen Kartoffeln mit Butter und Käse. Morgen geht es weiter und wir warten gespannt, wann der Katastrophenfall eintritt, den es doch eigentlich auf jeder Reise gibt.

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Und hier der Gesamtüberblick dieser Reise mit allen Berichten


© 2004-2014 by Martin Haisch Gastromartini gastrobetreuung.de

Zuletzt aktualisiert am 27. Mai 2014

Mit ausdrücklichem Dank an Apachefriends und alle Open-Source-Entwickler, deren Arbeit solche Projekte erst ermöglicht
sowie an Lore für Begleitung und Ertragen programmierungstechnisch bedingter Abwesenheiten

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