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Stadtpalast an der Calle Sagunto in Cordoba mit Wahlparty im deutschen Fernsehen und andalusischer Lebensart

Reisebericht zu AndalusienCordoba Stadtwohnung

Nach hilfreicher Einweisung unserer Gastgeber Wäsche aufhängen am Balkon

In Puerta de la Segura hätten wir endlich eine der lang ersehnten Fiestas in den Bergdörfern erleben können. Aber der Zeitplan der Weiterreise nach Cordoba geht vor. Dank der hervorragenden Kommunikation mit unseren Gastgebern finden wir problemlos in die Calle Sagunto, wo eine sehr geräumige Stadtwohnung im lebhaften Stadtviertel Levante auf uns wartet. Nach Erkundung der Einkaufsmöglichkeiten gestalten wir dort unsere eigene Wahlparty.

Nach einem ausgiebigen Frühstück verladen wir unsere Habseligkeiten und verabschieden uns von Anton, der uns mit seinen vielenTips einen wirklich außergewöhnlichen Kurzurlaub in der Sierra de Segura beschert hat, ein veritables Kontrastprogramm zwischen den Stadtaufenthalten in Granada und dem jetzt auf uns wartenden Cordoba. Es fällt uns etwas schwer, die sichere Geborgenheit eines deutsch sprechenden Ansprechpartners zu verlassen, aber mit Cordoba wartet wieder ein schon bekanntes Ziel auf uns, das wir endlich etwas gründlicher kennenlernen wollen.

Die vorfreudige Spannung ist also auch vorhanden, vor allem, weil wir bisher noch nie über airbnb gebucht hatten, wo mir die Unterscheidung zwischen Untermietzimmern und eigenen Wohnungen immer etwas verschwommen vorkam. Möglicherweise warten auch neue Herausforderungen an Notfallbewältigung auf uns, wie wir sie ja auch schon erlebt haben.

Trotz geklauter Straße sehr angenehme Anreise nach Cordoba über die Nordumfahrung von Baeza und Ubeda, die Fiesta in Puerta de la Segura muss leider ausfallen

Eigentlich wollte ich ja über Beas de Segura die Sierra de Segura verlassen, um auch den letzten Zipfel der Berge noch erkundet zu haben. Hier hätte nach meinen Recherchen auch gerade jetzt noch ein Straßenfest stattfinden sollen, das ursprünglich mein Besichtigungskonzept abrunden sollte. Dazu haben wir jetzt aber doch keinen Nerv, einen zumindest spannenden Transfertag vor Augen. Wir ziehen die Abreise über schon bekannte Wege vor und fahren nach Puerta de la Segura.

Zu unserer Überraschung findet die Fiesta aber dort statt. Schon an der Ortseinfahrt verschwinden die für hiesige Verhältnisse überraschend vielen Autos vor uns plötzlich in staubige Höfe, die Straßenseiten sind ohnehin zugeparkt. Bevor ich darüber nachdenken kann, ob das Dorfevent zumindest einen Spaziergang wert wäre, weist uns eine Umleitung schon von der gesperrten Hauptstraße hinauf in bergige Seitengassen, in denen weitere Beschilderung leider Mangelware ist. Wir fahren einfach intuitiv so lange weiter bergauf, bis das Ortsende erreicht ist und folgen dort einer spitzwinklig wieder bergab führenden Abzweigung. Die Vermutung, diese würde uns schon wieder in genügendem Abstand auf das Westende der Hauptstraße führen, erweist sich auch als richtig.

Heute bedauere ich es natürlich, diese Chance zur Begehung eines andalusischen Dorffestes nicht wahrgenommen zu haben. Wahrscheinlich hätten wir die familiäre Fiesta in Mairena, der Vorstadt von Sevilla für spätere Erinnerungen noch toppen können. Aber für die nach dem zweischneidigen Restaurantbesuch in Segura noch fehlenden kulinarischen Erkundungen der Bergwelt ist es so kurz nach dem Frühstück ohnehin noch zu früh und Parkplätze hier, mitten im Ort, gibt es auch keine.

Ich bin also hauptsächlich froh, derart problemlos den Anschluss an meine Reiseroute wiedergefunden zu haben und mache mich auf den Weg zur N-IV bei Puente Genave. Da wartet dann eine zweite Überraschung. Dank Antons WiFi-Verbindung habe ich mir eine schöne, zeitlich angeblich kaum längere Alternative zum Verkehrschaos um Ubeda und Baeza ausgeschaut. Die A-312 schneidet, abgehend von der Anschlussstelle nach Beas de Segura einen Weg durch das Vorgebirge in Richtung Linares, wo wir ja ohnehin auf die Autobahn Madrid- Cadiz fahren müssen. Mangels entsprechender Beschilderung rauschen wir daran aber vorbei.

Letztlich macht es aber keinen Unterschied. Auch wenn der Verkehr um Ubeda herum dichter wird, nervig ist letztlich nur die Verbindung südlich von Baeza nach Jaen, Von Ubeda nach Linares ist die Autobahn zu weiten Teilen fertiggestellt und wir gondeln ganz gemütlich auf jetzt Mehr dazu in meinem Reiseberichtaltbekannten Pfaden in Richtung Cordoba.

Hervorragende Kommunikation mit den Gastgebern macht die Anreise zu unserer Stadtwohnung in Cordoba einfach

Trotz einer ausführlichen Anfahrtsbeschreibung unserer Gastgeber, sogar speziell auf unsere heutige Herkunft bezogen, habe ich leichten Bammel. Bei unserem Erstbesuch Cordobas hatten wir die Anfahrt zum Hotel nach mehreren Versuchen schließlich aufgeben müssen (hätten dort mitten in der Innenstadt aber ohnehin nicht halten können). So weiß ich aber, dass alle Versuche, sich auf Cordoba mittels Googles Streetview vorzubereiten, für Stadtneulinge letztlich vergebens sind. Diesmal aber wohnen wir ja in der Neustadt, die eigentlich einfach erreichbar sein sollte. 50 km vor Cordoba machen wir also Zigarettenpause und ich kündige unsere Ankunft per Handy für die nächste Stunde an. Der Zeitrahmen sollte auch evtl. Probleme überstehen. Nach Überwinden des ersten Überraschungsmoments, auf Englisch angesprochen zu werden, hat Juan sich gefangen. Wir sollten einfach hinfahren, Tanja werde beim Apartment auf uns warten.

Der Rest gestaltet sich viel einfacher als befürchtet. Anweisungsgemäß verlasen wir die A4 gleich an der östlichsten Ausfahrt in Richtung Norden und verlassen die beginnende Ostumfahrung der Stadt auch gleich wieder zur Avenida de Libia, die über einen riesigen und daher unübersichtlichen Kreisverkehr leicht zu erreichen ist. Lediglich die Rechtsabzweigung in die Avenida del Cairo kommt schneller, als ich denke. Das zwingt mich zu einigen unorthodoxen Abbiegemanövern auf dem breiten, von Abbiegeverboten gespicktem Boulevard.

Danach befinde ich mich aber auf sicherem Terrain, die Calle Sagunto Nr. 4 ist gleich gefunden. Allerdings kein Parkplatz. Bevor ich mein sicher erkanntes Ziel wieder aus den Augen verliere, biege ich einfach in die nächste Nebenstraße ein, dort findet sich nach einigen Metern auch eine freie Parklücke, die sofort gekapert wird. Wir sind mitten in einem Wohngebiet gelandet, wo es Parkplätze immer igendwo gibt, aber nie vor der Haustüre. Diese werden ja in den nächsten Tagen immer vor Augen haben und nur an drei Minuten insgesamt hätten wir tatsächlich einen erwischt.

Das macht aber nix, wir wissen ja jetzt, wo wir hinwollen. Rechts der Straße ziehen sich Wohnblöcke hoch, am linken Straßenrand der Calle Pavon, in der wir gelandet sind, zieht sich ein sandiger, kleiner Stadtpark zurück zur Calle Sagunto. Weil wir aber noch nicht wissen, was uns erwartet, lassen wir das Gepäck erst mal im Auto. Wegen der fixen Anfahrt sind wir noch eine halbe Stunde zu früh dran und werden einfach vor der Haustüre auf Tanja warten.

Wohnen im Stadtviertel Levante: Mitten im Leben, in guten, wie in schlechten Zeiten

In der Calle Sagunto herrscht reges Treiben. Die Bar weiter hinten in der Straße ist gut besucht am Ende der Siesta. Wir postieren uns vor der Türe und schauen dem Treiben auf der Straße zu, während sich einige Familien die Klinke zu unserem zukünftigen Domizil in die Hand geben. Zwar fühlen wir uns etwas fremd, aber niemand nimmt Anstoß an unserer zweckfreien Herumsteherei.

Ein Leichenwagen blockiert eine Fahrspur, was zu deutlicher Belebung der ansonsten friedlich verlaufenden Verkehrsverhältnisse führt. Wir werden später an einem Aushang lesen müssen, dass unsere Nachbarin Angela leider bereits vor unserer Ankunft verstorben ist. Der nachher neben dem Lift abgestellte Sarg drückt dann doch kurz aufs Gemüt, gehört aber eben auch zum Leben in der Vorstadt. Die Einladung zu den Beerdigungsfeierlichkeiten nehmen wir natürlich unbekannterweise nicht an, können aber deren Beginn am nächsten Morgen vom Balkon aus verfolgen. Gott gebe ihrer Seele Ruhe und Frieden.

Unser eigener Frieden schwindet langsam, nachdem die Stunde voll wird und wir quasi jede jüngere Frau beim Vorbeigehen visuell auf die Möglichkeit abgetastet hatten, Tanja zu sein. Alle aber schwirrten geschäftig an uns vorbei, keine betrat das Haus und letztendlich stehen wir ja auch deutlich sichtbar als kleine Fremdkörper davor herum. Lore geht die Geduld aus und sie nötigt mich, Juan nochmals anzurufen.

Da zeigt sich dann die Zweideutigkeit des internationalen Englisch. Tanja wartet nicht beim Apartment, sondern im Apartment. Ein Druck auf den Klingelknopf hätte uns das Leben leichter gemacht. Zwei Minuten später ist sie bei uns und lotst uns in den vierten Stock.

Ausführliche und sehr hilfreiche Einweisung in unsere neue Heimat auf Zeit

Hinter einer großzügigen Eingangsdiele empfängt uns ein helles Wohnzimmer, wie es auf den Fotos dargestellt war. Von hier aus tritt man auf den Balkon, den wir uns eher als schmalen Austritt mit Geländer vorgestellt hatten. Tatsächlich aber können wir hier bequem laufen, sitzen und später nächtelang das Treiben im Viertel beobachten. Tanja bittet leicht bedauernd darum, nur hier draußen zu rauchen. Das kann ich gut verstehen, sie hatte es ja auch bereits auf ihrer Website im airbnb-Portal so angekündigt und sie beruhigen. Ich rauche nicht in Räumen, in denen meine Frau sitzt.

Wir lassen uns erst einmal auf den Couchen nieder und bekommen eine ausführliche Einweisung in unser neues Reisegebiet. Anhand der ausliegenden Karten erläutert uns Tanja mögliche Spazierwege, die wichtigsten Sehenswürdigkeiten, gibt Restaurant-Tips und zeigt uns die Einkaufsmöglichkeiten im Viertel. Wie schon in Segura sind wir auch hier wieder bei Gastgebern gelandet, sie sehr engagiert und hilfsbereit nicht nur ihre Wohnung, sondern auch ihre Heimat herzeigen möchten. Schon im Vorfeld hatten sie mir ausführliche Anfahrtsbeschreibungen als Google-Map erstellt. Nur den Videofilm zur Vorbereitung konnte ich leider nicht sehen, weil die deutsche GEMA ihn aus Youtube gestrichen hatte. Tanjas angespannte Konzentration weicht einem beruhigten Lächeln, als ich ihr erkläre, dass wir bereits in Cordoba gewesen sind. Die meisten ihrer Hinweise hätte ich mir aber alleine doch ziemlich mühsam erarbeiten müssen. Vom Balkon zeigt sie uns die Bushaltestellen in Richtung Innenstadt schräg gegenüber und vergisst auch nicht zu erwähnen, dass die der Gegenrichtung erst am Anfang der Nebenstraße postiert ist, in der wir unser Auto stehen haben.

So langsam bemerken wir aus dem Kontext ihres Redens auch die Sorge vor ziemlichen Idioten, die ihre noch kurzen Erfahrungen als Vermieterin einer Ferienwohnung begleitet haben müssen. Ausdrücklich bittet sie uns, das Auto nicht auf den jetzt einzigen, freien Parkplatz gegenüber zu stellen. Er ist auch für uns Deutsche deutlich sichtbar als Behinderten-Parkplatz gekennzeichnet (sogar mit dem berechtigten Nummernschild). Anscheinend hat sie bereits einen Tag dafür geopfert, das abgeschleppte Autos eines unserer Vormieter wieder frei zu bekommen.

Bei der Gelegenheit überreicht sie uns nochmals Handynummer und Email-Adresse als günstigere Kontaktmöglichkeit und bittet ausdrücklich, wir sollten sie bei Problemen jeglicher Art unbedingt und sofort anrufen. Glücklicherweise wird das nicht nötig sein, denn wir haben wir alles, was wir brauchen. Aber beeindruckt von solcher Fürsorge sind wir schon.

Rundgang durch einen Stadtpalast

Die latente Besorgnis setzt sich fort beim Rundgang durch die Wohnung. Gegenüber dem Balkon öffnet sich ein Flur, der in die hinteren Gemächer führt. Zunächst aber schauen wir uns die gleich rechts hinter dem Wohnzimmer gelegene Küche an. Von Tanja unbemerkt fliegt uns zu Deutsch die Fresse runter. Der Riesenkühlschrank läuft schon, alles ist blitzsauber und in den Schubladen und Schränken finden wir Equipment zur Versorgung einer Großfamilie mit mindestens so vielen Kochutensilien, wie ich sie auch zu Hause für ein anspruchsvolles Kochen vorhalte. Die Besteckschublade ist dermaßen prall gefüllt, dass wir über den gesamten Aufenthalt hier wahrscheinlich nur einmal abspülen müssten, wenn wir Sauberkeits-Ignoranten wären. Hier entzündet sich Lores hervorragende Idee, in Zukunft von jeder Wohnung den Besteckkasten zu fotografieren. Er gibt tatsächlich fast immer schlüssig Auskunft von Philosophie und Hintergrund des Vermieters.

Tanjas Sorgen aber sind andere als unser Staunen. Hier wird deutlich, dass andere Mieter umgekehrt ihren Hintergrund einer pfleglich zu behandelnden, günstigen Wohnmöglichkeit nicht verstanden haben. Wir mögen doch bitte im Wasserkocher keine Milch erhitzen, den als solchen deutlich erkennbaren Toastgrill zum Brot aufbacken nicht für Steaks benutzen und tunlichst die Finger von der eingestellten Warmwasseranlage lassen. Wie fast überall in Andalusien wird auch hier das warme Wasser durch einen über Gasflaschen betriebenen Boiler betrieben. Sollte der unwahrscheinliche Fall eintreten, dass diese Kartusche leer ginge, sollten wir bitte anrufen und nicht selbst herumbasteln. Ich kann mir jetzt gut vorstellen, welche Katastrophen die zierliche, junge Dame in der letzten Zeit bewältigen musste, verkneife mir das Grinsen, das mich eigentlich drücken würde und folge mit allem gebotenen Ernst der weiteren Führung. Andererseits wäre bei frecher Nachfrage sicher die eine oder andere Story für diesen Blog herausgesprungen.

Im Flur öffnet sich nach links das Schlafzimmer zum Balkon hin, nach rechts zwei weitere Zimmer und am Ende das Bad. Das Schlafzimmer mit breitem, futonartigem Doppelbett ist hell und modern gehalten und eingerichtet, das Bad als einziger lichtloser Raum funktionell. Überall gibt es die nicht selbstverständlichen Kleinigkeiten zum Empfang von Reisenden wie Handseife und Hygieneartikel im Bad, Kaffee, Milch und Zucker wie ein Grundbestand an Gewürzen in der Küche, Prospekte und Lesestoff zu Cordoba im Wohnzimmer.

Die weiteren Zimmer zum Innenhof bleiben uns verschlossen, da wir sie ja als Pärchen kaum benutzen würden. Wir bräuchten aber keine Sorge haben, sie würden natürlich nicht belegt, da wir ja die gesamte Wohnung gebucht haben. Das war bei der Vorreservierung auch so beschlossen worden, beruht aber auf einem Missverständnis. Natürlich wollte ich eigentlich alle Zimmer buchen, um mir auch hier die schnarchbedingte Schlafmöglichkeit zum Ausweichen zu erhalten. Da habe ich mich aber in den verschiedenen Angebotsvarianten verfranzt und habe jetzt nicht mehr genügend Reaktionsvermögen, das Missverständnis mittels einer kleinen Nachzahlung zu entheben. Macht aber nichts, auf der langen Couch im Wohnzimmer werde ich ebenso gut schlafen.

Wäschekampf im Levante

Schließlich überlässt Tanja uns unserem Schicksal. Wir wandern zum Auto und holen unsere Habseligkeiten in die neue Heimat. Wegen der immer noch ziemlich umfangreichen Lebensmittelbestände werden da zwei Gänge nötig werden. Um mir diesen zu ersparen, überwacht Lore mit Argusaugen vom Balkon aus die Parksituation vor dem Haus. Sie lebt in der Vorstellung, mir durch einen beherzten Einsatz der Verteidigung eines evtl. frei werdenden Platzes die Möglichkeit zu verschaffen, das Auto sozusagen heim zu holen, um mir dann wenigstens bei der Abreise die Schlepperei ersparen zu können. Während vieler Stunden auf diesem Balkon wird sich dies als Träumerei erweisen und auch heute ist nach einer guten Viertelstunde alles geholt und verstaut. Das Auto wird die nächsten Tage keinen Zentimeter bewegt werden und friedlich und unbehelligt vor sich hin schlafen.

Wir beschließen, angesichts der jetzt vorgerückten Nachmittagsstunde heute einen Gemütlichkeitstag einzulegen und auch unsere Logistik neu aufzustellen. Unsere Wäschebestände sind minutiös geplant nach Waschmöglichkeiten in den Apartments, und spätestens morgen wäre Waschtag. Den ziehen wir eben auf heute vor. Angesichts meiner bereits abgeleisteten körperlichen Anstrengungen genehmigt Lore uns ein traditionelles Familien-Rollenbild und widmet sich der Erforschung der Waschmaschine. Ich ziehe mir derweil zwei Genusszigaretten auf dem Balkon ein, plane die nähere Zukunft und beobachte die Nachbarschaft. Die unverbaute Sicht auf die Dachterrassen der umliegenden Wohnblöcke präsentiert mir dabei überall Hausfrauen, die ihre Wäsche dort aufhängen.

Das macht mir jetzt echt Sorgen. Ich versuche, Lore zur Eile anzutreiben. Was sollen die Nachbarn denken, wenn wir unsere Wäsche erst aufhängen, sobald alle anderen schon beim Paseo auf der Straße sind? Lore kämpft aber immer noch mit der Maschine. Den Kampf wird sie leider verlieren, vor dem Schleudergang hängt sich die Elektronik regelmäßig auf und verweigert die Arbeit. Letztlich hängen wir die Wäsche doch viel zu spät für unsere Nachbarn und tropfnass auf, am Ende des nächsten Tages ist sie bei den auch Ende September noch herrschenden Tagestemperaturen von 35 Grad auch trocken.

Lore spielt aber jetzt ihre Seite des Rollenbildes aus und findet, ich könne mich des Jagens und Sammelns widmen. Das heutige Abendessen werden wir ja wohl im Haus einnehmen, dazu fehlt aber noch erstens ein Plan und zweitens Getränke.

Leben und Einkaufen im Barrio Levante an der Calle Sagunto

Also mache ich mich auf den Weg. Rumsitzen in spannender, neuer Umgebung ist meine Sache ohnehin nicht. Vom Balkon aus hatte mir Tania den nächsten, größeren Supermarkt, ein Mitglied der Mercadona-Kette gewiesen. Stadteinwärts auf der rechten Seite fände ich ihn problemlos. Nachdem doch hauptsächlich Getränke fehlen, schnalle ich mir den Rucksack um. Schinken für die geplanten Schinkennudeln packe ich eben oben drauf, alles andere ist in unseren mittlerweile drei großen Einkaufstaschen noch vorhanden.

Die Calle Sagunto zieht sich dann aber doch ziemlich lang, bis ich ihr westliches Ende an der alten Stadtmauer von Cordoba erreiche. Voller Hoffnung spähe ich in jede Seitengasse rechter Hand und finde dort auch vom Telefonladen über Wäschereien und Mini-Shops so ziemlich alles, was ich für einen mehrmonatigen Aufenthalt so benötigen könnte, nur eben keinen Mercadona. Dafür kann ich den gar nicht kleinen Stadtpark von Levante bewundern, wo sich am Rande die Senioren auf schattigen Parkbänken versammeln und vermutlich die Kinder hüten, die auf den Wiesenflächen und in der vorübergehend aufgebauten Hüpfburg herumtollen. Auch der angepriesene Bezahlparkplatz für ängstliche Reisende folgt linker Hand unmittelbar nach der Anlage.

Nach gefühlt deutlich mehr als einem Kilometer erreiche ich die Stadtmauer und dort auch deutlich sichtbar den Supermarkt. Ziemlich groß und ziemlich verschachtelt ist er und so dauert es etwas, bis ich Bier, Wein und Wasser gefunden habe. Schaut wieder toll aus für die Nachbarn, als ich schließlich meinen Rucksack mit einem Paket Schinken, einer Flasche Wasser und ansonsten kiloweise Sauferei vollpacke.

Wochenende: Da geht es ab in der Calle Sagunto

Wieder daheim genießen wir noch einen Sundowner auf den Balkon. Er besteht noch etwas ärmlich aus Kaffee (da werden wir uns noch steigern), die Kulisse ist trotzdem imposant. Auch wenn die Aussicht über die Dachterrassen der umliegenden Wohnblöcke sicher nicht Eingang in Tourismusprospekte finden wird, gibt es immer wieder spannende Dinge zu beobachten. Der Sonnenuntergang über den Rändern der umliegenden Sierra ist ein Schauspiel wie überall.

Wir kochen uns schnöde Nudeln mit Thunfischsauce in unserer Luxusküche, spachteln voller Appetit, dann setzen wir uns bei Kerzenschein auf unseren Balkon und schauen dem Treiben zu wie viele unserer Nachbarn gegenüber auch. Samstags kann man hier auch tatsächlich sitzen wie in einer Theaterloge. Das pralle Leben spielt sich ab.

Die kleine Bar 200 Meter weiter ist zu einer Fressmeile mutiert, deren Bestuhlung sich jetzt bis an den Straßenrand der Calle Sagunto erweitert hat und jeder Platz ist besetzt. Auf den billigen Plätzen der Bänke an der Stra0e unter uns sitzen aufgereiht die Rentner und kommentieren mit sichtlichem Genuss das Geschehen. Aufgebrezelte Teenies rennen aufgeregt zum Rendezvous, nicht ohne dieses Ereignis schnell noch live ins natürlich mitgeführte Smartphone einzugeben.

Später am Abend können auch die Folgen unschwer von unserem Hochsitz aus beobachtet werden. Gut gelaunte Familienclans, die ihre Oberhäupter lachend, aber bestimmt in die ihnen zugedachte Richtung zu dirigieren versuchen. Jungmänner, die mit aufgedröhnter Basswumme die Schönste vor dem Aussteigen noch ein letztes Mal beeindrucken möchten, dann aber doch vor der Zeit kapitulieren müssen und noch mit einem letzten, frustrierten Dreh ums Viertel auch alle anderen an ihrer Enttäuschung teilhaben lassen. Aus dem Schatten der Bäume huschende Gestalten, die Straßenränder und Müllcontainer nach Resten des Wochenendspektakels absuchen, die sie für sich verwerten können. Kleinstadtleben wie überall auf der Welt. Wir fühlen uns aufgehoben und jetzt auch angekommen in einer Welt, die mit der Stille der Sierra Segura so gar nichts zu tun hat, obwohl wir erst letzte Nacht noch dort gesessen sind.

persönliche Wahlparty in Cordoba

Am nächsten Tag werden wir noch die Vorzüge einer modernen Stadtwohnung zu schätzen lernen. Da wird nämlich in Deutschland die Bundestagswahl stattfinden. Selbst im Urlaub geht uns dieses Ereignis nun nicht gerade am Arsch vorbei. Nach einem jetzt der angebotenen Ausstattung entsprechendem Luxusmenü spanne ich den Laptop auf und folge nach 20:00 den Hochrechnungen über den gut funktionierenden WLAN-Anschluss.

Die Zahlen stehen aber auf der Kippe, das ständige Aktualisieren nervt und wir ziehen uns alsbald wieder auf unseren Theaterbalkon zurück. Auch wenn sich hier eh nichts ändern lässt, drückt es mich aber alsbald doch und ich werfe mal den Fernseher an. Vielleicht lassen sich dem ja noch Informationen entlocken, am Ende ist ja angesichts der Eurokrise auch in Spanien durchaus interessant, was "La Merkel" so macht. Die Glotze ist sicher viermal so groß wie meine eigene und nach zehnminütigem Durchklicken habe ich sogar ARD und ZDF gefunden.

Lore lobt mich für das gekonnte Erjagen deutscher Fernsehprogramme, findet deren Inhalt aber nur mittelmäßig spannend und zieht sich alsbald zurück nach einem langen Tag. Ich genieße noch kurze Zeit die Vorzüge des Schnarcherlebens auf Couch mit Glotze. Dann schaltet auch mein Gehirn auf Stand-By. Was es hier zu sehen gibt ist einfach unglaublich viel spannender als die ewig gleichen Floskeln angesichts eines wohl knapp bleibenden Wahlergebnisses. Also dämmere ich auch weg in der Gewissheit, in dieser Wohnung jederzeit am Puls der Zeit bleiben zu können. Allerdings interessiert mich der Puls von Cordoba im Moment mehr.

Bei dessen Besichtigung werden vom Wahlabend nur die Fotos von "La Merkel" auf den Titelseiten der Tagespresse übrig bleiben. Angesichts des rigiden Sparkurses auch in Spanien fallen diese nicht gerade wohlwollend aus. Wir können sicher sein, die schönsten Hässlichkeits-Schnappschüsse präsentiert zu bekommen. Ansonsten wird das Wahlergebnis und seine Folgen uns später Recht geben mit unserer Ignoranz: Jede weitere Sekunde, sich in Andalusien damit zu beschäftigen, wäre Verschwendung gewesen.

Wenn Sie dem Verlauf dieser Reise folgen möchten

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Und hier der Gesamtüberblick dieser Reise mit allen Berichten


© 2004-2014 by Martin Haisch Gastromartini gastrobetreuung.de

Zuletzt aktualisiert am 27. Mai 2014

Mit ausdrücklichem Dank an Apachefriends und alle Open-Source-Entwickler, deren Arbeit solche Projekte erst ermöglicht
sowie an Lore für Begleitung und Ertragen programmierungstechnisch bedingter Abwesenheiten

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